10.11.2015

EU-Flüchtlingsgipfel: Diktatoren werden für Verfolgung und Vertreibung belohnt

Beratungen mit autokratischen afrikanischen Regimes als „zynische Anbiederung“ scharf kritisiert (Pressemitteilung)

Flüchtlinge aus Darfur, Sudan - © European Commission DG ECHO / Flickr

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat die geplanten Beratungen der EU-Staatschefs mit autokratischen Regimes aus Afrika beim EU-Flüchtlingsgipfel in Malta am 11./12. November 2015 scharf kritisiert. „Die zynische Anbiederung bei Afrikas Diktatoren wird weder die Fluchtursachen wirksam bekämpfen noch die Flucht von noch mehr Menschen verhindern. Denn diese autokratischen Regimes bieten keine nachhaltige Lösung der Flüchtlingskrise, sondern sind ihre Verursacher. So wird nicht nur der Bock zum Gärtner gemacht, sondern Afrikas schlimmste Diktatoren werden für ihre Verfolgung auch noch belohnt“, erklärte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius am Dienstag in Göttingen. „Mit dieser Kooperation mit Autokraten ignoriert die EU ihre eigenen Rechtsprinzipien und Grundsätze. Auch werden die vorgeschlagenen Programme Dutzende Millionen Euro kosten, ohne jemals die erhoffte Wirkung zu zeigen, da die Fluchtursachen ignoriert werden.“

Mit dem Sudan, Südsudan, Eritrea, Äthiopien und Somalia werden in Malta fünf Staaten vertreten sein, deren Regierungen im Jahr 2015 für die Flucht von mehr als vier Millionen Menschen verantwortlich waren. „Dies sollte genügen, um sie bei Verhandlungen zu disqualifizieren statt sie zu hofieren“, sagte Delius. Die Regierung Eritreas habe den Zynismus im Juli 2015 auf die Spitze getrieben, als sie an den Weltsicherheitsrat appellierte, die „abscheuliche Flucht“ tausender Eritreer aus ihrer Heimat zu untersuchen und die angeblich im Ausland ansässigen Schuldigen für den Massenexodus zu bestrafen. Dass die meisten Eritreer vor Zwangsarbeit und unbegrenztem Militärdienst fliehen, ignorieren Eritreas Machthaber geflissentlich.

Für Afrikas Diktatoren ist die Zusammenarbeit mit der EU in mehrfacher Hinsicht verlockend. Die Kooperation wird ihre Macht stärken und die nach mehr Demokratisierung strebende Zivilgesellschaft schwächen, befürchtet die GfbV. Außerdem werden die Autokraten, denen zum Teil Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen vorgeworfen werden, moralisch und politisch aufgewertet. „Die EU wird für ihre Kooperation mit diesen Regimes einen hohen Preis zahlen müssen, da sich die neuen Partner jede Kritik an der prekären Menschenrechtslage in ihrem Land verbitten werden“, warnte Delius. Einen Vorgeschmack dazu liefere die Annäherung zwischen der EU und dem Sudan: Ungestört könne das Regime des wegen Völkermords steckbrieflich vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) gesuchten Präsidenten Omar Hassan al Bashir die Zivilbevölkerung in Süd-Kordofan bombardieren und aushungern lassen und Darfur mit einer Terror-Kampagne der RSF-Miliz überziehen. Allerdings wird der Sudan auf dem Flüchtlingsgipfel nicht von Bashir, sondern von Außenminister Ibrahim Ghandour vertreten. Denn als Signatarstaat des IStGH müsste Malta den sudanesischen Präsidenten verhaften lassen.


Header Foto: European Commission DG ECHO via Flickr