15.12.2007

Urankreislauf und indigene Völker

ATOMKRAFT IST KEINE ALTERNATIVE

Weltweit boomt die Uranindustrie. Es gibt ca. 50 aktive Minen in 16 Staaten. Der Markt wird beherrscht vom kanadischen Unternehmen CAMECO, der britisch-australischen Rio Tinto-Gruppe und dem französischen Unternehmen Areva, die allein fast 50% des Weltmarkts unter sich aufteilen. CAMECO aus dem kanadischen Saskatoon, Saskatechwan ist nach eigenen Angaben der größte Uranproduzent mit einem Anteil von 20% an der Welturanproduktion, der in den Uranminen in Kanada und den USA erwirtschaftet wird. Die Rio Tinto Gruppe mit Firmensitzen in London/Großbritannien und in Melbourne/Australien ist über ihre Anteile an der Energy Ressources of Australia (ERA; 68%) - dem drittgrößten Uranproduzenten der Welt - und der Rössingmine in Namibia (69%) am Urangeschäft beteiligt. ERA zeichnet nach eigenen Angaben verantwortlich für 11% der Weltjahresproduktion an Uran.1

Rund 70 Prozent der weltweiten Uranvorkommen befinden sich auf dem Land indigener Völker. Die größten Reserven liegen in Kanada und Australien. Weitere wichtige Uranproduzenten sind Kasachstan, Niger, Russland, Namibia und Usbekistan. Seit jeher sind Wirtschaft, Kultur und Religion der Ureinwohner eng mit der Umwelt verwoben, in der sie leben. In weit stärkerem Maße als in der industrialisierten Welt kommt die Zerstörung der Landschaft durch den Abbau von Rohstoffen in Australien, den USA, Kanada, Niger oder Indien einer Vernichtung der Lebensgrundlage von Indianern und Inuit, Aboriginal Australians und Tuareg, Adivasi in Indien und anderen indigenen Völkern gleich.

Der Uranboom wird begründet mit der Suche nach alternativen Brennstoffen, die das Klima weniger belasten als zum Beispiel Kohlekraftwerke. Aufgrund der außerordentlich umweltschädlichen Förderung und Aufbereitung des Urans ist Atomkraft jedoch keine umweltverträgliche Alternative, von der ungelösten Frage der Endlagerung radioaktiver Abfälle ganz zu schweigen. Das Menetekel der beiden Gaus in den Aromkraftwerken Tschernobyl in der heutigen Ukraine 1986 und Three Mile Island in den USA 1979 verblasst.

Ureinwohnerland wird in mehrfacher Hinsicht von der Uranindustrie berührt. Hier wird das Schwermetall nicht nur gefördert, sondern es wurden zum Beispiel auf dem traditionellen Land der Western Shoshone in Nevada/USA, auf dem Moruroa Atoll in französisch Polynesien oder in der Wüste der Aborigines in Australien auch Atomwaffen getestet. Auf der Suche nach Endlagern für radioaktiven Müll ist indianisches Land in den USA und Aborigineland in Australien erneut gefragt.

Der Widerstand zahlreicher indigener Völker gegen Uranförderung oder Endlagerung radioaktiven Mülls auf ihrem Land reicht weit zurück. Bereits 1984/85 blockierten kanadische Cree und Dene zusammen mehrere Tage lang die Zugangsstraßen zur Uranmine am Wollaston Lake. Auch in Australien formierte sich ein breites Bündnis von Mirrar-Aborigines und Umweltschützern gegen die Eröffnung der Jabiluka Mine im Kakadu National Park, einem Weltnaturerbegebiet der UNESCO. Am 23. März 1998 machten sich fast 3000 Menschen unter dem Motto "Jabiluka will be stopped" (Jabiluka wird verhindert) auf den Weg zum geplanten Bauplatz und behinderten die Arbeiten. Ihre Aktionen führten schließlich zu einem Moratorium für den Uranabbau in dieser Mine bis 2011.

In Süd Dakota/USA wehren sich die Lakota derzeit vehement gegen Uranförderung mit dem besonders umweltschädlichen In-situ-Verfahren. Dabei wird das Uranerz in der Erde chemisch gelöst und anschließend abgepumpt. Dieses Verfahren birgt unkalkulierbare Risiken einer radioaktiven Verseuchung des Grundwassers. Einen Boom erlebte der Uranbergbau bereits in den 1950er und 1960er Jahren im Gebiet der Navajo und Pueblo-Indianer im Südwesten der USA. Gefördert wurde dort auf Land der Navajo- und der Pueblo-Indianer. Auf die in diesem Halbwüstengebiet ohnehin empfindliche Umwelt wurde wenig Rücksicht genommen. Bei Unfällen wurden 1973der Rio Paguate, der die Laguna-Indianer mit Wasser versorgt, und 1979 der Rio Puerco, wichtige Trinkwasserquelle für 1700 an seinen Ufern lebenden Navajos, verseucht. Die Navajo-Bergleute der Shiprock-Uranmine in New Mexiko wurden schlechter bezahlt, als andere Uran-Bergarbeiter. Zudem waren die Schächte der Mine schlecht belüftet und daher hochgradig strahlenbelastet. Der Kerr-McGee-Konzern, der hier von 1952 bis 1970 Uran förderte, ließ eine riesige ungesicherte Abraumhalde zurück. Doch weder die Bergleute, die an Atemwegserkrankungen oder Lungenkrebs litten, noch die Familien mit missgebildeten Kindern erhielten Entschädigungsleistungen oder Renten. Denn der Kausalzusammenhang zwischen Erkrankung und Radioaktivität wird bestritten.

Im Niger schürt der Uranbergbau den Konflikt zwischen Tuareg und der Zentralregierung. Seit Februar 2007 haben Tuareg erneut zu den Waffen gegriffen, mindestens 50 Armee-Soldaten des Niger starben seither bei Zusammenstößen und Überfällen der Rebellen. Die "Bewegung der Nigerier für Gerechtigkeit" (MNJ) droht mit der gewaltsamen Schließung von Uranminen. Minenarbeiter wurden bereits entführt. Die MNJ wirft den Betreiberfirmen vor, ohne Rücksicht auf die Gesundheit der Minenarbeiter und der lokalen Bevölkerung systematisch Vorschriften zum Schutz von Umwelt und Gesundheit zu ignorieren. Auch Umweltschutzorganisationen berichten über eine erhöhte Zahl von Lungenkrebs und anderen Atemwegserkrankungen in der Umgebung der Minen und kritisieren, dass die Bergbau-Unternehmen tatenlos bleiben. Die Tuareg wenden sich nicht grundsätzlich gegen den Uranbergbau, fordern aber eine stärkere Berücksichtigung der lokalen Bevölkerung bei der Planung und Durchführung neuer Bergbauprojekte sowie einen größeren Anteil ihrer Region an den Erlösen aus der Uranförderung.

Im Juli 2007 einigten sich US-Präsident George W. Bush und der indische Ministerpräsident Manmohan Singh über ihre Zusammenarbeit im Bereich der Atomwirtschaft. Für Indien bedeutete dies die de facto Anerkennung seines Status als Atommacht und eine Erleichterung des geplanten massiven Ausbaus der Atomenergie. Doch nahezu alle wirtschaftlich ausbeutbaren Uranvorkommen befinden sich auf dem Land der Adivasi, der Ureinwohner Indiens. Sie werden den Preis für den radikalen Fortschrittsglauben Indiens zahlen müssen, der keine Rücksicht auf die Menschenrechte von Minderheiten nimmt. Die Adivasi in der Umgebung des Ortes Jadugoda im indischen Bundesstaat Jharkand, wo seit 40 Jahren Uran gefördert wird, haben, bereits schlechte Erfahrungen gemacht. Dort strömten am 24. Dezember 2006 über neun Stunden lang tausende Liter radioaktiven Abfalls in einen kleinen Fluss und in die Umgebung der Siedlung Dungridih. Dort leben überwiegend Adivasifamilien, die beim Bau der Anlage und der dazugehörigen Absetzbecken dorthin umgesiedelt wurden. Erst als die Bewohner des Dorfes die Leitung des Werkes, das von der zu 100 % in Staatsbesitz befindliche Uranium Corporation of India Limited (UCIL) betrieben wird, informierten, wurde das Leck geschlossen.

Betrachtet man den Urankreislauf in seiner Gesamtheit, so schädigen Förderung, Nutzung und Lagerung von Uran und radioaktiven Abfällen die Umwelt, verletzen die Menschenrechte und übergehen die Landrechte zahlreicher indigener Völker. Traditionelle Siedlungsgebiete und rituelle Stätten werden zerstört und verseucht. Viele Ureinwohner leben als Viehzüchter, Kleinbauern oder Jäger und Sammler. Wenn ihre Böden und Gewässer durch den Uranabbau unbrauchbar werden, verlieren sie ihre Existenzgrundlage. Ureinwohner werden oft als billige Arbeitskräfte im Uranbergbau einem hohen Gesundheitsrisiko ausgesetzt. Nach Stilllegung der Bergwerke und Aufbereitungsanlagen ziehen sich die Firmen oft ohne Sanierungsmaßnahmen zurück. Radioaktives Haldenerz wurde sogar häufig als Baumaterial verwendet

Deshalb fordert die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV):

1. Von den Betreibern der Atomkraftwerke in der Bundesrepublik, kein Uran aus Minen zu verwenden, die auf Ureinwohnerland abgebaut wurde.

2. Von den Betreibern der Uranminen, die sich auf Ureinwohnerland befinden, sich bei zur Einhaltung der Mechanismen des internationalen Rechts gegenüber den indigenen Völkern zu verpflichten, wie sie in der Konvention 169 zu den Rechten der indigenen Völker der Internationalen Arbeitsorganisation ILO und in der Allgemeinen Erklärung zu den Rechten der Indigenen Völker der UN festgeschrieben sind.

3. Von der EU, in ihren Umweltrichtlinien bezüglich der Projekte zum Abbau von Uran und der Endlagerung nuklearer Abfälle gegenüber den Mitgliedsstaaten auf die Einhaltung der Menschenrechte der indigenen Völker zu drängen.

4. Von der Bundesregierung, ihren im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Ausstieg aus der Atomenergie konsequent umzusetzen.