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FAQ

Foto: Xurzon/iStock

Uns haben zu unserer Blutrosen-Kampagne viele Fragen erreicht. Das freut uns natürlich, denn es zeigt, dass Ihnen das Thema genauso wichtig ist wie uns. Deswegen haben wir uns entschieden, die Fragen, die wir öfter gehört haben, in diesem "FAQ" für Sie zusammenzustellen und natürlich zu beantworten. (FAQ ist die Abkürzung für "Frequently Asked Questions" und bedeutet "häufig gestellte Fragen".)

Klicken Sie auf die Frage, die Sie interessiert, und lesen Sie unsere Antwort dazu. Falls Ihre Frage zu den Blutrosen hier nicht dabei ist, können Sie uns natürlich gerne eine Email schreiben: afrika@gfbv.de


1) Wer sind die Oromo?

Das Volk der Oromo ist eines der größten Völker Afrikas. Die Oromo leben in Äthiopien, Kenia, Somalia und dem Sudan. In Äthiopien stellen sie mit mindestens 33 Millionen Angehörigen die größte Bevölkerungsgruppe (rund 35 Prozent). Als angebliche Gegner der Regierung werden sie dort jedoch unerbittlich unterdrückt und verfolgt. Seit Jahrzehnten klagen die Oromo über Diskriminierung in Wirtschaft und Gesellschaft sowie über schwere Menschenrechtsverletzungen. Wer für Menschenrechte der Oromo eintritt, gilt in den Augen der äthiopischen Sicherheitskräfte als Unterstützer von Oromo-Freiheitsbewegungen und als „Terrorist“. Die meisten der Oromo sind Muslime, es gibt aber auch christliche Oromo.

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2) Wie ist die Menschenrechtslage in Äthiopien?

Die Menschenrechtslage in Äthiopien ist katastrophal. In Äthiopien gibt es keine Meinungs-, Presse- und Internetfreiheit. Menschenrechts- und Nichtregierungsorganisationen sowie kritische Journalisten werden von den äthiopischen Behörden gezielt mundtot gemacht. Hunderte politische Gefangene, darunter Politiker, Intellektuelle, Studenten, NGO-Vertreter und Oromo-Kleinbauern, werden ohne faire Gerichtsverfahren festgehalten und die Religionsfreiheit von Muslimen wird willkürlich eingeschränkt. Seit 2005 hat die autoritäre Regierung in Äthiopien mit repressiven Gesetzen die Arbeit von unabhängigen Journalisten, NGOs und Oppositionspolitikern zum Erliegen gebracht. So wurde 2009 das Gesetz „Charities and Societies Proclamation“ verabschiedet, wegen dem Dutzende Menschenrechtsgruppen und humanitäre Organisationen ihre Arbeit in Äthiopien einstellen mussten. Das Gesetz sieht neben einer strikten Registrierung aller NGOs vor, dass keine Gruppe mehr als zehn Prozent ihres Finanzhaushalts aus dem Ausland empfangen darf. Auch dürfen die Organisationen nicht mehr als 30 Prozent ihrer Mittel für „Verwaltungskosten“ verwenden. Der Äthiopische Menschenrechtsrat musste daher bereits mehr als 75 Prozent seines Personals entlassen.

Auch ist die Situation der Informationsfreiheit in ganz Äthiopien und besonders im Bundessstaat Oromia äußerst schwierig. Freie Berichterstattung und unabhängige Medien existieren nicht, und gerade Menschenrechtler können sich nicht frei bewegen oder recherchieren. Darum sind Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch, Amnesty International oder die Gesellschaft für bedrohte Völker auf mutige Aktivisten vor Ort angewiesen, die Informationen nach außen tragen, beispielsweise über die sozialen Medien.

Dazu kommt, dass der Ausverkauf an Land in Äthiopien immer dramatischere Ausmaße annimmt. So bedroht Landraub indigene Völker wie die Anuak, die Somalis aus dem Ogaden oder die Oromo-Kleinbauern.

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3) Machen die Rosenplantagen den ganzen Landraub in Äthiopien aus?

Nein, die Rosenplantagen sind nur ein Bruchteil des Problems mit Landgrabbing (Landraub) in Äthiopien. Aber äthiopische Rosen werden verstärkt in den letzten Jahren nach Deutschland exportiert. Sie machen wahrscheinlich 40 Prozent der hier verkauften Rosen im Winter aus. Genaue Zahlen sind jedoch schwer zu bekommen, da die Herkunft vieler Pflanzen unklar ist. Afrikanische Rosen werden nach ihrer Versteigerung in den Niederlanden beim Re-Export teilweise irreführend als niederländische Produkte ausgezeichnet.

Landgrabbing ist im Großraum der Hauptstadt Addis Abeba, die in Oromia, dem Gebiet der Oromo, liegt, vom Ausbau der Schnittblumen-Produktion nicht zu trennen. Das zeigt das rasante Wachstum dieser Plantagen: 1995 gab es eine Plantage, 2015 waren es bereits 100. Alles deutet darauf hin, dass sich diese Entwicklung verstärkt fortsetzen wird. Die äthiopische Regierung unternimmt immense Anstrengungen, um weitere Investoren für Rosenplantagen zu gewinnen: Investoren erfreuen sich in Äthiopien an Steuerfreiheit, sie können Land günstig oder sogar kostenlos pachten und es gibt keine problematischen Umwelt-Diskussionen, die die Arbeit der Züchter beispielsweise in den Niederlanden immer mehr einschränken. Studien belegen, dass es für niederländische Züchter wirtschaftlich deutlich vorteilhafter ist, neue Betriebe in Äthiopien aufzubauen als in bestehende Anlagen in den Niederlanden zu investieren. So geht unter anderem auch deswegen die Zahl der Rosenzüchter in den Niederlanden seit mehreren Jahren kontinuierlich zurück (von 765 im Jahr 2000 auf 142 im Jahr 2014). Alle Beobachter gehen von einer weiteren Abwanderung niederländischer Betriebe nach Afrika aus. Niederländisches Knowhow wird bereits massiv transferiert.

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4) Wie kann man sich Landraub in Äthiopien vorstellen?

Äthiopiens Regierung bietet immer wieder internationalen Investoren Land zum Pachten an. Sie argumentiert, dass die Flächen ohnehin brach liegen würden. Doch das stimmt so nicht. Denn viele der nun für Großplantagen gerodeten Flächen werden traditionell von den kleineren Völkern als Jagdgründe sowie als Anbaufläche genutzt. Die traditionellen Landrechte dieser Völker werden von den Behörden ignoriert. Dieser staatlich geförderte Landraub zerstört in Äthiopien die Existenz zehntausender Kleinbauern und vieler indigener Völker. Bauern werden zwangsweise umgesiedelt und massiv von Sicherheitskräften eingeschüchtert. Wer Widerstand leistet oder dazu aufruft, wird verhaftet.

Fast ein Drittel der insgesamt verpachteten Landfläche wird von ausländischen Unternehmen kontrolliert. Zu den bedeutendsten ausländischen Pächtern zählen indische Unternehmen. Sie betreiben vor allem den Anbau von Baumwolle, Weizen, Ölpalmen, Kautschuk, Ölsaaten und Zuckerrohr. Auch saudi-arabische Unternehmen sind auf dem Land indigener Gemeinschaften in Äthiopien stark vertreten.

Wir wollen natürlich keine Investoren verteufeln. Aber die Investoren und die äthiopische Regierung müssen auch auf die Interessen der ländlichen Bevölkerung Rücksicht nehmen. Eine Verbesserung der Handelsbilanz alleine hilft nicht;  die langfristigen Folgen eines weitgehenden Ausverkaufes des Landes müssen auch berücksichtigt werden. Äthiopische Landwirtschaftsexperten streiten seit langem über eine angemessene und gerechte Agrarpolitik. Schade, dass dieser Streit in Äthiopien nicht öffentlich ausgetragen werden kann, weil die äthiopische Regierung die Zivilgesellschaft mit neuen Gesetzen weitestgehend mundtot gemacht hat. Gesund ist so eine Entwicklung nicht, weder für das Land, noch für seine Rechtstaatlichkeit und langfristigen Perspektiven zur Hebung des Lebensstandards, die einhergehen müssen mit der Gewährung rechtsstaatlicher Grundrechte. Für uns als Menschenrechtsorganisation ist dies das Kernthema unserer Aktivität und wir wollen in diesem Zusammenhang auch die Schattenseiten des äthiopischen Entwicklungsmodells aufzeigen, um eine öffentliche Diskussion darüber anzuregen.

Von den Großplantagen, die Investoren anlegen und deren Produkte zumeist exportiert werden, haben Äthiopiens Kleinbauern und die immer wieder hungernde Landbevölkerung nur wenig. Vor allem im Süden und Südwesten Äthiopiens führt der Landraub zu massiven Problemen kleinerer Völker, die eigene Bevölkerung zu ernähren. Statt also Hunger im Land wirksam zu bekämpfen, werden neue Abhängigkeiten geschaffen.

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5) Sollte man sich nicht erst um die aktuelle Dürrekatastrophe in Äthiopien kümmern, bevor man über Landraub spricht?

Äthiopien leidet momentan unter einer massiven Trockenheit, welche die Dürrekatastrophe Mitte der achtziger Jahre noch übersteigen könnte. Ausbleibende Regenfälle im Sommer 2015 und das sogenannte El Nino-Phänomen Ende 2015 führten dazu, dass momentan fast 18 Millionen Äthiopier vom Hunger bedroht sind. Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass dieses Jahr 1,4 Milliarden US-Dollar benötigt werden, um eine Hungerkatastrophe in Äthiopien zu vermeiden. Besonders hart trifft die Dürre die Nomaden und Hirtenvölker, denen durch das Sterben ihrer Tiere die Lebensgrundlage wegbricht.

Allerdings schürt Äthiopiens Wasserpolitik durch den Bau von riesigen Staudämmen seit Jahren Menschenrechtsverletzungen und Angst vor Krieg. Wenn die Berechnungen von Wissenschaftlern stimmen, dann könnte der Wasserspiegel des von der UNESCO als Weltnaturerbe anerkannten Turkana-Sees in Kenia schon bald deutlich fallen. Weite Bereiche drohen auszutrocknen und Fischgründe, die von den 300.000 Anliegern des Sees genutzt werden, könnten zerstört werden. Denn das Nachbarland Äthiopien baut am Omo-Fluss den Großstaudamm Gibe III. Zumindest in den ersten Jahren, wenn der 211 Quadratkilometer große Stausee gefüllt wird, wird es keinen nennenswerten Zufluss mehr für den Turkana-See geben. Das Wasser, das Jahr für Jahr in den See strömt, kommt zu 85 Prozent aus dem Omo-Fluss.

Das Megaprojekt wird nicht nur am Turkana-See Leben zerstören, sondern bedroht auch 500.000 Anlieger des Omo-Flusses in Äthiopien. Unter ihnen sind viele Ureinwohner: Mursi, Kara, Odi und andere indigene Völker. Sie müssen ihr Land in der Nähe des Flusses aufgeben, weil dort ein 151 Kilometer langer Stausee entstehen soll. Auch sollen ausländischen Investoren nach dem Willen der äthiopischen Behörden riesige Flächen in der Umgebung des Stausees für große Landwirtschaftsprojekte zur Verfügung gestellt werden.

Hier wird gezielt Land geraubt, um Investoren aus Indien und Saudi-Arabien attraktive bewässerte Flächen zur langfristigen Pacht anzubieten. Für die meist kleineren, bislang in der Region lebenden indigenen Völker bedeutet dies das Aus, denn ihr Überleben hängt vom Fluss ab. (Mehr dazu hier.) Diese indigenen Völker wollen ihr traditionelles Land nicht verlassen. Doch Äthiopiens Behörden dulden keinen Widerspruch, da der Staudamm als Vorzeigeprojekt gilt und um jeden Preis gebaut werden soll.

Äthiopien steht vor einer Mammut-Aufgabe, seine stetig wachsende Bevölkerung langfristig angemessen zu ernähren. Wir sind allerdings nicht davon überzeugt, dass das entwickelte Konzept zur Modernisierung der Landwirtschaft, das die betroffene ländliche Bevölkerung ignoriert, und die Wasserpolitik des Landes ausreichende Antworten geben.

Angesichts sinkender Grundwasser-Werte und einer Zunahme des El Nino-Phänomens und damit einhergehender nachlassender Niederschläge müssen mittel- oder langfristig andere Wege gefunden werden. Der hohe Wasserbedarf der Plantagen und die Auswirkungen für andere Landnutzer sowie für das gesamte Land müssen offen angesprochen werden, um nicht neue Engpässe bei der Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung zu verursachen. Es ist skandalös, dass Äthiopien um internationale Nahrungsmittelhilfe bittet und zugleich Bauern immer mehr Land raubt, um Platz für die Exportproduktion ausländischer Investoren zu schaffen. Vor allem, wenn diese ausländischen Investoren den in Äthiopien angebauten Weizen nach Indien verschiffen und dort den Vereinten Nationen zum Kauf anbieten, um die Bevölkerung Äthiopiens zu ernähren.

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6) Was haben die aktuellen Proteste der Oromo gegen die äthiopische Regierung mit den Rosen zu tun?

Die Oromo protestieren seit November 2015 gegen Landreformen der Regierung, was die Regierung mit blutiger Niederschlagung der Proteste beantwortet hat. Sie werden von der herrschenden Elite strukturell diskriminiert und marginalisiert, nicht nur dadurch, dass sie immer wieder von Vertreibungen bedroht sind, sondern auch, indem sie gesellschaftlich unterdrückt werden. Kulturelles oder politisches Engagement der Oromo wird oft als Indiz für die Unterstützung rebellischer Gruppierungen gewertet, und Aktivisten dadurch unter Druck gesetzt und verfolgt. Neben diesen systematischen Verdächtigungen und Drohungen kommt es häufig zu willkürlichen Verhaftungen, Folter und Misshandlung im Gefängnis und sogar  zu außergerichtlichen Hinrichtungen.

Konkreter Anlass der aktuellen Proteste war – nicht zum ersten Mal – der sogenannte „Master Plan“ der Regierung, der die Hauptstadt in die umliegenden Gebiete der Oromo ausweiten sollte, weshalb die Oromo eine weitere Welle der Vertreibungen befürchten. Im 50 Kilometer Großraum um die Hauptstadt Addis Abeba spielt wegen der Nähe zur Transport-Infrastruktur (Flughafen) der Rosenanbau eine sehr viel größere Rolle in der Diskussion um die Landfrage als in anderen abgelegenen Regionen. Besonders die Rosenfarmen sind auf die Nähe des Flughafens angewiesen, um ihre Produkte möglichst schnell auf den globalen Markt bringen zu können, da Schnittblumen eine nur relativ kurze Lebensdauer haben. Das sehen auch die von der Gebietsreform betroffenen Oromo so. So wurden in den letzten zwei Monaten im Rahmen der Proteste gegen den „Master Plan“ bereits drei Brandanschläge auf Rosenfarmen verübt. Wegen der starken Bewässerung der Plantagen verursachten diese gewalttätigen Proteste keine größeren Schäden. Natürlich können wir diese Gewalt nicht gutheißen, aber es ist ein klarer Indikator dafür, dass es durchaus eine Verbindung zwischen den jüngsten Protesten und dem Rosenanbau gibt. Auch kamen nach dem Ausbruch der Unruhen im Spätherbst die Rosenzüchter in den Niederlanden zu einem Treffen zusammen, um über eventuelle Folgen der Proteste für ihre Produktion zu beraten. Einige Züchter erklärten sich besorgt und kündigten an, dass sie geplante Investitionen aussetzen würden, um die weitere Entwicklung abzuwarten.

Die Regierung hat vor wenigen Wochen, im Angesicht der eskalierenden Proteste und steigenden Todeszahlen, die Landreformen des „Master Plans“ zwar offiziell zurückgenommen. Die Berichterstattung der äthiopischen Medien ist seitdem marginal, aber die Proteste gehen dennoch weiter. Nicht nur die Gebietsreformen, sondern auch die strukturelle Diskriminierung und die massiven Gewaltanwendungen der vergangenen Monate sind jetzt maßgeblich für die Protestierenden.

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7) Profitiert die lokale Bevölkerung nicht von Investitionen in Äthiopien wie dem Rosenanbau?

Diese Frage ist nicht ganz einfach zu beantworten. Bis heute ist es eine politische Streitfrage, wie man Nutzen oder Nachteile des Rosenanbaus in Äthiopien bewertet. Menschenrechtler, Entwicklungsexperten und Ökonomen haben hier sehr unterschiedliche Ansätze und Argumentationen. Während die Einen Äthiopien als interessantes und vielversprechendes Entwicklungsmodell ansehen, dass der Bevölkerung ein besseres Auskommen garantieren könnte, hinterfragen andere Entwicklungsexperten die Partizipation der lokalen Bevölkerung. Nur an Löhnen und am Aufbau von Sozialeinrichtungen kann man den Nutzen nicht festmachen. Die Proteste gegen die Rosenplantagen momentan zeigen, dass es offensichtlich ein Problem mit der Partizipation gibt. Das muss geklärt werden, um noch mehr Gewalt zu verhindern.

Sicherlich ist der Rosenanbau für die Exportzahlen Äthiopiens ein Plus, weil so die Handelsbilanz ausgeglichen werden kann. Doch der Preis, der dafür gezahlt wird, ist hoch. Volkswirtschaftlich sind die Bedingungen, zu denen Äthiopien Investoren für den Ausbau des Rosenanbaus einlädt, desaströs: Gratisvergabe (oder gegen minimale Pacht) von Land, fünf Jahre Steuerfreiheit, günstige staatlich geförderte Bankkredite, zollfreier Import von Maschinen, zollfreier Export der Schnittblumen, staatliche Subventionen für Luftfracht-Tarife von Schnittblumen, Gesetzesänderungen zur Vereinfachung des Exports von Blumen unterschiedlicher Plantagen. Damit soll eine moderne Industrie aufgebaut werden. Doch stellt sich die Frage, ob sich diese für den äthiopischen Staat extrem ungünstigen Bedingungen irgendwann zu seinen Gunsten ändern lassen.

Das Beispiel der Großplantagen in Äthiopien im Futtermittelbereich ist auf jeden Fall nicht sehr ermutigend. Diese ersten großen ausländischen Landwirtschaftsprojekte sind gescheitert. Die äthiopische Regierung hatte 30.000 Angehörige des indigenen Volkes der Anuak in der Region Gambella (im Südwesten Äthiopiens an der Grenze zum Südsudan) zwangsumgesiedelt, um indische und saudi-arabische Agrar-Investoren riesige Anbauflächen zu verschaffen. Doch weil die Besonderheiten der Ökologie und das Wissen der Kleinbauern nicht beachtet wurden, wurde die von der Regierung versprochene Modernisierung der Landwirtschaft zum Desaster. Bis heute nutzen die ausländischen Investoren nur einen kleinen Teil des gepachteten Landes, der Rest der Fläche liegt brach. Einer der Hauptinvestoren, das indische Unternehmen Karuturi, wurde noch vor wenigen Jahren von der äthiopischen Regierung für seine Verdienste um die Modernisierung der Landwirtschaft ausgezeichnet, nun ist der Konzern in Ungnade gefallen und wurde mit juristischen Sanktionen belegt, weil er viele der vom Staat übertragenen Landflächen gar nicht bewirtschaftet.

Als Menschenrechtler schauen wir natürlich zunächst auf die Menschenrechtslage, die sich durch die jüngsten Einschränkungen der Arbeit von äthiopischen NGOs nicht gerade verbessert hat. Natürlich umfassen die Forderungen und Kritikpunkte der Oromo weit mehr als die Landfrage. Aber wir stellen mit großer Sorge fest, dass Proteste und Gewalt weiter anhalten. Wir möchten mit unserer Arbeit einen Beitrag dazu leisten, dass die Landfrage stärker als Problem wahrgenommen wird, auch von europäischen Zertifizierungs-Einrichtungen.

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8) Welche Probleme ergeben sich für Zertifizierungsstellen von Rosen durch den Landraub und die Situation in Äthiopien?

Das Thema der Zertifizierung von Rosen aus Äthiopien ist leider sehr viel komplexer als es im ersten Moment scheint. Wir haben den Dialog mit Zertifizierern des „fairen Handels“ in Deutschland und den Niederlanden aufgenommen, um eine breitere Diskussion über das Für und Wider des Rosenanbaues in Äthiopien anzuregen. Der Zertifizierer TransFair hat uns zugesichert, ihre zehn Farmen in Äthiopien erneut einer Überprüfung hinsichtlich der Land- und Menschenrechte zu unterziehen, wobei wir Grenzen dieser Überprüfbarkeit sehen und angesprochen haben.

So fordert TransFair für die Vergabe des Siegels etwa von den Farmen, dass sie das „legale Recht zur Nutzung des Landes“ besitzen. Doch in einem Land wie Äthiopien müssen solche Kriterien und Maßstäbe mit viel Skepsis betrachtet werden, denn in Äthiopien gibt es keine Rechtsstaatlichkeit. Wenn ein Kleinbauer, der von seinem Land vertrieben wurde, auf die Idee käme, damit zur lokalen Polizei zu gehen, würde er erst einmal festgenommen und im schlimmsten Fall sogar gefoltert werden. Für die herrschende Elite wäre ein Oromo-Bauer, der sich gegen die Landreformen zur Entwicklung des Landes und der Wirtschaft stellt, gewissermaßen ein "Staatsfeind", weil der Ausbau der Rosen-Industrie als bedeutsam im nationalen Interesse gilt. Darüber hinaus gehört inzwischen per Verfassung alles Land dem äthiopischen Staat – ein Überbleibsel aus dem vorhergegangenen kommunistischen Regime. Die ansässige Bevölkerung besitzt, so gesehen, keine legalen Landrechte, „nur“ ein legitimes traditionelles Recht zur Nutzung des Landes. Hier stoßen zwei Rechtsauffassungen aufeinander, die kaum miteinander auszusöhnen sind. Die traditionellen Landrechte der Oromo beispielsweise werden von den Gesetzen nicht anerkannt. Insofern greifen die Anforderungen des Siegels hier nicht, sondern gehen von dem Idealfall eines Rechtsstaates aus, in dem Eigentum effektiv geschützt ist, der Äthiopien aber nicht ist.

Wir werden diesen Dialog mit Zertifizierungs-Unternehmen weiterführen und vertiefen. TransFair hat uns angeboten, dass wir ihnen weitere Anregungen zu einer Optimierung des Prüfungsverfahrens unterbreiten. Wir werden dieses Angebot sicherlich aufgreifen.

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