Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Andre Penner

Entsetzt mussten die Guarani Kaiowá im Dorf Guyraroká an einem Montagmorgen im Mai 2019 mitansehen, wie sich eine weiße Wolke auf ihre Kinder legte. Als das Gift sie überraschte, frühstückten die Schulkinder gerade draußen. In Sicherheit bringen konnte sich niemand mehr. Das ganze Dorf wurde eingenebelt. Dann wurden Kinder und Erwachsene krank. Ihnen wurde übel, sie bekamen Durchfall und Kopfschmerzen.

Wie Guyraroká im Bundesstaat Mato Grosso do Sul sind in Brasilien viele indigene Siedlungen von Soja-, Maisoder Zuckerrohrplantagen umschlossen. Pestizide werden von Flugzeugen aus versprüht und oft treffen sie eben auch Dörfer. Viele Gifte sind so gefährlich, dass sie bei uns nicht zugelassen sind. Doch hergestellt werden sie vor allem von einem deutschen Konzern: der Bayer AG.

Brasiliens Agrarindustrie exportiert Soja oder Rindfleisch auch nach Deutschland. Während wir profitieren, sind Indigene und Kleinbauern Leidtragende. Ihre Gesundheit, ihre Tiere, ihr Wasser, ihre Wälder und Gärten werden vergiftet. Das muss aufhören! Die Bayer AG muss die Produktion so gefährlicher Gifte auch für Märkte im Ausland einstellen.

Gesetzlich muss bei Sprühungen ein Mindestabstand von 500 Metern zu menschlichen Siedlungen eingehalten werden, doch die Agrarkonzerne verstoßen regelmäßig dagegen und vergiften so indigene Gemeinschaften. Foto: Pixabay CC0

 

Auf riesigen Agrarflächen werden in Brasilien massenhaft Gifte gegen Insekten, unerwünschte Pflanzen oder Pilze eingesetzt, auch wenn indigene Gemeinschaften in unmittelbarer Nähe der Anbaugebiete leben. Ohne Rücksicht auf die Menschen werden die Pestizide aus der Luft versprüht. Die Flugzeuge tragen den Giftcocktail buchstäblich bis vor ihre Tür. Und der deutsche Chemie-Konzern Bayer AG verdient mit! Viele der in Brasilien eingesetzten Pestizide sind in der EU verboten – und das aus gutem Grund! Ihre Wirkstoffe können ernsthafte Vergiftungen hervorrufen oder gar bis zum Tod führen.

Sojaanbau weitet sich nach Norden aus

Ein Großteil von Brasiliens Soja wird im Bundesstaat Mato Grosso produziert. Doch seit dem Bau der Bundesstraße BR-163, die mitten durch den Amazonas verläuft, weitet sich der Sojaanbau immer nach Norden bis weiter in den Bundesstaat Pará aus. Leidtragende sind auch hier die Indigenen wie beispielsweise die Bewohnerinnen und Bewohner von Açaizal. Die Sojaplantagen sindvon diesem Dorf der Munduruku nur zehn Meter entfernt. „Wenn es zu regnen beginnt, fangen sie an, Gift auszubringen. Sie wollen das Unkraut töten. Jede Woche tragen sie Gift auf die Sojapflanzen“, berichtet der 57-jährige Munduruku Paulo Bezerra. Die Folge: Die Munduruku leiden unter Übelkeit, Hautausschlag, Kurzatmigkeit und Schwindelgefühl. „Jeden Tag sterben wir Stück für Stück in unserem Dorf“, fährt er fort. Die Gifte seien bereits in den Flüssen und im Grundwasser und auch die Anbauflächen der Indigenen würden verseucht, sagt der Anführer des Dorfes, Josenildo Munduruku. „Unsere Angehörigen werden jeden Tag kränker, unsere Tiere und die Wildtiere im Wald verschwinden durch den Einsatz von Pestiziden. Sie können uns mit dem Gift töten“, befürchtet er.

Die Munduruku haben Anzeige gegen die Verantwortlichen erstattet, aber die lokalen Behörden reagierten nicht auf ihre Beschwerde. Die Indigenen spüren jetzt, dass staatliche Stellen unter Präsident Jair Bolsonaro Verstöße gegen Vorschriften weniger ahnden als zuvor. „Hier begünstigt die Regierung die Familie des Plantagenbesitzers und nicht unsere mehr als 60 Familien vom Volk Munduruku“, klagt Josenildo Munduruku.

Viele Guarani sind Pestiziden, die auf den Nachbarfeldern versprüht werden, direkt ausgesetzt. Foto: Romerito Pontes (Flickr CC BY 2.0)

Verseuchtes Wasser macht krank

Untersuchungen zeigen, dass Trinkwasser in Brasilien bereits ernsthaft belastet ist – nicht nur auf dem Land, sondern auch in vielen Großstädten. Offizielle Daten, ausgewertet von Repórter Brasil, ergaben, dass sich in São Paulo, Rio de Janeiro und über 1.300 anderen Städten und Gemeinden giftige Rückstände im Wasser des Versorgungsnetzes befinden. Auf dem Land ist in Gebieten mit Sojaanbau das Wasser höher belastet und immer mehr Menschen werden chronisch krank.

Durch die Pestizidbelastung haben viele indigene Gemeinschaften keinen Zugang mehr zu sauberem Trinkwasser. Sie nutzen seit alters her natürliche Gewässer und das ist jetzt kontaminiert. Die gesundheitlichen Folgen sind für viele verheerend. Sie erkranken an Durchfall, Ausschlag, haben Magenbeschwerden und Erkältungen oder tragen sogar schlimme Langzeitschäden davon wie Krebs und Unfruchtbarkeit. Es kommen auch schon Babys mit Missbildungen zur Welt.

Bayer AG muss Verantwortung übernehmen

Die Bayer AG in Leverkusen hat den US-amerikanischen Saatguthersteller Monsanto übernommen und ist damit groß ins Pestizidgeschäft eingestiegen. Gerade in Brasilien gibt es für hochschädliche Pflanzenschutzmittel einen boomenden Absatzmarkt. Dort stieg der Pestizidverbrauch in den vergangenen 15 Jahren um das Dreifache. Im Agrarbereich tätige Chemiekonzerne, wie Bayer, verschleiern die Risiken ihrer Produkte gern und weisen ihre Mitverantwortung für Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen weit von sich. Dabei präsentieren sie ihre selbst in Auftrag gegebenen wissenschaftlichen Studien, die den Zusammenhang zwischen schweren Erkrankungen und Pestiziden infrage stellen. Doch Berichte von Betroffenen und zahlreiche Studien von Nichtregierungs- und Umweltorganisationen sowie von UN-Institutionen wie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) widersprechen dieser Darstellung.

Die indigenen Gemeinschaften Brasiliens leiden unter dem ungehemmten Einsatz hochschädlicher Pestizide ganz besonders jetzt unter der Regierung Bolsonaro. Denn ihre berechtigten Forderungen nach Anerkennung und Schutz ihres traditionellen Landes werden größtenteils ignoriert, Unterstützer in Brasilien werden ausgehebelt, viele Indigene in noch größeres Elend getrieben. Da im Fall von Bayer ein deutscher Konzern großen Anteil am Leid indigener Gemeinschaften in Brasilien hat, wollen wir sie unbedingt dabei unterstützen, ihre Gesundheit und ihr Leben zu schützen.

Wir sind davon überzeugt, dass Verantwortung schon beim Export anfängt: Auch wenn Gesetze im Ausland die Anwendung gefährlicher Gifte nicht verbieten, muss Bayer den Handel mit diesen schädlichen Pestiziden einstellen. Die Bayer AG darf nicht nur an die Maximierung des eigenen Gewinns denken, sondern muss auch vor allem ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht nachkommen.

Anlässlich des Internationalen Tages der indigenen Völker protestierten wir am 7. August 2020 vor dem Bundeskanzleramt und forderten die Bundesregierung auf, keine Deals mit Jair Bolsonaro einzugehen. Der brasilianische Präsident hat sich bei jeder Gelegenheit gegen Umweltschutzregeln und indigene Interessen gestellt. Foto: H. Schedler/GfbV

Das tut die GfbV

  • Wir haben in einer schriftlichen Stellungnahme den UN-Menschenrechtsrat auf die besonders schwierige Situation Indigener durch Pestizidexporte hingewiesen. Sobald es die aktuelle Corona-Lage zulässt, werden wir unseren Status bei den Vereinten Nationen nutzen und indigenen Delegierten die Möglichkeit verschaffen, mitmündlichen Stellungnahmen vor dem Menschenrechtsrat von den Auswirkungen von Pestiziden persönlich zu berichten.
  • Basierend auf einer intensiven Presse- und Öffentlichkeitsarbeit platzierten wir das Thema in Social Media, Online- und Printmedien und Corona-bedingten Online-Veranstaltungen. So tragen wir die Fakten weiterhin in die breite Öffentlichkeit.
  • Wir stehen in engem Austausch mit der brasilianischen indigenen Dachorganisation APIB, betroffenen indigenen Gemeinschaften und mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen. Gemeinsam haben wir zur Aktionärsversammlung von Bayer an den Vorstand kritische Fragen zu Bayers Doppelstandards gestellt. Gemäß der eigenen Geschäftsordnung musste sich der Vorstand der Kritik stellen.
  • Jetzt bereiten wir einen Dialog zwischen dem Konzern und indigenen Betroffenen vor. Wir werden versuchen sicherzustellen, dass aufrichtig miteinander gesprochen wird und die Indigenen ernstgenommen werden.
  • Wir werden unsere Öffentlichkeitsarbeit fortführen, die Bayer AG immer wieder mit aktuellen Fakten konfrontieren und ihren eigenen Aussagen Stimmen Betroffener entgegensetzen. Nur so können wir konkret etwas erreichen.

Aktion

Bitte unterstützen Sie unseren Appell an die Bayer AG, bestellen Sie unsere Aktions-Postkarte kostenlos in unserem Online-Shop und schicken Sie die Postkarte unterschrieben an uns zurück. Das Unternehmen soll den Export hochschädlicher Pestizide, die in der EU aufgrund ihrer Risiken verboten sind, nach Brasilien und weltweit einstellen. Das Geschäft der Doppelstandards darf nicht weitergeführt werden.

 

Bitte unterstützen Sie unsere Menschenrechtsarbeit mit Ihrer Spende!

Senden Sie unser Infoblatt "Gefahr für Indigene durch Pestizide: Wir müssen handeln!" und die Aktions-Postkarte mit dem Appell an die Bayer AG an Freund*innen und Bekannte und machen Sie aufmerksam auf die Gefahr, die von den Pestiziden ausgeht.
Sie können das gedruckte Faltblatt und die Postkarte auch kostenlos in unserem Online-Shop (Kategorie: Aktionsmaterial) bestellen: Zum Shop

Bitte unterstützen Sie unsere wichtige Menschenrechtsarbeit mit Ihrer Spende!

Herzlichen Dank für Ihr Engagement und Ihre Hilfe!


Diese Kampagne wurde im Juli 2021 lanciert.