"Ich flehe euch an, die Menschlichkeit nicht zu vergessen. Was muss passieren, damit ihr etwas tut?“ So eindringlich appellierte Nadia Murad vor den Vereinten Nationen an die internationale Gemeinschaft, die 2014 von IS-Terroristen verschleppten Yezidinnen aus dem nordirakischen Sindschar-Gebiet endlich zu befreien. Rund 3.000 von ihnen sind noch immer in der Gewalt der Islamisten. Sie werden vergewaltigt, gequält und gedemütigt.

Nadia Murad war erst 21, als ihr Dorf Kocho überfallen wurde. Ihre Mutter, sechs ihrer Brüder und Dutzende Verwandte wurden ermordet, sie selbst verschleppt. Ihr Martyrium als Sexsklavin dauerte Monate. Darüber spricht die junge zarte Frau schonungslos und offen. So versucht sie, aufzurütteln und die beschämende Gleichgültigkeit der Welt zu bezwingen.

Nadia Murad kam nach Deutschland, weil Baden-Württemberg 1.000 Yezidinnen aufgenommen hat. Initiiert wurde dieses Schutzprogramm von zwei yezidischen Medizinern, die in Deutschland leben. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat sie dabei unterstützt. Auch die Regierungen aller anderen Bundesländer haben wir in vielen Briefen, Telefonaten und Gesprächen dazu aufgefordert, Schutzbedürftige aufzunehmen. Wie Friedensnobelpreisträgerin Nadia Murad kämpfen wir dafür, dass die Yezidinnen, die noch in der Gewalt des IS sind, endlich befreit werden.

Sexualisierte Gewalt ist eine Waffe in Kriegen und Konflikten, die zuerst Frauen und Mädchen, aber auch die gesamte Zivilbevölkerung furchtbar trifft. Nur allzu oft wird dieses Verbrechen gegen die Menschlichkeit tabuisiert, wenn Frauen von Minderheiten betroffen sind. Wir engagieren uns seit 50 Jahren dafür, dass die Opfer mit ihrem Leid nicht allein gelassen und die Täter bestraft werden.

Nigeria: Zivilisten vor Boko Haram schützen!

Ein Jahr lang waren dieses Mädchen, seine Mutter und Geschwister in der Gewalt von Boko Haram. Foto: UNHCR/Alexis Huguet

Ruth quält die bohrende Frage, was aus den anderen Mädchen geworden ist. Sie gehört zu den 276 Internatsschülerinnen aus Chibok im Nordosten Nigerias, die im April 2014 gekidnappt wurden. Drei Jahre lang war die heute 20 Jahre alte Christin in der Gewalt der islamistischen Terrorbewegung Boko Haram. Sie musste mitansehen, wie ihre Mitschülerinnen zwangsverheiratet wurden oder Terroranschläge mit vorbereiten mussten.

Wie andere „Chibok Girls“ wurde Ruth 2017 freigelassen. Sie ist in Sicherheit, aber nicht frei. Zu ihrem eigenen Schutz wird sie von der Außenwelt abgeschottet. Mit ihrer Familie darf sie nur noch telefonieren. Von 112 ihrer Mitschülerinnen fehlt jede Spur. Die weltweite Unterstützungsbewegung „Bring back our girls“ mahnt Nigerias Machthaber, alles zu tun, um ihre Freilassung zu erreichen. Auch wir erinnern immer wieder an ihr Schicksal. Boko Haram hält noch Hunderte andere Christinnen fest. „Euer Staat kann euch vor uns nicht schützen“, lautet die zynische Botschaft der Islamisten. Aus Angst vor Überfällen wurden viele Schulen in Nigeria geschlossen. Doch sie müssen besser gesichert werden, denn auch die Mädchen in Nigeria haben ein Recht auf Bildung. Dafür setzen wir uns ein.

Vergewaltigungen im Bosnienkrieg sühnen!

In einer Nähstube können sich traumatisierte Bosnierinnen treffen und untereinander austauschen. Foto: GfbV

Auch im Bosnienkrieg wurde Vergewaltigung systematisch als Kriegswaffe eingesetzt: Dort wurden 1992 bis 1995 rund 20.000 Frauen Opfer dieses Verbrechens serbischer Truppen - auch ganz junge Mädchen und sehr alte Frauen. Schon damals hat die GfbV die Aussagen Betroffener dokumentiert, Presse und Öffentlichkeit über die unfassbaren Verbrechen informiert. Einige Frauen sagten vor dem Kriegsverbrechertribunal aus. Doch nur wenige Täter wurden bestraft. Meist leben sie unbehelligt im serbisch verwalteten Teil des Landes, der Republika Srpska. Viele überlebende Frauen hingegen fristen ein Dasein am Rand der Gesellschaft, sind arbeitslos, sehr arm und bis heute traumatisiert.

Unsere bosnische GfbV-Sektion konnte helfen, 50.000 Unterschriften zu sammeln für die Anerkennung der Frauen als Zivilopfer des Krieges. Deshalb bekommen sie eine kleine Rente. Aber sie müssen nachweisen können, was ihnen angetan wurde. Dokumente gibt es darüber jedoch kaum. In der Republika Srpska gilt nicht einmal diese Regelung. Sie auch dort durchzusetzen ist eines unserer Ziele. Die traumatisierten Bosnierinnen brauchen Verständnis und Unterstützung für die Anerkennung ihrer Leiden und Rechte. Wir arbeiten dafür, dass sie die Bestrafung ihrer Peiniger noch erleben.

Gedemütigte Rohingya-Frauen brauchen Hilfe

Tausende Rohingya-Frauen, die sich aus Burma nach Bangladesch retten konnten, sind verzweifelt. Viele verstecken sich den ganzen Tag in ihrer Hütte. Sie fürchten Anfeindungen wegen ihrer ungewollten Schwangerschaft. Manche werden auch noch von Verwandten unter Druck gesetzt: Sie seien eine Schande für die ganze Familie. Außerdem bedrängen Menschenhändler sie, sich zu prostituieren oder als Arbeitssklavinnen zu verdingen.

Systematisch haben Burmas Soldaten Rohingya-Dörfer überfallen und Frauen vergewaltigt. Das sollte dazu beitragen, die muslimische Minderheit aus dem Land zu jagen. Mehr als 750.000 Rohingya ergriffen die Flucht. Die Vereinten Nationen (UN) werfen Burmas Militär Massenvergewaltigungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Wir haben das Leid der Rohingya-Frauen bekannt gemacht: Die Rohingya-Ärztin Anita Schug hat UN-Gremien in unserem Namen darüber mehrfach informiert. Gemeinsam mit ihrer Schwester Ambia Parveen, die in Deutschland lebt, engagieren wir uns dafür, dass die Verbrechen bestraft werden. Wir haben erreicht, dass die UN eine Kommission einsetzten. Sie soll Strafverfahren gegen die Drahtzieher vorbereiten. Wir engagieren uns für einen besseren Schutz der Frauen in den Flüchtlingslagern und für mehr humanitäre Hilfe. Es gibt bereits Pläne, die Rohingya wieder nach Burma abzuschieben. Das müssen wir verhindern!

Foto: UNHCR/Roger Arnold

Doppelt diskriminiert: Indigene Frauen in Nordamerika

Indigene Frauen in Kanada und den USA leiden unter Rassismus und Gewalt. Sie werden doppelt diskriminiert: als Frauen und als Angehörige einer Minderheit. Tausende von ihnen gelten als vermisst. 4.000 Fälle wurden allein in den vergangenen 30 Jahren in Kanada nicht aufgeklärt, wird geschätzt. Die indigenen Frauen wurden höchstwahrscheinlich ermordet. Da ihr Schicksal die Behörden nur wenig interessiert, wiegen sich Gewaltverbrecher in Sicherheit. Betroffene Familien klagen, die Polizei hätte ihre Vermisstenanzeigen nicht ernst genommen und in den entscheidenden ersten Stunden nicht ermittelt.

Viele Indigene Nordamerikas sind sehr misstrauisch gegenüber Behörden. Oft haben sie als Kinder das Internatsschulsystem durchlitten. Sie sollten zwangsassimiliert werden. Traumatisiert haben sich viele zurückgezogen, zu Alkohol oder Drogen gegriffen. Doch es gibt auch starke Frauen wie die Shushwap Evelyn Camille aus British Columbia. Sie kann inzwischen über die schreckliche Zeit im Internat sprechen. Für die junge Generation ist sie ein wichtiges Vorbild. 2017 besuchte sie uns in Göttingen. Wir unterstützen Frauen wie sie, machen ihre Berichte öffentlich. Sie tragen entscheidend dazu bei, dass ihre Landsleute ihre Rechte wirksam einfordern können.
 

Freiheit und Frieden für Yeziden - Die GfbV in Aktion. Foto: GfbV

Verbrechen gegen die Menschlichkeit dürfen nicht straflos bleiben

Mit der Rohingya-Ärztin Anita Schug (Foto) und ihrer Schwester Ambia Parveen, die in Deutschland lebt, engagieren wir uns dafür, dass die Verbrechen gegen die Rohingya bestraft werden. Foto: Hanno Schedler, GfbV

Vor zehn Jahren hat der Weltsicherheitsrat in einer Resolution erklärt, dass Vergewaltigungen im Krieg Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen sind. Das war ein großer Etappensieg, für den wir lange gekämpft haben. Seither informiert der UN-Generalsekretär jedes Jahr in einem ausführlichen Bericht über die Herausforderungen im Kampf gegen sexualisierte Gewalt in Konflikten. Doch oft bleiben diese Verbrechen noch ungesühnt. Wir werden uns weiter dafür einsetzen, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden, damit neue Verbrechen wirksam verhindert werden können.

Wir arbeiten weltweit mit Frauen zusammen, die sexualisierte Gewalt dokumentieren und anprangern. Manche von ihnen wurden selbst zum Opfer, ließen sich jedoch nicht zerbrechen. Wir werden diese engagierten Frauen weiterhin stärken, selbstbewusst für ihre Rechte einzutreten. Sie sind die überzeugendsten Stimmen, um diesen Schrecken endlich zu beenden.

Die Opfer sexualisierter Gewalt brauchen mehr psychologische und soziale Hilfe. Trauma-Bewältigung ist sehr wichtig für sie, um wieder ins Leben zu finden. Scham und Ausgrenzung stürzen viele Frauen in soziale Probleme. Wir setzen uns dafür ein, dass Hilfe für die Opfer nicht im Gerichtssaal endet.


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(BIC) BFSWDE33HAN

Herzlichen Dank!


Diese Kampagne wurde im Dezember 2018 lanciert.