Die politische Lage in der Türkei spitzt sich immer weiter zu. Laut eines aktuellen Berichts der Vereinen Nationen soll die türkische Regierung unter dem Deckmantel der „Terrorbekämpfung“ seit dem Putschversuch im Juli 2015 systematisch gegen Oppositionelle, insbesondere gegen Kurden, vorgegangen sein. Der Bericht gibt an, dass mindestens 350.000 Menschen aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Zudem haben die Sicherheitskräfte 321 Zivilisten, darunter 79 Kinder und 71 Frauen, getötet und mehrere Häuser zerstört.

Seit dem Putschversuch wurde die Immunität von 50 Abgeordneten der pro-kurdischen Partei HDP (Demokratische Partei der Völker) aufgehoben, ca. 15.000 Mitglieder, leitende Angestellte, Bürgermeister und Stadträte verhaftet. 7.000 von ihnen sind immer noch inhaftiert. Im mehrheitlich von Kurden bewohnten Südosten des Landes ist die Situation besonders schlimm. Dort sind viele politisch aktive Menschen in Haft, unter ihnen Bürgermeister, Gemeinderatsmitglieder oder Angehörige der prokurdischen Partei HDP.

Mehr als 120.000 Beamte, Staatsanwälte und Richter wurden entlassen. Darunter Akademiker, die den sogenannten „Friedensausruf“ gegen die „Vernichtungspolitik“ der AKP-Regierung vergangenes Jahr unterzeichnet hatten. Auch wurde ihnen die Ausreise ins Ausland verboten, während Akademiker, die sich im Ausland aufhielten, zurückgerufen wurden.

Der Druck auf die demokratischen Kräfte in der Türkei steigt. Deswegen ist es so wichtig, diese mutigen Menschen auch hier in Deutschland zu unterstützen und ihnen unsere Solidarität zu zeigen.

Vergangenes Jahr haben mehr als 60 Bundestagsabgeordnete  unter dem Programm des Deutschen Bundestages „Parlamentarier schützen Parlamentarier“ fraktionsübergreifend Patenschaften für bis zu 37 Abgeordnete der HDP übernommen. Dies ist ein wichtiges Zeichen. Niemals zuvor war eine derart große Gruppe von Parlamentariern auf einmal in das Programm aufgenommen worden.

Aber auch wir, die Zivilbevölkerung, sollten mehr Solidarität zeigen. Hier ist unser Vorschlag:

Gründen Sie mit Bekannten und Gleichgesinnten einen „Freundeskreis“ in Ihrer Stadt. Dann suchen Sie sich eine Stadt oder Gemeinde in den kurdischen Regionen in der Türkei heraus und verfolgen detailliert die Prozesse der inhaftierten Politikerinnen und Politiker vor Gericht und/ oder die Menschenrechtsverletzungen in dieser Ortschaft.

Versuchen Sie, den Bürgermeister Ihres Ortes dafür zu gewinnen, den Menschen in der Türkei gemeinsam mit Ihnen zur Seite zu stehen. Zur Prozessbeobachtung könnte ein Mitglied Ihres Freundeskreises persönlich in die Türkei reisen. Prozesse sind dort genauso öffentlich wie bei uns. Oder Sie lassen sich von Menschen aus der Partnergemeinde direkt informieren, denn für die Prozesse in die Türkei zu fahren ist natürlich sehr aufwändig.

GfbV-Nahostreferent Kamal Sido erklärt in diesem Video, wie es zu der Idee kam und wie wir uns gemeinsam mit der SPD-Politikerin Heidi Merk und dem ehemaligen Oberbürgermeister von Hannover, Herbert Schmalstieg, für mehr Solidarität mit den politischen Gefangenen in der Türkei einsetzen wollen.

Sollte es schon Freundeskreise in Ihrer Umgebung geben, umso besser. Sie können sich einfach anschließen. Je mehr Stimmen wir sind, desto mehr Hoffnung besteht für eine Freilassung der politischen Inhaftierten. Nur so kann es in der Türkei wieder ein Schritt in Richtung Demokratie und mehr Menschenrechte geben.

Wir von der Gesellschaft für bedrohte Völker werden Sie dabei gerne unterstützen und mit Ihnen gemeinsam besprechen, wie so ein Freundeskreis entstehen kann. Wir haben sowohl in Deutschland als auch in der Türkei ein großes Netzwerk von Freunden und Unterstützern.

Machen Sie mit und helfen Sie den Menschen in der Türkei wie Selahattin Demirtas, Sharo Garip, Gültan Kisanak, Mesale Tolu und tausenden weiteren zu Unrecht Inhaftierten.

Selahattin Demirtas hat sich in seiner gesamten Laufbahn nie davor gescheut, Kritik an der islamistischen Politik Erdogans zu äußern. Im Mai 2016 wurde auf Bestreben des türkischen Präsidenten die Immunität von Demirtas aufgehoben, im November folgte seine Festnahme. Ihm drohen 142 Jahre Haft wegen „Herabwürdigung der türkischen Nation“.

Erfahren Sie mehr über das Schicksal von Selahattin Demirtas.

Das schwere Los von Gültan Kisanak spiegelt das Schicksal tausender politisch aktiver Frauen in der Türkei wieder. Die kurdische Politikerin gehört der alevitischen Minderheit an und war bis zu ihrer Verhaftung im September 2016 Oberbürgermeisterin von Diyarbakir, einer mehrheitlich von Kurden bewohnten Großstadt im Südosten der Türkei.

Erfahren Sie mehr über das Schicksal von Gültan Kisanak.

Auch dem aus Köln stammenden kurdischen Akademiker Sharo Garip wird das Leben schwergemacht. Als Dozent an einer türkischen Universität hat er eine Petition für den Frieden unterzeichnet und darf seitdem nicht mehr ausreisen. Er sitzt mittellos in der Türkei fest. Unser Nahostreferent Dr. Kamal Sido steht im ständigen Kontakt mit ihm und hat zuletzt ein Interview geführt.

Erfahren Sie mehr über das Schicksal von Sharo Garip.

Die Verhaftung und der Umgang mit der in Deutschland geborenen Journalistin und Übersetzerin Mesale Tolu zeigt das völkerrechtswidrige Vorgehen der türkischen Behörden. Weil sie von einer Beerdigung zweier Mitglieder der kommunistischen Partei MLKP und einer Gedenkveranstaltung für eine gefallene Kämpferin der kurdischen Volksverteidigungseinheiten YPG aus Syrien berichtete, wirft ihr die türkische Staatsanwaltschaft die Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation und Terrorpropaganda vor.

Erfahren Sie mehr über das Schicksal von Mesale Tolu.

Auch die deutsch-yezidische Feleknas Uca, die bei den Wahlen im Jahr 2015 als Kandidatin der HDP für den Wahlkreis Diyarbakir ins Parlament gewählt wurde, ist bedroht. Sie kann jederzeit verhaftet werden, da aktuelle mehrere Ermittlungsverfahren gegen sie laufen.

Erfahren Sie mehr über das Schicksal Felknas Uca.

Die Menschenrechtslage in der Türkei verschlechtert sich zusehends, der Krieg gegen die Kurden und die Unterdrückung anderer Minderheiten wie den Aleviten, Yeziden, Christen und den Aramäern/Assyrern verschärft sich weiter. Umso wichtiger ist es, jetzt unsere volle und direkte Solidarität allen demokratischen Kräften in der Türkei zu zeigen.

Die ehemalige Justizministerin von Niedersachsen Heidi Merk und der langjährige Oberbürgermeister von Hannover Herbert Schmalstieg haben es vorgemacht. Sie sind des Öfteren in die kurdischen Gebiete der Türkei gereist und haben die Menschenrechtslage beobachtet. So reiste Frau Merk am 20. Februar 2017 nach Diyarbakir und beobachtete den Prozess gegen den stellvertretenden Bürgermeister von Amed/Diyarbakir Firat Anli. (Ihre Erfahrungen schilderte Frau Merk in einem Interview mit GfbV-Nahostreferent Kamal Sido, das Sie hier nachlesen können: „Es liegt fast ein tödliches Schweigen über der Stadt“)

Sie wollen einen Freundeskreis gründen? Kontaktieren Sie uns unter nahost@gfbv.de. Wir helfen Ihnen gerne weiter.

Die Kampagne wurde im Juni 2017 lanciert.