Foto: Clara Molins /Flickr

Für einen gerechten Frieden in Bosnien

Der Weg zu einem friedlichen Zusammenleben aller Volksgruppen in Bosnien-Herzegowina ist nach den Gräueltaten in Konzentrationslagern, nach den Pogromen, Massenvergewaltigungen und –vertreibungen mühsam und lang. Die Überlebenden dieses Völkermordes 1992-1995 mitten im modernen Europa brauchen Unterstützung, um einen gerechten Frieden in ihrem vom Krieg gezeichneten Land aufzubauen.

Werden Sie Pate!

Die Menschenrechtsarbeit der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat schon viel bewirkt und konkrete Schritte zur Versöhnung eingeleitet. Wir können jedoch nicht damit rechnen, dass die Initiativen unserer Büros in Sarajevo und Srebrenica bald mit Spenden der verarmten bosnischen Bevölkerung finanziert werden. Deshalb bitten wir Sie um Hilfe: Bitte fördern Sie die GfbV Bosnien-Herzegowina regelmäßig - werden Sie Pate!

Friedensvertrag zementiert Teilung

Erst nach dem Massaker von Srebrenica intervenierte die internationale Staatengemeinschaft 1995. Das Friedensdiktat von Dayton teilte das multikulturell besiedelte Land in die bosnisch-kroatische Föderation und die serbisch regierte, vorher "ethnisch gesäuberte" Republika Srpska (49% des Staatsterritoriums). Später entstand noch der kleine neutrale - heute wieder multikulturelle - Distrikt Brcko, in den die meisten Vertriebenen zurückkehren konnten.

Einheiten der Nato-geführten internationalen Schutztruppe SFOR gab es in allen Landesteilen. Sie sollten auch dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag zuarbeiten. Doch weder die Festnahme der Täter noch die Rückkehr der Vertriebenen wurden konsequent durchgesetzt. Das fordern wir jetzt von der EU-Mission "ALTHEA".

Jasna Causevic, GfbV-Referentin für Südosteuropa, über den Völkermord im Juli 1995 und die Lage der Menschen in Srebrenica heute

Am 11. Juli 1995 marschierten serbische Einsatzgruppen in der UN-Schutzzone Srebrenica ein. Unter den Augen der Blauhelme trennten sie Frauen von Männern. Mindestens 7.800 bosnisch-muslimische Knaben und Männer wurden nach Angaben der Srebrenica-Kommission erschossen. Nach Zählungen der Überlebenden werden 10.701 Personen vermisst – auch Frauen und Kinder. Die Toten wurden in Massengräber geworfen, später oft mit Bulldozern wieder ausgegraben und in Wäldern oder Steinbrüchen verscharrt.

Die Hinterbliebenen organisierten sich auf Initiative der GfbV-Bosnien in der Mütterbewegung von Srebrenica. So bekam ihre Forderung nach Gewissheit über das Schicksal ihrer Angehörigen mehr Gewicht. Bis Juli 2004 waren rund 6.500 Getötete aus Massengräbern exhumiert, über 1.300 identifiziert und in Potocari, dem Ort der Selektion, bestattet worden. Für die Entstehung dieser Gedenkstätte hatte die GfbV sich seit 1996 eingesetzt.

Srebrenica-Rückkehrer allein in Ruinen

Srebrenica ist heute eine vergessene, verelendete, von den Tätern dominierte Stadt in der Republika Srpska. Hilfswerke haben sich zurückgezogen, nur die bosnische GfbV-Sektion unterhält dort ein Regionalbüro. Es gibt nur einen Laden auch für die 59 umliegenden Dörfer, das Krankenhaus ist geschlossen. Von 5.000 zerstörten Häusern wurden nur etwa 500 wieder aufgebaut. Die Strom- und Wasserleitungen wurden nicht repariert.

Für 4.500 Rückkehrer – meist Witwen mit ihren Kindern –, die in der Stadt und dem Kreis in Bretterverschlägen, Kellern oder Ruinen leben, hat die GfbV Spendenaktionen initiiert. Im Winter konnten so Le-bensmittelpakete verteilt werden und die ärmsten Bauernfamilien bekamen eine Kuh oder Schafe als Überlebenshilfe.

Versöhnungsinitiativen

Ein erstes Versöhnungstreffen von serbisch-bosnischen Frauen mit einigen ihrer muslimischen Nachbarinnen hat es auf Vermittlung der bosnischen GfbV-Sektion schon im Oktober 2000 in Bratunac gegeben. Ein halbes Jahr später reichten sich Frauen beider Volksgruppen in Srebrenica die Hände. Im Februar 2002 schlossen sich unter GfbV-Schirmherrschaft 25 Frauenverbände in der Dachorganisation FOKUS zusammen. Dieses Bündnis aus serbischen, kroatischen und muslimischen Bosnierinnen sowie Roma-Frauen will die Teilung des Landes überwinden.

Schon mehrfach konnten unsere Mitarbeiterinnen Frauen aller Volksgruppen für Konferenzen und Gesprächsrunden an einen Tisch bringen oder gemeinsame Projekte aus der Taufe heben. So entsteht über praktische Arbeit wieder Vertrauen in die früheren Nachbarn.

Traumatisierte nicht im Stich lassen!

Die ehemaligen Häftlinge serbischer Konzentrationslager leiden bis heute. Schwer traumatisiert wurden sie mit ihren Ängsten und quälenden Erinnerungen allein gelassen. Hartnäckig setzt sich die GfbV-Bosnien-Herzegowina seit Jahren für diese Opfer schwerster Verbrechen gegen die Menschlichkeit ein. Doch es ist sehr schwierig, Unterstützung für sie zu gewinnen.

Für besonders Bedürftige organisierte die bosnische GfbV ein – wenn auch sehr bescheidenes – finanzielles Auskommen. Sie half auch, den Interessenverband "Vereinigung der ehemaligen weiblichen Lagerhäftlinge Sarajevo" aufzubauen und ihm Wege zu ebnen. Außerdem erreichte sie durch zähe Lobbyarbeit gemeinsam mit anderen Organisationen, dass den Vergewaltigungsopfern der Status von zivilen Kriegsopfern zuerkannt wurde.

Hilfe für Roma

Bis zu 120.000 Roma lebten in Bosnien-Herzegowina. Im Krieg teilten viele das Schicksal der Bosniaken: Sie wurden deportiert und ermordet, vergewaltigt und vertrieben. Auf diesen weitgehend unbeachteten Genozid hat Literaturnobelpreisträger Günter Grass durch die Verleihung des Otto Pankok-Preises an die beiden Vorstandsmitglieder der bosnischen GfbV, die Roma-Ingenieure Alaga und Mehmed Suljic, noch einmal besonders hingewiesen und Unterstützung für die Überlebenden gefordert.

Unter GfbV-Schirmherrschaft haben sich die 27 Roma-Verbände Bosniens in der "Roma-Union" zusammengeschlossen. Durch intensive politische Arbeit hat die GfbV Bosnien dazu beigetragen, dass die Roma in der Verfassung jetzt offiziellen Minderheitenstatus haben. Sie haben inzwischen eine eigene Partei gegründet.

Suche nach Wahrheit

Die GfbV Bosnien trägt dazu bei, den ganzen Umfang dieses Völkermordverbrechens aufzudecken. Schon in den 90er Jahren hatten GfbV-Recherchen entscheidend dazu beigetragen, dass die in Deutschland untergetauchten serbischen Kriegsverbrecher Dusko Tadic und Nikola Jorgic wegen Beteiligung an Genozid zu 35 Jahren bzw. lebenslanger Haft verurteilt wurden.

Die bosnischen GfbV-Mitarbeiterinnen erfassen Aussagen Überlebender, notieren Täter-Namen. 1000 Augenzeugenberichte über Verbrechen in der Herzegowina haben sie dem Tribunal bereits übergeben.

Der Chefideologe des Genozids, Slobodan Milosevic, steht vor Gericht. Doch seine international gesuchten Handlanger Radovan Karadzic und Ratko Mladic sind im Winter 2004 noch immer auf freiem Fuß wie Tausende andere serbische Kriegsverbrecher. Die GfbV schätzt, dass allein in dem ostbosnischen Kreis Srebrenica noch 500 Täter leben, die an den Massenexekutionen von etwa 8000 Knaben und Männern beteiligt waren.

Die GfbV Bosnien: Eine Stimme für die Opfer

Die GfbV Bosnien-Herzegowina setzt sich ein für die Überlebenden von Massakern, Konzentrations- und Vergewaltigungslagern, von Deportation und Vertreibung. Ihr Ziel ist es, die Teilung des Landes zu überwinden und die Rückkehr der Vertriebenen in ihre Heimatorte durchzusetzen. Rund 700.000 Bosnier aus dem Gebiet der Republika Srpska warten darauf bis heute.

Die GfbV recherchiert und dokumentiert die Schicksale der Opfer von Verbrechen gegen die Menschlichkeit, liefert Belastungsmaterial gegen die Täter, sucht Hilfe für Überlebende und unterstützt Eigeninitiativen. Unser Büro in Sarajevo informiert Journalisten, Politiker, Hilfswerke und gibt so den Schwächsten und Hilflosesten eine Stimme.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker Bosnien-Herzegowina

Multiethnisch, multireligiös und multikulturell – so wie das ehemalige Bosnien-Herzegowina ist auch der elfköpfige Vorstand der 1997 gegründeten bosnischen GfbV-Sektion zusammengesetzt. Alle Vorstandsmitglieder verurteilen die Aggression und den Völkermord Serbien-Montenegros und auch den einjährigen Angriffskrieg Kroatiens gegen Bosnien-Herzegowina. Alle eint das Ziel, die fortdauernde Teilung ihres Landes zu überwinden.

Prof. Dr. Smail Cekic (muslimisch), Direktor des Institutes zur Erfassung von Kriegsverbrechen

Prof. Dr. Ibrahim Busatlija (muslimisch), Mitglied im Verband der Flüchtlinge - BiH

Prof. Luka Markesic (katholisch), Franziskaner - Präsident des Kroatischen Volksrates - BiH

Prof. Dr. Sabira Hadzovic (muslimisch), Präsidentin des Kongressrates der Bosniakischen Intellektuellen

Dipl.Ing. Alaga und Dipl.Ing. Mehmed Suljic (muslimisch, Roma), Sekretär und Präsident der Roma-Union BiH

Alisa Muratcaus (muslimisch), Präsidentin der Frauensektion beim Lagerinsassenverband

David Kamhi (jüdisch), Jüdische Gemeinde - Sarajevo

Stjepan Siber (katholisch), Ehemaliger General in der bosnischen Armee

Prof. Dr. Mirko Pejanovic (serbisch-orthodox), Präsident des Serbischen Bürgerrates –Sarajevo, Träger des Alternativen Nobelpreises

Hatidza Mehmedovic (muslimisch), Präsidentin der Mütterorganisation "Srebrenica-Mütter" - Srebrenica

Krstjan Bijelac (serbisch-orthodox), Priester in der alten serb.-orth. Kirche in Sarajevo; Interreligiöser Rat - BiH; Serbischer Bürgerrat – Sarajevo

Stationen der GfbV-Bosnienarbeit

Gegen die furchtbaren Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Bosnien-Herzegowina hat sich die GfbV während des Krieges ununterbrochen eingesetzt mit Appellen, Aktionen, Presse- und Lobbyarbeit, Konferenzen und Vorträgen. Wir hielten mit Radioamateuren in eingeschlossenen Städten Funkkontakt und konfrontierten die Weltöffentlichkeit mit ihren dramatischen Lageberichten.

  • Das weltweit erste Buch über den Genozid veröffentlicht die GfbV in Zusammenarbeit mit den Vorläufern des Tribunals schon 1991. (T.Zülch: Ethnische Säuberung - Völkermord für "Großserbien", Luchterhand, Hamburg-Zürich)
  • Vor der ersten Weltmenschenrechtskonferenz der UN 1993 in Wien errichtet die GfbV ein symbolisches KZ, um auf die Lager in Bosnien hinzuweisen.
  • 1993 organisiert die GfbV in Berlin vor der Neuen Wache einen Hungerstreik von zehn Bosnierinnen, die in serbischen KZs gefangen gehalten worden waren.
  • Auch vor den ehemaligen KZs in Dachau, Neuengamme, Buchenwald und auf Kirchentagen finden auf Initiative der GfbV Demonstrationen ehemaliger bosnischer KZ-Häftlinge statt. Prominente jüdische Persönlichkeiten wie der französische Philosoph Alain Finkielkraut und Marek Edelman, Widerstandskämpfer aus dem Warschauer Ghetto, beteiligen sich.
  • Als auch kroatische Truppen 1993 gegen Bosnien marschieren, protestiert die GfbV in Zagreb. Der GfbV-Bundesvorsitzende Tilman Zülch wird von Polizisten festgenommen. 1995 recherchiert eine GfbV-Fact-Finding Mission Verbrechen der Armee Kroatiens an der serbischen Bevölkerung in der Krajina.
  • Im April 1994 folgen rund 30.000 Bosnier dem GfbV-Aufruf und kommen nach Bonn zur weltweit größten Kundgebung gegen Völkermord und Vertreibung in Bosnien. Es sprechen: Prof. Rita Süssmuth, Dr. Christian Schwarz-Schilling, aus Bosnien der später ermordete Außenminister Irfan Ljubijankic, General Jovan Divjak, Präsidiumsmitglied Stjepan Kljuic, Parlamentspräsident Miro Lazovic.
  • Vor dem Reichstag in Berlin appelliert die GfbV im Juli 1994 mit einem riesigen Transparent an Bill Clinton: Don’t divide Bosnia!
  • Die GfbV eint 100 bosnische Exilverbände aus Mitteleuropa unter dem Dach "Europäisches Forum für Bosnien-Herzegowina."
  • Im Sommer 1995 organisiert die GfbV den einzigen Weltkongress über den Genozid mit Teilnehmern ausvier Kontinenten in Bonn. Er steht unter der Schirmherrschaft von Simon Wiesenthal, Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth und Außenminister Haris Silajdzic aus Bosnien.
  • Bis heute kämpfen wir für die Rückkehr aller Vertriebenen: Die "ethnischen Säuberungen" müssen rückgängig gemacht werden, um die Täter nicht zu belohnen. Die GfbV fordert die Auslieferung aller Kriegsverbrecher nach Den Haag, die schnelle Aufnahme Bosniens in die EU. Auch der Visumszwang für Schengen-Staaten muss aufgehoben werden.

Gesellschaft für bedrohte Völker Bosnien-Herzegowina - Drustvo za ugrozene narode

Trampina 4 BiH - 71000 Sarajevo

Tel.: 00387 - 33 - 213 707

Fax: 00387 - 33 - 213 709

E-Mail: gfbv_sa@bih.net.ba

Homepage: www.gfbv-sa.com.ba

Die GfbV Bosnien ist eine der acht Ländersektionen der GfbV International. Ihre Schwesterorganisationen unterstützen kontinuierlich die Büros in Sarajevo und Srebrenica. Gemeinsam machen sie bei der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen und bei europäischen Institutionen die Probleme Bosniens zum Thema. DIE MITARBEITERINNEN IM GFBV-BÜRO SARAJEVO: Fadila Memisevic Direktorin der GfbV-Sektion Bosnien-Herzegowina Belma Delic-Zulcic Assistentin (beide sprechen deutsch) DIE MITARBEITERIN IM GFBV-BÜRO SREBRENICA: Hatidza Mehmedovic Koordinatorin Für Fragen oder eine Beratung stehen wir Ihnen gern zur Verfügung. Unsere Büros in Bosnien und Göttingen freuen sich auch über Ihren Besuch. Unsere besondere Sorge gilt den vergessenen Opfern des Genozids in Bosnien: den Srebrenica-Rückkehrern, den traumatisierten ehemaligen Lagerhäftlingen, den Überlebenden von Massakern. Bitte unterstützen Sie uns! Bitte fördern Sie die GfbV-Arbeit in Bosnien regelmäßig! Wenn Sie eine Patenschaft übernehmen, erhalten Sie in Zukunft spezielle Informationen über die GfbV-Arbeit für die Menschen in Bosnien-Herzegowina. Ihr regelmäßiger Beitrag für die GfbV Bosnien wird von der GfbV Deutschland gesondert verbucht und ohne Abzug sicher nach Sarajevo weitergeleitet.