Pressemitteilung

30.09.2016

GfbV-Jahresbericht 2015

Vor der Eröffnung der Computermesse CEBIT in Hannover dokumentierten wir im März 2015 in einem 77-seitigen Menschenrechtsreport, wie drastisch die Diktatoren der Kommunistischen Partei Chinas die Internetfreiheit im eigenen Land verletzen: 77 inhaftierte Blogger, Online-Journalisten und Internet-Autoren wurden in Einzelschicksalen dargestellt. Vor Ort demonstrierten wir in Hannover mit ausgehöhlten Computer-Bildschirmen und Transparenten gegen Chinas Internetzensur. Foto: GfbV

„Wann immer die Medien über Ungerechtigkeiten gegen Menschen, Bedrohungen von Völkern oder Volksgruppen in verschiedenen Kontinenten berichten und ich mir darüber klar bin, dass etwas zur Hilfe der Betroffenen geschehen muss, denke ich sofort an Ihre Menschenrechtsorganisation: die Gesellschaft für bedrohte Völker. Sie haben in den vergangenen Jahrzehnten großartiges geleistet und alle Ihre Freunde – zu denen ich mich zähle – freuen sich, dass es Sie gibt. … Ich bitte Sie alle, in dieser Tradition zum Wohl der Unterdrückten und Benachteiligten weiter zu arbeiten.“

Diese Würdigung unserer Menschenrechtsarbeit formulierte schon vor vier Jahrzehnten unser langjähriger Freund Simon Wiesenthal. Auch jetzt, vier Jahrzehnte später, gibt es keinen Kontinent, auf dem unsere Menschenrechtsorganisation nicht Diskriminierungen, Verfolgung oder Vernichtung von Minderheiten 2015 dokumentieren und öffentlich machen musste.

Der Syrienkrieg hat inzwischen mindestens 300.000 Todesopfer gefordert. Die Fronten sind unüberschaubar geworden. Die vielen verschiedenen Kriegsparteien, ihre regionalen und internationalen Schutzmächte beharren auf einem „militärischen Sieg“. Um einen islamischen Gottesstaat in Syrien und dem Irak errichten zu können, hat die sunnitische Terrorgruppe „Islamischer Staat“ ganze Volksgruppen vertrieben. Zu ihnen gehören nahezu alle Yeziden aus dem Sinjar im Irak. Tausende Angehörige dieser Glaubensgemeinschaft wurden von IS-Milizen ermordet oder verletzt, viele Frauen verschleppt und versklavt. Auch die christlichen Assyrer/Chaldäer/Aramäer aus dem irakischen Mossul und der benachbarten Ninive-Ebene wurden vertrieben. Die humanitäre Lage in den Flüchtlingslagern ist katastrophal.

Anfang 2015 forderte die GfbV die deutsche Bundesregierung dazu auf, sich auch gegen den Willen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan für eine Selbstverwaltung der Kurden in Nordsyrien einzusetzen. Sie hatten die IS-Extremisten aus dem Gebiet um die Stadt Kobanî vertrieben. Der GfbV-Nahostreferent Dr. Kamal Sido reiste in den westlichen Teil des türkisch-syrischen Grenzgebiets, um sich ein Bild über die Lage der einzelnen Volksgruppen zu machen. In der Region um die kurdische Enklave Afrin und das arabisch-sunnitische Azaz führte er während seiner Recherchereise zahlreiche Gespräche mit Politikern und Repräsentanten verschiedener ethnischer und religiöser Minderheiten sowie Flüchtlingen aus anderen Teilen Syriens, die Schutz im Kurdengebiet gesucht haben.

Zudem haben wir von Oktober bis Dezember 2015 einen detaillierten 29-seitigen Bericht über die Lage in den Flüchtlingslagern in Kurdistan (Nordirak) erstellt und auf die Notwendigkeit, dort verstärkt humanitäre Hilfe zu leisten, aufmerksam gemacht. Den Bericht, der darlegt, in welchen Bereichen humanitäre Hilfe am meisten benötigt wird, legten wir anschließend Behörden.

Im Afrikareferat bildete der Kampf gegen Sklaverei in Mauretanien und die Unterstützung unserer mauretanischen Partnerorganisation IRA-Mauretanien (Initiative zur Abschaffung der Sklaverei) einen der Schwerpunkte der Arbeit. Gemeinsam mit unseren Mauretanien-Koordinator Abidine Merzough trafen wir den Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Christoph Strässer, und Mitglieder des Menschenrechtsausschusses des Bundestages und berichteten ihnen vom friedlichen Engagement der IRA.

Aber auch die andauernden Menschenrechtsverletzungen im Sudan, vor allem in den Regionen Darfur und den Nubabergen waren ein weiteres Thema, das unsere Afrikaarbeit 2015 begleitete. Zudem klärten wir einem Mitarbeiter des Bundesamtes für Migration im persönlichen Gespräch über die weiterhin verheerende Menschenrechtslage in Eritrea auf. Hintergrund waren die Bemühungen einiger europäischer Staaten, die anhaltenden Menschenrechtsverletzungen im Land kleinzureden und die Flüchtlinge wieder nach Eritrea zu schicken. Wir machten ihm klar, dass Deutschland diesem Trend nicht folgen dürfe und Flüchtlinge aus Eritrea anerkennen müsse.

Ebenfalls war der mangelnde Schutz für die Zivilbevölkerung im Norden Nigerias/Kameruns Thema von Gesprächen mit dem Afrika-Beauftragten der Bundesregierung und Vertretern des Bundeskanzleramtes. Auch dort teilte man die große Sorge um die Zivilbevölkerung und hat wenig Vertrauen in Nigerias Armee im Kampf gegen die Terrormiliz Boko Haram.

Unser Asienreferat engagierte sich auch 2015 vor allem gegen die Unterdrückung und Verfolgung der Uiguren, Tibeter, Mongolen, Anwälte und Journalisten in China. Als rund 500 Uiguren, die vor der chinesischen Repression aus ihrer Heimat Xinjiang/Ostturkestan nach Thailand geflohen waren, die Abschiebung drohte, baten wir Vertreter der Botschaft Thailands in Berlin um ein Gespräch, um den Flüchtlingen dieses Schicksal zu ersparen. Bei dem Treffen mit den zwei Ersten Sekretären und der stellvertretenden thailändischen Botschafterin machten wir deutlich, welche Folgen eine Massenabschiebung für Thailands Ansehen in der Welt hätte.

Die weiterhin prekäre Lage der muslimischen Rohingya in Burma war ebenfalls Schwerpunkt unseres Engagements. Neben mehreren Presseerklärungen und Interviews war das Zusammenbringen von Betroffenen und Politikern ein wichtiger Bestandteil der Rohingya-Arbeit. Gemeinsam mit dem Rohingya Nay San Lwin trafen wir den Menschenrechtsbeauftragen der Bundesregierung, Christoph Strässer und den Länderreferenten im Auswärtigen Amt. Kurz darauf fuhren wir mit dem Rohingya Dr. Koubuib zu Gesprächen mit Mitarbeitern des UN-Hochkommissariats und dem Botschafter der Organisation für Islamische Kooperation (OIC) zu den Vereinten Nationen in Genf.

Im Februar 2015 wurde der bekannte Oppositionspolitiker Boris Nemzow in Moskau auf offener Straße ermordet. Fast sofort wurden Täter und Hintermänner in Tschetschenien vermutet. Das weckte das Interesse von Journalisten an Tschetschenien. In vielen Gesprächen mit Journalisten, Bundestagsabgeordneten und Interessenten konnten wir über die Menschenrechtssituation im Nordkaukasus informieren. Auch vermittelten wir Journalisten Interviewpartner vor Ort und setzten unsere intensive Arbeit im Flüchtlingsbereich fort. Wir schrieben über ein Dutzend individuelle Stellungnahmen für Gerichte, Rechtsanwälte und Flüchtlingshelfer und unterstützten Flüchtlinge aus der Region in vielen Fällen über einen langen Zeitraum in allen rechtlichen und auch sozialen Fragen.

Im Herbst 2015 besuchte unsere GUS-Referentin die Ukraine und traf sich mit Vertretern von Minderheiten wie den früheren Vorsitzenden des Medschlis der Krimtataren, Mustafa Dschemilew, gegen den die der pro-russische Führung auf der Krim ein Einreiseverbot verhängt hat. Zudem fanden persönliche Treffen mit Journalisten und Kulturschaffenden statt. Diese Kontakte bestehen auch weiterhin. So erhalten wir fast täglich von mutigen Journalistinnen, die trotz massiver Verfolgung der freien und unabhängigen Presse auf der Krim dort ihre Informanten haben und selbst hinreisen, aktuelle verlässliche Informationen, die wir übersetzen und auf unserem Blog veröffentlichen. (Hier finden Sie die Ukraine-Russland-Chronik auf unserem Blog.)

2015 initiierten wir ein Treffen der Bundeskanzlerin Merkel mit Vertreterinnen der Mütter- und Frauenorganisationen Srebrenicas. Mit dabei war auch die GfbV-Koordinatorin für Srebrenica, Hatidža Mehmedovi?. Sie betonte im Gespräch mit Frau Merkel, wie wichtig Erinnerung und Aufarbeitung der Verbrechen 20 Jahre nach dem Völkermord von Srebrenica seien, und unterstrich die große Bedeutung eines Versöhnungsprozesses.

Auch im Referat für indigene Völker initiierten wir Treffen für indigene Vertreter. So organisierten wir im Dezember 2015 die Teilnahme einer indianischen Delegation aus Peru und Brasilien beim Welt-Klima-Gipfel COP 21 in Paris. Jiribati Diquez Rios und Marishori Samaniego Pascual (Ashaninka-Anführer aus Peru) sowie Luiz Puwe Puyanawa (Puyanawa-Anführer aus Brasilien) wurden von der ehrenamtlich tätigen Brasilienexpertin der GfbV Eliane Fernandes Ferreira zu ihren Terminen in Paris begleitet. Denn es gehört zu den Kernaufgaben unserer internationalen Menschenrechtsorganisation, den Repräsentantinnen und Repräsentanten bedrohter und verfolgter Minderheiten und indigenen Völker Foren zu schaffen, auf denen sie ihre Stimme für die Rechte ihrer Völker selbst erheben können. So konnten unsere Gäste an der Pre-Konferenz: «Peuples autochtones et le climat“ des Klimagifpels ebenso teilnehmen wie an dem Runden Tisch „Resilience in times of uncertainty: Indigenous Peoples and Climate Change“ der UNESCO. Sie konnten sich mit zahlreichen indigenen Delegierten aus anderen Erdteilen vernetzen, aber auch prominente und international erfahrene Sprecher der indigenen Bewegung aus Brasilien kennenlernen.

Zudem unterstützen wir 2015 besonders die Forderungen der Aboriginal Australians. „Treaty Now“ heißt ihre Bewegung, die von der australischen Bürgerrechtsbewegung Concerned Australians gemeinsam mit der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) unterstützt wird. 2015 nutzten wir die Staatsbesuche des amtierenden Präsidenten Malcolm Turnbull und von Queen Elisabeth II, die als Oberhaupt des Commonwealth of Nations formal auch oberste Repräsentantin Australiens ist, in Berlin für mehrere Mahnwachen. Über die Botschaft Großbritanniens ließen wir der Monarchin einen Appellbrief zukommen, sich gegenüber der Regierung Australiens für einen Dialog mit der Treaty-Now-Bewegung einzusetzen. Diese Bitte richteten wir ebenfalls an den Generalsekretär des Commonwealth, Kamalesh Sharma. Diese Briefe, andere Dokumente sowie die mehr als 2.000 im Internet und auf Büchertisch-Listen gesammelten Unterschriften übergab unsere ehrenamtliche Australien-Expertin Marion Caris persönlich im Generalsekretariat des Commonwealth in London. Videos und Fotos von allen Aktionen wurden auf der Facebook-Seite der GfbV dokumentiert. (Hier geht es zu unserer Facebook-Seite.)

Dies sind nur einige Auszüge unserer vielfältigen Menschenrechtsarbeit für ethnische und religiöse Minderheiten, die von unserem großen Kreis der 9.000 Mitglieder, Förderer und Abonnenten in Deutschland getragen wird. Ihnen möchten wir an dieser Stelle ganz besonders herzlich danken.

Viele weitere Beispiele, Erklärungen, Hintergründe und Einblicke in unsere Arbeit, die die Mitarbeiter und Ehrenamtlichen 2015 geleistet haben, finden Sie in unserem 63-seitigen Jahresbericht.

Laden Sie sich den Jahresbericht 2015 hier kostenlos herunter: GfbV-Jahresbericht 2015 (als pdf)