China 2022 – zwei Seiten der Medaille

Der Geist der Olympischen Spiele steht für Frieden, Toleranz und Menschenwürde. Wieso wurde also gerade China für die Austragung der Olympischen Winterspiele 2022 ausgewählt - ein Land, in dem gerade ein kultureller Genozid stattfindet? Seit Jahrzehnten unterdrückt die chinesische Regierung systematisch Minderheiten und Nationalitäten wie die Uigur*innen, Kasach*innen, Kirgis*innen sowie Tibeter*innen, Mongol*innen und Christ*innen im Land. Daneben verfolgt sie kritische Journalist*innen und Menschenrechtsanwält*innen. Besonders kritisch ist die Lage in der Region Xinjiang/Ostturkestan, wo unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung ein kultureller Genozid an den muslimischen Uigur*innen und andere Minderheiten stattfindet. Über Millionen von ihnen sind in sogenannte „Umerziehungslager“ inhaftiert. Dort werden sie indoktriniert und ihrer Identität beraubt. Familien werden getrennt und uigurische Frauen werden zwangssterilisiert. Die Bevölkerung wird weitreichend überwacht und mehrere Hunderttausende müssen Zwangsarbeit leisten. Auch in Tibet zerstört die chinesische Regierung systematisch die tibetische Sprache und Kultur der Tibeter*innen.

Bereits die Olympischen Sommerspiele 2008 in Peking zeigten, dass die Spiele eher zu einer Verschlechterung als einer Verbesserung der Menschenrechtslage geführt haben. Die Winterspiele 2022 werden von der chinesischen Regierung dazu genutzt werden, den ohnehin beispiellosen Polizeistaat im Namen der Sicherheit der Spiele weiter auszubauen. Sie werden Menschenrechtsverletzungen unter den Teppich kehren, um den eigenen sowie dem internationalen Publikum „Spiele der Harmonie“ zu präsentieren. Gemeinsam mit Betroffenen wollen wir die Propaganda der chinesischen Regierung öffentlich entlarven und bekämpfen.


Wichtige Fragen zu den Olympischen Winterspielen 2022

Hier beantworten unsere Expert*innen zentrale Fragen zu den Olympischen Spielen 2022:

Wann und wo finden die Olympischen Winterspiele 2022 statt?

Vom 04. bis 20. Februar 2022 finden in Chinas Hauptstadt Peking und der umliegenden Region die nächsten Olympischen Winterspiele statt.

Ist doch toll. Seit wann interessiert Ihr Euch für Sport?

Wir werden hellhörig, wenn ein Staat die wie Volksrepublik China den Zuschlag für eine Großveranstaltung bekommt.

Wieso? Habt Ihr was gegen China?

Wir haben nichts gegen China, aber wir finden, dass die chinesische Regierung systematisch Menschenrechte verletzt und damit die Werte der Olympischen Charta mit Füßen tritt. Deswegen sollten dort keine Olympischen Spiele stattfinden, solange sich die Menschenrechtssituation nicht verbessert.

Was sagt die Olympische Charta?

In der Olympischen Charta steht, dass Werte wie die Wahrung der Menschenwürde und die Maxime, jede Form von Diskriminierung sei „aufgrund von Rasse, Religion, Politik, Geschlecht oder aus sonstigen Gründen mit der Zugehörigkeit [zur] Olympischen Bewegung unvereinbar“.

Aha. Und wie verletzt die chinesische Regierung diese Werte?

Jetzt kommt eine lange Liste: Die Regierung verfolgt Christ*innen, Anhänger*innen der Meditationsbewegung Falun Gong, Menschenrechtsanwält*innen, Tibeter*innen, Mongol*innen. In Hongkong hat sie die Freiheitsrechte beseitigt, unabhängige Zeitungen müssen schließen. Gegenüber muslimischen Nationalitäten in Xinjiang/Ostturkestan im Westen Chinas geht sie besonders brutal vor. Dort wurden seit 2017 mindestens 1,8 Millionen Uigur*innen, Kasach*innen und Kirgis*innen in Umerziehungslager gesteckt. Frauen werden gezwungen, sich sterilisieren zu lassen, Kinder werden von ihren Familien getrennt. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages ist kürzlich zu dem Schluss gekommen, dass diese Verbrechen als Völkermord bezeichnet werden können.

Wieso darf dann China die Olympischen Spiele austragen?

Weil das Internationale Olympische Komitee (IOC) und sein aktueller Präsident Thomas Bach keine Probleme mit schwersten Menschenrechtsverletzungen haben.

Naja, das ist jetzt aber schon ein bisschen polemisch, oder? Sind die wirklich so krass drauf?

Thomas Bach sagt immer, dass man Sport und Politik trennen muss. Das IOC sei eine Nichtregierungsorganisation und könne keinen Weltfrieden bringen.

Moment, hat er da nicht Recht? Er kann der chinesischen Regierung nichts vorschreiben.

Das IOC ist eine Nichtregierungsorganisation mit Sitz in Lausanne in der Schweiz. Es ist aber ein milliardenschweres Unternehmen, dass Fernseh- und Sponsorenrechte vergibt und mit seinen Entscheidungen über die Vergabe von Olympischen Spielen Politik macht.

Wenn man es der chinesischen Regierung, also der Kommunistischen Partei ermöglicht, schon wieder die Olympischen Spiele auszutragen, dann gibt man dieser Regierung die Möglichkeit, eine Großveranstaltung durchzuführen, bei der sie die eigenen Errungenschaften herausstellen kann und die Lage in China so darstellen kann. Abermillionen Menschen auf der Welt werden die Eröffnungsfeier der Spiele sehen. Es ist eine riesige Werbeveranstaltung für die Kommunistische Partei. Berichte über Menschenrechtsverletzungen haben da keinen Platz.

Wie stellt die chinesische Regierung denn die Lage dar?

Die Regierung sagt, die Menschen in China seien glücklich und zufrieden, es gebe eine große Harmonie zwischen den 56 verschiedenen Ethnien. Die Kommunistische Partei habe einen historischen Auftrag für China und verfolge diesen Auftrag mit Konsequenz und Güte. Über ihre eigenen Verbrechen spricht sie nicht oder benutzt Beschönigungen: Die Umerziehungslager, in denen so viele Uigur*innen, Kasach*innen und Kirgis*innen leiden, werden als „Berufsschulzentren“ bezeichnet.

Ok, was verlangt ihr jetzt? Was fordert Ihr von Thomas Bach und dem IOC? Was soll andere Regierungen machen? Was sollen die Sponsoren machen?

Thomas Bach ist ein mächtiger Mann, auch wenn er sich gerne anders darstellt. Er kann zum Beispiel fordern, dass die chinesische Regierung endlich die oben genannten Werte der Olympischen Charta respektiert und die Menschenrechtsverletzungen beendet. Er sollte sagen, was das IOC macht, um Problemen wie Zwangsarbeit in den Lieferketten auch bei Sportausrüstung, Presseunfreiheit und Einschüchterung kritischer Stimmen sowie Massenüberwachung im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen zu begegnen. Aber wir gehen davon aus, dass er es nicht machen wird.

Warum?

Er hat Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping den Olympischen Orden in Gold verliehen und lobt gerne die Vorbereitung der Winterspiele durch die Regierung.

Und die Sponsoren?

Die müssen auch ihre Stimme erheben. Sie müssen die Verbrechen der chinesischen Regierung öffentlich benennen. Immer mehr Unternehmen geben sich gerne fortschrittlich, also sollten Taten folgen.

Und wenn weder Thomas Bach seine Stimme erhebt noch die Sponsoren sich mit der chinesischen Regierung anlegen?

Wir haben noch gar nicht über andere Staaten gesprochen. Wenn von Thomas Bach und den Sponsoren nichts kommt, dann sollten sie überlegen, ob sie die Spiele boykottieren.

Klingt nach Kaltem Krieg.

Klingt zuerst nach Kaltem Krieg, aber wenn man sich einmal angehört hat, was z.B. uigurische Frauen in den Umerziehungslagern erleben, dann versteht man besser, warum diese Spiele nicht einfach so stattfinden dürfen. Es muss Konsequenzen geben, wenn ein Staat Krieg gegen die eigene Bevölkerung führt.

Aber wenn es zu einem Boykott kommt, was ist dann mit den Sportler*innen, die sich vier Jahre, VIER Jahre auf diese Veranstaltung vorbereitet haben?

Wenn es zu einem Boykott kommt, dann trifft es die Sportler*innen hart. Für sie ist es nicht gerecht. Aber wir denken an das Schicksal von Millionen Menschen, deren Leben von der chinesischen Regierung zerstört werden. Es kann nicht einfach so weitergehen.

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