„Die Yeziden sind in der Welt zerstreut worden, wie eine Hand Kichererbsen, die man gegen einen Stein wirft.“
Mam Xelef
Die Verfolgung der Yezid*innen zieht sich durch die Jahrhunderte. Mit dem Beginn des Vernichtungsangriffs durch den sogenannten „Islamischen Staat“ (IS oder Daesh) auf die Yezid*innen im irakischen Sinjar-Gebiet am 03. August 2014 eskalierte die Gewalt zu einem Genozid. Bis heute ist die yezidische Gemeinde Repression und Diskriminierung ausgesetzt.
Viele Yezid*innen mussten fliehen, etwa 200.000 von ihnen leben heute in Deutschland. Auch hier sind sie mit Vorurteilen und negativen Stereotypen konfrontiert. Viele Menschen in Deutschland wissen nichts über die Yezid*innen und ignorieren ihre Probleme. Zugleich haben Hass und strukturelle Diskriminierung ihren Weg von der Türkei, aus Syrien und dem Irak nach Deutschland gefunden und machen den Überlebenden des Genozids und ihren Nachfahren hierzulande das Leben schwer. Deutschland hat der yezidischen Gemeinschaft gegenüber eine Schutzverantwortung und muss sie ernst nehmen.
Ziel unseres Projektes ist es, in engem Austausch mit den Yezid*innen Räume und Möglichkeiten zu schaffen, um gegen ihre Diskriminierung in Deutschland vorzugehen. Wir wollen mit den Yezid*innen gemeinsam erarbeiten, was die Herausforderungen in der Diaspora sind und was geschehen muss, damit die Diskriminierung aufhört.
Besonders mit Aufklärungsarbeit und möglichen Foren zum Austausch wollen wir einen Dialog ermöglichen, der die ethno-religiöse Gruppe in all ihren Facetten zeigt und für mehr Verständnis und Wissen sorgt. Dazu gehört auch, immer wieder an die schreckliche Situation vieler Yezid*innen im Irak zu erinnern. Viele müssen weiterhin in Camps für Binnenvertriebene leben. Ein Wiederaufbau des Sinjar-Gebietes ist noch immer nicht möglich.
Workshop-Bericht
Brücken bauen: Jugendverbände fördern interreligiösen Dialog
Unter dem Motto "Brücken bauen" trafen sich Jugendliche und junge Erwachsene verschiedener Jugendverbände zu einem Workshop in Göttingen. Darunter die Êzîdische Jugend Deutschland (EJD), der Bund der Alevitischen Jugendlichen (BDAJ), der Bund der Alevitischen Studierenden (BDAS), der Jugendverband der Armenier in Deutschland e.V. (ARI) und die Pontosgriechische Jugend in Europa.
Im Mittelpunkt stand das Empowerment junger Menschen mit êzîdischem und alevitischem Hintergrund. Die Gemeinschaften verbindet eine Geschichte der Diskriminierung: Bis heute wird das Alevitentum in der Türkei nicht als eigenständige Glaubensgemeinschaft anerkannt, sondern lediglich als Abspaltung/Strömung des Islam eingestuft.
Besonders bewegend waren die Lesungen zweier Autoren mit sehr unterschiedlichen Erfahrungen: Farhad Alsilo, 2002 in Shingal (Nordirak) geboren, überlebte als Zwölfjähriger einen Angriff des IS und kam 2014 mit seiner Mutter und fünf Geschwistern nach Deutschland. Heute studiert er Maschinenbau – so ist er ein Beispiel, wie Menschen trotz traumatischer Erlebnisse hoffen und neu anfangen können. Der Schriftsteller Hıdır Eren Çelik, geboren 1960 in Dersim (heute Tunceli, Türkei), klagt mit seiner Poesie die soziale Ungerechtigkeit, die Armut und politische Verfolgung, die die Menschen dazu zwingen, ihre Heimat und ihr Zuhause zu verlassen, an. Er betont: „Ich bin ein Mensch wie alle anderen auch“. Nach der Lesung spielte sich immer wieder der Satz „Und die Welt schaut einfach zu“ aus seinem Buch „Ich stehe vor deinen Toren“, in meinem Kopf ab.
Der Workshop bot eine Plattform für den Austausch über Diskriminierungserfahrungen und den Abbau von Vorurteilen. In Vorträgen, Podiums- und Gruppendiskussionen wurden Gemeinsamkeiten der verschiedenen Glaubensrichtungen festgestellt und der zukünftige Umgang auf Social Media herausgearbeitet. Vertreter der EJD und des BDAJ präsentierten ihre Geschichte - ihre persönliche Autobahn der Identität - und arbeiteten an der Überwindung von Stereotypen.
Was besonders beeindruckte: Die jungen Teilnehmenden zeigten in den Diskussionen eine Reife und Weitsicht weit über ihr Alter hinaus. Mit ihrer authentischen und reflektierten Art demonstrierten sie eindrucksvoll, dass religiöse und kulturelle Vielfalt als Bereicherung verstanden werden kann, wenn man einander zuhört und aufeinander zugeht. Ihr Engagement und ihre Bereitschaft macht Mut für die Zukunft. Nur durch gegenseitiges Verständnis und Respekt können Brücken gebaut werden, die auch in Zukunft tragen.
Der Workshop fand Anfang November 2024 in Göttingen statt.
Autor*in & Fotograf*in: Ida Holighaus
Redaktion: Stefanie Grolig und Betül Matur




Mediathek
Film: Ausstellung »Dengek Me Heye« im Museum Friedland
Film: Gedenktag des Genozides an den Yezid*innen | Kooperation mit dem Yezidischen Forum Oldenburg
Film: Are you listening?
Online-Veranstaltung "Zerstörung von Familien": Yezidische Diaspora
Pressearbeit
Zuletzt bearbeitet im Januar 2025.