Infothek

22.09.2004

Großstaudämme verletzen Menschenrechte (Einführung)

Zwangsumsiedlungen und andere schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen sind beim Bau von Großstaudämmen alltäglich. Für viele Ureinwohner und Angehörige ethnischer Minderheiten bedeutet die überflutung ihres Landes nicht nur den Verlust ihrer Häuser, sondern die Zerstörung ihrer traditionellen Lebensweise, ihrer Kultur und Identität. 45.000 Staudämme wurden in den letzten 50 Jahren weltweit errichtet. Mindestens 30 Millionen Ureinwohner wurden für ihren Bau vertrieben. Meist wurden die Folgen der Großprojekte für die Urbevölkerung bei der Planung der Projekte nicht berücksichtigt. Die Betroffenen wurden enteignet, Entschädigungszahlungen verweigert. Doch selbst wenn Schadensersatz geleistet wird, kann dies den Verlust der traditionellen Lebensweise und die Vernichtung bedeutender Kulturgüter der Urbevölkerung nicht ersetzen.

Im November 2000 veröffentlichte die auf Initiative von Weltbank und Umweltschutzorganisationen entstandene Weltstaudamm-Kommission einen bahnbrechenden Bericht, in dem die ökologischen und sozialen Folgen des Baus von Großstaudämmen umfassend dokumentiert und zahlreiche tiefgreifende Reformen bei der Planung und Umsetzung von Bewässerungs- und Energieprojekten angemahnt werden. So müsse der konkrete Energiebedarf zunächst von unabhängigen Experten ermittelt werden, empfahl die Kommission. Zu häufig würden Staudämme überdimensioniert geplant, da es an realistischen Bedarfsanalysen fehle. Auch müsse zunächst in Absprache mit der betroffenen Bevölkerung geklärt werden, ob es nicht im konkreten Fall Alternativen zum Bau eines Großstaudammes gebe, die Umwelt und Menschen weniger beeinträchtigten. Der Bau sollte erst beschlossen werden, wenn alle Betroffenen ihre Zustimmung erteilt hätten. Auch sollten die Behörden die Vergabe der Baugenehmigung zeitlich begrenzen und darauf dringen, dass sich der Bauträger dazu verpflichtet, konkrete soziale und ökologische Vorgaben zu erfüllen. In zweieinhalbjähriger Arbeit hatte die Kommission, der 12 unabhängige Experten von Nichtregierungsorganisationen, Staudammindustrie und Regierungen angehörten, zahllose Staudammprojekte analysiert. Zwar sichern Staudämme heute 10 Prozent der Nahrungsproduktion und 20 Prozent der Energiegewinnung in der Welt, gravierend sind jedoch die von ihnen verursachten Eingriffe in das Leben der Menschen, die ihnen weichen müssen.

Deutsche Unternehmen wie Siemens und Lahmeyer sind am Bau von Großstaudämmen in aller Welt beteiligt. Auch sie beteiligten sich u.a. finanziell an der Arbeit der Weltstaudamm-Kommission. Entscheidend für den Erfolg der Kommission wird sein, ob Industrie und Regierungen die detaillierten Empfehlungen des Expertenteams aufgreifen. Die deutsche Bundesregierung ging mit schlechtem Beispiel voran, als sie bei der Reform der Hermes-Bürgschaften im Mai 2001 die kompetenten Empfehlungen der Weltstaudamm-Kommission komplett ignorierte und die Arbeit des Expertenteams gar nicht erst erwähnte. Dabei hatte auch die Bundesregierung die Arbeit der Kommission kofinanziert.