Infothek

22.09.2004

Krieg um Wasser im Sudan

Im Sudan wird schon heute Krieg um Wasser geführt. Rund 2,9 Millionen Südsudanesen sind seit 1955 Hunger, Krieg und schwersten Menschenrechtsverletzungen zum Opfer gefallen. Neben zahlreichen politischen, ethnischen, religiösen und wirtschaftlichen Ursachen liegt diesem Krieg auch ein Machtkampf um die Kontrolle der Ölfelder und des Nilwassers zugrunde. Dass er bereits seit 33 Jahren andauert, ist unter anderem auf die Einflussnahme des Nachbarstaates Ägypten zurückzuführen. Ägypten will sich einen möglichst großen Anteil am Nilwasser sichern. Deshalb hat es kein Interesse an einem Frieden im Sudan, der es dem Land ermöglichen würde, durch Staudämme und Bewässerungsanlagen mehr Nilwasser zu verbrauchen als derzeit.

Mehr denn je ist das Wüstenland Ägypten, dessen Bevölkerung kontinuierlich wächst, auf das Wasser des Nils angewiesen, der aus dem Sudan und aus Äthiopien ins Land strömt. Äthiopien plant zwölf Bewässerungsprojekte, die mehr als sechs Milliarden Kubikmeter Wasser verbrauchen werden. Einen Nutzungsvertrag mit den Nachbarn hat es nicht abgeschlossen. Dies sorgte in Ägypten bereits für große Unruhe. Als dann aber auch die sudanesische Regierung am 2. November 2001 den Bau eines 4,5 Milliarden DM teuren Staudamms ankündigte, der mit Unterstützung der arabischen Emirate in der Nähe der sudanesischen Hauptstadt Khartum gebaut werden soll, herrschte in Kairo helle Aufregung. Dieser Merowe - Staudamm soll vor allem der Energieerzeugung und der Bewässerung der Felder dienen.

 

Als Ägypten und der Sudan noch unter gemeinsamer britischer Kolonialverwaltung standen, schlossen sie 1929 einen Vertrag, der dem Sudan das Recht auf jährlich vier Milliarden Kubikmeter und Ägypten das Recht auf 48 Milliarden Kubikmeter Nilwasser zuteilte. Ein Anschlussabkommen erhöhte 1959 die Quote für den Sudan auf 18,5 Milliarden Kubikmeter Wasser pro Jahr und für Ägypten auf 55,5 Milliarden Kubikmeter. Ägypten müsste jedoch weitere 22 Milliarden Kubikmeter abschöpfen können, um den stetig wachsenden Bedarf der Landwirtschaft und der immer größeren Zahl von Bürgern zu decken. Der Sudan fordert dagegen eine Korrektur der ungleichen Wasserverteilung zu seinen Gunsten.

Vom Jonglei-Kanal im Südsudan hatten sich in den 1980er Jahren die Regierungen beider Staaten eine Entspannung ihres jeweiligen Wassernotstands versprochen. Der 380 Kilometer lange Kanal sollte den Fluss Bahr El Jebel mit dem Weißen Nil verbinden und dabei ein riesiges Sumpfgebiet trockenlegen, den Sudd. Die Bauarbeiten liegen jedoch seit Wiederaufflammen des Krieges im Südsudan 1983 auf Eis. Die meisten Südsudanesen lehnen den Kanalbau ab, da die Trockenlegung des Sudd unabsehbare ökologische Folgen hätte und in erster -Linie dem Norden des Sudan zugute käme.

Der Völkermord im Südsudan wird durch den Kampf um die Wasserader Nil verlängert. Ägypten weigert sich beharrlich, den Südsudanesen ein Recht auf Selbstbestimmung einzuräumen. Zu groß ist in Kairo die Angst, ein autonomer Südsudan könnte noch mehr Nilwasser abzweigen, bevor der Fluss Ägypten erreicht. Ein durch Krieg zerrissener Sudan erscheint der ägyptischen Führung allemal sympathischer als ein gestärkter und befriedeter Nachbarstaat, der ein Ende der diskriminierenden Wasserverteilung durchsetzen könnte. So entwickelt Ägypten immer neue "Friedensinitiativen", deren Zweck vor allem darin besteht, Zeit zu gewinnen und den status quo im Südsudan aufrechtzuerhalten.

Der Streit um das Nil-Wasser wird inzwischen auch von europäischen Staaten immer ernster genommen. So lud das deutsche Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit die zuständigen Minister der Nil-Anrainerstaaten zu einem Besuch Deutschlands ein, um die grenzüberschreitende Zusammenarbeit am Rhein kennen zu lernen. Doch während man sich in Europa um den Aufbau von Vertrauen zwischen den Konfliktparteien bemüht, geht das Sterben im Südsudan weitgehend unbeachtet von der Weltöffentlichkeit weiter.