22.11.2006

1. Gewalt gegen indianische Frauen und Mädchen in Kanada beenden

Bitte senden Sie einen persönlich formulierten Brief oder unser Musterschreiben an Stephen Harper , Premierminister von Kanada

Seit 14 Jahren findet regelmäßig am Valentinstag in Vancouver ein Gedenkmarsch statt, der an die indianischen Frauen erinnert, die allein in dieser Pazifikstadt in Britisch Kolumbien in jünghster Vergangenheit umkamen. Mindestens 500 indianische Frauen und Mädchen sind in den vergangenen 20 Jahren in Kanada Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen oder ganz einfach "verschwunden". Bekannt werden ihre Fälle nur selten, zum Beispiel wenn ein Prozess wie zurzeit das Verfahren gegen den Massenmörder Robert (Willie) Pickton Schlagzeilen macht. Er steht wegen sechsfachen Frauenmordes derzeit in New Westminster B.C. vor Gericht. Eines seiner Opfer war vermutlich auch die junge Indianerin Sereena Abotsway, die am Gedenkmrach von 2000 noch selbst teilgenommen hatte. Im August 2001 verschwand sie spurlos. Vor dem Portland Hotel in der Hastings Street wurde sie zuletzt gesehen. Hier machte der Gedenkmarsch mit Elders, Sängern und Trommlern halt, um ihr Andenken und das der anderen Frauen zu ehren, ein Gebet zu sprechen und etwas Tabak mit einer gelben Rose niederzulegen. Phil Fontaine, als National Chief der Assembly of First Nations ranghöchster Repräsentant der kanadischen First Nations, bemängelte, dass die kanadischen Strafverfolgungsbehörden viel zu lange gezögert hätten, das Verschwinden indianischer Frauen in der Innenstadt von Vancouver ernst zu nehmen. "Sie wertschätzten das Leben unserer Schwestern nicht", sagte er.

In British Columbia ist die Gewalt gegen indianische Frauen besonders groß. So waren 16 von 60 vermissten Frauen, deren Fälle die Polizei von Vancouver 2004 in untersuchte, Indianerinnen. "Sie werden durch die nackte Armut auf die Straße getrieben, die für unser Volk schon soviel Schmerz und Leid verursacht hat", sagte Fontaine. Aber auch in den Randgebieten verschwinden immer wieder Frauen. In Prince George im Osten dieser Pazifikprovinz wurden 1994 die Leichen zweier 15 jähriger Indianerinnen gefunden, nur ein Jahr später in Smithers im Zentrum der Provinz eine weitere 15jährige. Doch erst als 2002 auch eine 26jährige nicht-indianische Tramperin an diesem "Highway of Tears" ermordet wurde, erwachte das Interesse der Medien. Neun Indianerinnen im Alter von 15-25 Jahren sind an dieser Straße seit 1989 vergewaltigt und ermordet worden. Anfang Februar 2006 entdeckte man auch die Leiche von Aielah Saric-Auger aus Prince George. Sie wurde nur 14 Jahre alt. Viele Fälle beruhen auf offenem Rassismus. 20 Jahre hat es gedauert, bis eine gerichtliche Untersuchung in Manitoba zu dem Ergebnis kam, dass auch Helen Betty Osborne, die am 12 November 1971 in The Pas, Manitoba, von vier weißen Männern entführt, missbraucht und brutal ermordet worden war, noch leben würde, wenn sie keine Indianerin gewesen wäre. Gute 30 Jahre nach ihrem gewaltsamen Tod traf ihre Familie ein weiterer Schicksalsschlag. Am 25. März 2003 kam ihre damals 16jährige Kusine Felicia Salomon in Winnipeg in Manitoba nicht von der Schule nach Hause. Obwohl ihre Eltern sie sofort als vermisst meldeten, begann die Polizei erst nach zwei Tagen mit der Suche. Im Juni wurden dann Körperteile gefunden, die als Teile ihres Leichnams identifiziert wurden. Ihr Mörder wurde bislang nicht gefasst.

Erst die "Sisters in Spirit"-Kampagne der Native Women’s Association of Canada (NWAC) hat die Öffentlichkeit in Kanada aufgerüttelt. Eine Regierungskommission bestätigte inzwischen die Vorwürfe zahlreicher Organisationen, die seit langem auf die Diskriminierungen gegen Indianer und insbesondere Indianerinnen hingewiesen hatten. Doch viel mehr als Lippenbekenntnisse hat die amtierende kanadische Regierung unter Premierminister Stephen Harper bislang nicht zu bieten.

Unterstützt wird die "Sisters in Spirit"-Kampagne der NWAC in Kanada von ai, in Europa u.a. von der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), der Aktionsgruppe Indianer und Menschenrechte (AGIM) und Menschenrechte 3000 in Deutschland, dem Arbeitskreis Indianer Nordamerikas (AKIN) in Österreich und Incomindios-Internationales Komitee für die Indianer Amerikas in der Schweiz. Aus Anlass des UN-Tages zur Beendigung der Gewalt gegen Frauen am 25. November rufen die genanten Organisationen zu Appellen an die kanadische Regierung auf. Auch Kanada muss die von 180 Staaten unterzeichnete UN-Konvention zur Abschaffung aller Formen der Diskriminierung gegen Frauen (1979) für alle Frauen ohne Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit endlich in die Tat umsetzen.

Deshalb haben wir uns dazu entschlossen, unsere Kampagne an Premier Stephen Harper fortzusetzen, bis die Regierung Kanadas einen deutlichen Richtungswechsel in ihrer Frauen- und Ureinwohnerpolitik erkennen lässt.

 

Schreiben Sie bitte an:

Stephen Harper

Prime Minister of Canada

80 Wellington Street

Ottawa K1A 0A2

Canada

Fax: 613-941-6900

pm@pm.gc.ca

 

Freie Übersetzungdes E-Mail-Textes:

Sehr geehrter Herr Premierminister

Beenden Sie bitte die Gewalt gegen indianische Frauen. Mindestens 500 indianische Frauen sind während der vergangenen 20 Jahre in Kanada verschwunden oder ermordet worden. Dies belegen die Berichte "Geraubte Schwestern – Eine Antwort der Menschenrechte auf Diskriminierung und Gewalt gegen indigene Frauen in Kanada" (2004) und "Gemeinsame Stimme für die Opfer, die zum Schweigen gebracht wurden" (2006). Bis heute werden den Ureinwohnern Kanadas ihre angestammten Rechte vorenthalten, sind sie Opfer von Diskriminierung geblieben. Indianische Frauen sind im besonderen Maße Diskriminierung, Rassismus, Sexismus und Gewalt ausgesetzt. Die Verantwortlichen in der Politik, dem Justizwesen und der Exekutive haben darin versagt, die Rechte und das Leben der indianischen Frauen in Kanada zu schützen. Deshalb schließe ich mich der Kampagne "Sisters in Spirit" (Schwestern im Geiste) der Native Women’s Association of Canada an und fordere Sie auf:

1. einen sofortigen und umfassenden Aktionsplan unter Einbeziehung der Indigenen,

2. eine grundlegende Verbesserung der Lebensbedingungen in den indigenen Gemeinschaften,

3. Einrichtung einer Sondereingreiftruppe zum Schutz indianischer Frauen und entsprechender Einrichtungen (z.B. Frauenhäuser),

4. Finanzmittel für indigene Organisationen zur weiteren Dokumentation der Vorfälle sowie

5. eine Strafverfolgung der Täter zu gewährleisten