18.12.2017

Antiziganismus-Beauftragten gefordert

Gedenktag für die Opfer des Völkermordes an Sinti und Roma - Diskriminierung und soziale Ausgrenzung stoppen! (Pressemitteilung)

Mehr als 70 Jahre nach dem nationalsozialistischen Völkermord an den Sinti und Roma leiden die rund zwölf Millionen Angehörige dieser Volksgruppen in vielen europäischen Ländern bis heute unter Antiziganismus, sozialer Ausgrenzung, rassistisch motivierter Gewalt, extremer Armut und struktureller Diskriminierung. Foto: Jens-Olaf Walter via Flickr

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) appelliert anlässlich des Gedenkens im Bundesrat an die rund 500.000 Opfer des Völkermordes an den Sinti und Roma an Innenminister Thomas de Maizière, sich auch für einen Antiziganismus-Beauftragten einzusetzen. „Mehr als 70 Jahre nach dem nationalsozialistischen Völkermord an den Sinti und Roma leiden die rund zwölf Millionen Angehörige dieser Volksgruppen in vielen europäischen Ländern bis heute unter Antiziganismus, sozialer Ausgrenzung, rassistisch motivierter Gewalt, extremer Armut und struktureller Diskriminierung. Um die größte europäische Minderheit in unserer Mitte davor zu schützen, müssen die Bundesregierung und die Regierungen der europäischen Länder endlich wirksame Maßnahmen ergreifen“, begründete die GfbV ihre Bitte. Auf Initiative des ehemaligen Bundesratspräsidenten Wedemeier wird seit 1994 in der jeweils letzten Plenarsitzung des Bundesrates im Dezember an den Völkermord an den Sinti und Roma gedacht. Anknüpfungspunkt für das Gedenken ist der 16. Dezember 1942, der Tag, an dem der "Reichsführer der SS" den so genannten Auschwitz-Erlass unterzeichnet hatte.

Es müsse selbstverständlich sein, dass deutsche und europäische Politik nach den unbeschreiblichen Schrecken der Vergangenheit viel entschiedener gegen Antiziganismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit vorgeht, betonte die GfbV-Südosteuropareferentin Jasna Causevic am Montag in Göttingen. Roma-feindlichen Denkmustern und Verhaltensweisen müsse in unserer Gesellschaft, aber auch in unseren Nachbarländern viel entschiedener entgegengetreten werden: „Das ist das Mindeste, was wird den Überlebenden und ihren Nachfahren schuldig sind.“

Das Schweigen Europas selbst zu so offenkundiger Ausgrenzung von Roma aus der Gesellschaft wie in Bosnien, sei unerträglich, kritisierte die GfbV. Dort können laut Verfassung weder Roma noch Juden bei Präsidentschaftswahlen kandidieren. Obwohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Bosnien aufgefordert hat, diese Diskriminierung umgehend zu beseitigen, sei nichts geschehen. Auch gerechte Forderungen von Roma im Kosovo werden nach GfbV-Angaben ignoriert – sogar von den Vereinten Nationen. So kämpfen Roma, die nach dem Kosovo-Konflikt 1999 von den UN in bleiverseuchten Flüchtlingslagern untergebracht waren und dadurch gravierende gesundheitliche Beeinträchtigungen erlitten haben, bis heute um Entschädigung.

Sowohl in Bosnien als auch im Kosovo seien Kriegsverbrechen an Roma nicht geahndet worden. Europaweit werde bei Verbrechen an Roma kaum ermittelt. „Besonders beim Zugang zu höherer Bildung, zum Arbeitsmarkt, dem Gesundheits-system sowie zu Wohnraum sind Roma im Vergleich zu anderen Bevölkerungs-gruppen stark benachteiligt“, berichtete die GfbV. Zehntausende Roma seien jährlich von Zwangsräumungen betroffen. Ihre Kinder würden häufig getrennt von anderen Kindern unterrichtet. Extreme Armut und Ausgrenzung führten außerdem dazu, dass Roma vielerorts in Europa von Staatenlosigkeit bedroht sind.

Header Foto: Jens-Olaf Walter via Flickr