20.06.2008

BAHÁ’Í IM IRAN: Strangulierung einer religiösen Gemeinschaft

Menschenrechtsreport Nr. 54: Bahá'í

Einleitung

Die Bahá’í-Religion (auch Bahá‘ísmus oder Bahá‘ítum genannt) hat weltweit rund 7,7 Mio. Anhänger. In ihrem Ursprungsland, der Islamischen Republik Iran, umfasst die Glaubensgemeinschaft mehr als 300.000 Angehörige. Die Bahá’í stellen dort die größte religiöse Minderheit und werden seit Anbeginn ihrer Geschichte Mitte des 19. Jahrhunderts verfolgt.

In den frühen Morgenstunden des 14. Mai 2008 wurden sechs Bahá’í im Iran festgenommen und in das im Norden Teherans liegende Evin-Gefängnis gebracht, das als Folterkammer für politische Häftlinge berüchtigt ist. Die sechs Bahá’í, deren Häuser stundenlang durchsucht wurden, sind Mitglieder der nationalen Koordinierungsgruppe, einer Art "Notverwaltung" der Bahá’í im Iran. Ihr Schicksal ist nur ein weiterer trauriger Höhepunkt der alltäglichen Diskriminierung und Verfolgung, denen Angehörige dieser Glaubensgemeinschaft dort ausgesetzt sind. Es erinnert auf tragische Weise auch an das Schicksal der Mitglieder ihres gewählten Nationalen Geistigen Rates. Sie waren Anfang der 80-er Jahre verschleppt oder hingerichtet worden. 1983 wurden ihre Gemeinde und die Ausübung ihres Glaubens schließlich verboten.

Im Gegensatz zu den Christen, Juden und Zarathustriern werden die Bahá’í in Artikel 13 der iranischen Verfassung nicht als schützenswerte religiöse Minderheit genannt, denn sie werden von den herrschenden Schiiten als "häretische" Gruppierung eingestuft. Die "Verfälschung" islamischer Lehren wird von iranischen Behörden als eine besondere Gefahr betrachtet, welcher es entgegenzutreten gilt.

Die Lage der Bahá’í hat sich in den vergangenen Jahren noch einmal deutlich verschlechtert. Insbesondere seit Machtantritt von Mahmud Ahmadinedschad, mit dessen Herrschaft eine besonders strenge Auslegung des schiitischen Islams einhergeht, sind Bahá’í verstärkt Diskriminierungen und Diffamierungen ausgesetzt.

Mit dem vorliegenden Bericht will die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) aufrütteln: Es besteht die Gefahr, dass die Anhänger der Bahá’í-Religion an den Rand der iranischen Gesellschaft gedrängt werden – ohne Bildungschancen, ohne sicheres Einkommen und ohne eigene Existenzgrundlage. Es gilt, der schleichenden Strangulierung dieser größten religiösen Minderheit des Landes Einhalt zu gebieten.

Dieser Bericht soll aufzeigen, wie gefährlich es ist, sich im Iran zur Religion der Bahá’í zu bekennen. Außerdem wird er zeigen, dass das Vorgehen gegen die Bahá’í ein systematischer Prozess ist, den der Staat aus religiösen Gründen vorantreibt. Im völkerrechtlichen Sinne sind die staatlichen Organe die Garanten der Menschenrechte, im Iran zeigen sie sich als Bedrohung derselben.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker fordert alle politischen Gremien der deutschen, der europäischen und der internationalen Politik dazu auf, alles ihnen Mögliche zu unternehmen, um die Menschenrechtslage der Bahá’í im Iran zu verbessern.


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