17.03.2010

Bericht zum Besuch von Henry Red Cloud in Göttingen

Der Bison kehrt zurück

Henry Red Cloud, Oglala-Lakota aus dem Pine Ridge Reservat in Süd Dakota

Göttingen / Victor-Gollanzc-Haus

Einst soll man vor lauter Bisons den Boden der Prärie im "Wilden Westen" Nordamerikas nicht mehr gesehen haben. Die Lakota lebten von ihrem Fleisch, nutzten Fell, Häute, Knochen und Sehnen für Kleidung, für ihre Tipis und die Herstellung von Werkzeugen. Im Zuge der Kolonisierung des Amerikanischen Westens wurde der Bison im 19. Jahrhundert dann nahezu ausgerottet. Aber seit einigen Jahren kehren mehr und mehr Lakota zur Bisonzucht zurück.

Gemeinsam mit der im US-Bundesstaat Colorado ansässigen NGO Village Earth war Henry Red Cloud, Oglala-Lakota aus dem Pine Ridge Reservat in Süd Dakota, als Gast der Gesellschaft für bedrohte Völker am 10. und 11. März in Göttingen. Im voll besetzten Saal des Victor-Gollancz-Hauses in der Geistraße 7 berichtete er vor rund 90 Gästen über die aktuelle Situation der Oglala Lakota und über die Geschichte dieses früher nomadischen Volkes, das einst die Weiten der Prärie vom kanadischen Norden bis weit in die heutigen USA hinein durchstreifte. Durch die Indianerkriege des 19. Jahrhunderts wurden die Lakota in Reservate gezwungen, die ihnen dann durch Gesetze wie den General Allotment Act oder den Dawes Act streitig gemacht wurden.

Henry Red Cloud in Göttingen

Zur Einstimung in den Abend am 10. März zeigte der Filmemacher Ralf Kracke-Berndorff von Village Earth seinen neuesten Dokumentarfilm "Indian Country" zur Situation in Pine Ridge. Heute werden mehr als 60 Prozent des in Lakota Besitz befindlichen Landes über das BIA (staatliches Büro für Indianerangelegenheiten) zu Spottpreisen an weiße Rancher verpachtet, während über 70 Prozent der Lakota unterhalb der Armutsgrenze leben. David Bartecchi, Direktor von Village Earth, berichtete über die Arbeitsweise dieser Organisation, die direkt in den indigenen Gemeinden ihre Kooperationspartner sucht und sie darin unterstützt, zu lebensfähigen Mikrokosmen, umgeben von einer oft missgünstigen Mehrheitsgesellschaft, zu werden. Mit mehreren Projekten, darunter auch Zucht und Vermarktung des Bisons, unterstützt Village Earth diejenigen Lakota, die sich eine neue Existenz unabhängig von den Sozialhilfegeldern der Regierung aufbauen wollen. Inzwischen gibt es eine Kooperative der Lakota-Bisonzüchter, der auch Henry Red Cloud mit seiner Tiyospaye (Großfamilie, Clan) angehört. Auch ein Projekt, mit kleinen Solaranlagen Lakota-Familien in der Energieversorgung unabhängig zu machen, führen Henry Red Cloud und Village Earth gemeinsam durch. Projekte hat Village Earth u.a. bei den Lakota in den USA, den Shipibo in Peru und den Maya in Guatemala. Nach dem Vortrag nahm Henry Red Cloud die Besucher durch Trommelschläge und Gesang mit in die Welt der Oglala-Lakota und schuf damit eine ganz eigene Atmosphäre, die alle in ihren Bann schlug. Auch für die Beantwortung zahlreicher Fragen nahm er sich Zeit, so dass der spannende und lehrreiche Abend erst um 23.00 Uhr zu Ende ging.

Gut gefüllt war einen Tag darauf, am 11. März, auch die Aula des Felix-Klein-Gymnasiums in Göttingen. Die Schülerinnen und Schüler der Englischkurse der 8. Jahrgangsstufe konnten nicht nur ihr Indianerbild zurechtrücken sondern auch ihre Englischkenntnisse erproben, denn Dolmetscher Ralf Kracke-Berndorff hatte frei. Konzentriert blieben alle am Ball, lauschten dem Film und den Vorträgen von David Bartecchi und Henry Red Cloud, und beteiligten sich anschließend rege am Frage-und-Antwort-Spiel. Jetzt warten Henry und seine Tiyospaye (Großfamilie, Clan) gespannt darauf, ob vielleicht bald ein kleiner Bison namens Felix als Patenkind der Schule in Pine Ridge, South Dakota, herumstreifen wird.

Mit großem Interesse nahmen Henry Red Cloud und seine beiden Begleiter von Village Earth auch die Gelegenheit war, sich bei einer Führung die Arbeitsmethode des bundesweit ersten Bioenergiedorfes Jühnde bei Göttingen erklären zu lassen. Henry arbeitet selbst bereits mit Solartechnologie und ist sehr interessiert daran, auch andere Wege zu nachhaltiger Energieproduktion kennen zu lernen und ihre Anwendbarkeit auf die Bedingungen von Lakota-Großfamilien zu prüfen.

Hintergrund

Die Pine Ridge Reservation in Süd Dakota erstreckt sich über ein Gebiet von ca. 11.000 Quadratkilometer und ist die Heimat für ca 28.000 Oglala Lakota. Sie zählt zu den ärmsten Gebieten in den USA. Die Lakota besitzen zwar Land, können es aber wegen ihrer finanziellen Notlage in den meisten Fällen nicht selbst nutzen. In diesen Fällen wird das Land durch das BIA (Büro für Indianerangelegenheiten) an weiße Farmer verpachtet.

Village Earth arbeitet mit verschiedenen Tiyospayes (Großfamilie, Clan) daran, ihren Landbesitz aus den Verträgen mit den weißen Pächtern zu lösen, damit sie ihr Land selbst nutzen können. Insgesamt hat Village Earth bis heute über 81 Bisons auf der Pine Ridge Reservation angesiedelt und den Familien übergeben. Durch deren Nachkommen hat sich die Zahl der gespendeten Bisons längst vervielfacht. Die Büffelzüchter haben inzwischen auch eine Kooperative gegründet, über deren Arbeit man sich im Internet informieren kann. Die Projektideen der Familien, die zurzeit dabei sind, ihr Land aus der BIA-Pacht zu lösen, reichen von weiteren Bisonzuchten über Gartenbau bis hin zu Pensionen für Ökotourismus.

Weitere Infos können abgerufen werden bei:

www.lakotabuffalocaretakers.org oder www.villageearth.org oder Henry Red Clouds German Website oder www.gfbv.de

Über Post freuen sich Yvonne Bangert, Referentin für indigene Völker der GfbV, indigene@gfbv.de und Conny Bauer, die ehrenamtlich die Projekte von Henry Red Cloud und Village Earth in Deutschland vertritt cornelia@villageearth.org oder matra47@freenet.de.

Kontaktseite des Felix-Klein-Gymnasiums in Göttingen www.fkg.goe.ni.schule.de

Kontaktseite des Bioenergiedorfes Jühnde www.bioenergiedorf.de