31.05.2016
Bundestag wird Resolution zum Völkermord an Armenier und anderen christlichen Minderheiten verabschieden
Stellungnahme der Gesellschaft für bedrohte Völker zur Resolution
An die Mitglieder des Deutschen Bundestags
Göttingen/Berlin, den 30.05. 2016
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
die Gesellschaft für bedrohte Völker begrüßt die am Donnerstag stattfindende Debatte im Bundestag und die Resolution „Erinnerung und Gedenken an den Völkermord an den Armeniern und anderen christlichen Minderheiten in den Jahren 1915 und 1916“ (Drucksache 18/[…]), die anschließend verabschiedet werden soll. Allerdings ist nach unserer Meinung die Resolution nicht vollständig. Für unsere internationale Menschenrechtsorganisation für ethnische, religiöse und sprachliche Minderheiten weise ich darauf hin, dass
1. die Opfergruppe der Griechen (Trakische Griechen [ab 1912], Pontos-Griechen [1916/17] und Ägäis-Griechen [1919-22]) unbedingt erwähnt werden sollte.
2. das Wort „Vertreibung“ zwar 14 Mal im Text steht, die Bezeichnung „Vertreibung“ jedoch kein Synonym für die „Deportationen“ und/oder die „Todesmärsche“ ist, die stattgefunden haben. Selbst die offizielle Türkei spricht seit den 1980er Jahren von „Deportationen“.
3. zwar immer wieder auf die Notwendigkeit einer Versöhnung zwischen Türken und Armeniern hingewiesen wird. Doch es muss auch auf eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Türken auf der einen Seite und den Aramäern/Assyrern/Chaldäern und Griechen auf der anderen Seite hingewirkt werden.
Zu dieser Versöhnung muss auch gehören, dass
- die Nachkommen der Opfer, die als „versteckte Christen“ eine Existenz der Leugnung der eigenen Identität fristen, ihre Identität wieder annehmen und offen leben dürfen.
- die Gerechten, die Christen gerettet haben, geehrt werden.
Da der Völkermord an den Armeniern und anderen christlichen Minderheiten strafrechtlich folgenlos blieb, nahm die türkische Regierung die nächsten Minderheiten ins Visier. Bis heute werden Kurden, Aleviten, Yeziden und Assyrer/Aramäer in der Türkei aufgrund der Zugehörigkeit zu ihrer Volksgruppe bzw. ihrer Religionsgemeinschaft diskriminiert, schikaniert und haben kein Anrecht auf Gleichbehandlung.
Mit freundlichen Grüßen
Tilman Zülch, GfbV-Generalsekretär