14.04.2020

Corona-Amnestie in der Türkei

Dissidenten bleiben in Gefahr (Pressemitteilung)

Das türkische Parlament hat am gestrigen Montag ein Gesetz verabschiedet, das die Entlassung zehntausender Häftlinge erlaubt. Damit soll die Gefahr einer Massenhaften Verbreitung des Coronavirus in den überfüllten und unhygienischen Haftanstalten des Landes gemindert werden. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) kritisiert, dass politische Gefangene, die nach den sogenannten „Anti-Terror-Gesetzen“ inhaftiert wurden, weitgehend davon ausgeschlossen sind. GfbV-Quellen zufolge sollen allein gestern drei Häftlinge an Covid-19 gestorben sein, etwa 70 Angehörige des Sicherheitspersonals seien positiv auf das Virus getestet worden.

„Erdogan lässt lieber Kriminelle frei herumlaufen, als politisch Andersdenkende“, kritisiert der GfbV-Nahostexperte Dr. Kamal Sido. „Statt die Amnestie als Signal der Versöhnung und Solidarität unter allen Volksgruppen zu nutzen, entlässt er politische Verbündete. Die willkürlich Inhaftierten bleiben weiter in Haft und in Gefahr.“ Von den „Anti-Terror-Gesetzen“ sei vor allem die kurdische Volksgruppe überproportional betroffen. 

Bereits am 6. April hatten die GfbV und die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte einen Appell an den türkischen Präsidenten, die Regierung sowie an alle Mitglieder der Großen Nationalversammlung gerichtet. Darin ersuchten die Menschenrechtsorganisationen sowie zahlreiche weitere Unterzeichnende, alle politischen Gefangenen und Untersuchungshäftlinge zu entlassen.

Nach dem Putschversuch im Juli 2016 hatte Erdogan tausende Menschen verhaften lassen, denen eine Nähe zur Gülen-Bewegung unterstellt wird, die er für den Putschversuch verantwortlich macht. Seitdem werden in der Türkei immer wieder Menschen verhaftet, die sich für Menschen- und Minderheitenrechte einsetzen oder die Regierung kritisieren.