15.06.2020

Covid-19 greift aus Brasilien über

Indigene Völker in Französisch-Guayana besonders bedroht (Pressemitteilung)

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) warnt vor einer schnellen Ausbreitung der Covid-19-Pandemie von Brasilien ins benachbarte Französisch-Guayana. Besonders die 9.000 Angehörigen indigener Völker, die in den Regenwäldern nahe der brasilianischen Grenze lebten, seien von dem Virus bedroht. Es seien bereits mehrere Dutzend Infektionen bei Indigenen in dem französischen Überseegebiet festgestellt worden, erklärte die Menschenrechtsorganisation. Das Virus werde vor allem durch illegale brasilianische Goldgräber eingeschleppt. Offiziell sei die Grenze zu Brasilien schon seit dem 19. März 2020 geschlossen. „Die indigenen Wayana, Palikour, Lokono und Kalini’nia sind besonders bedroht, da ihre Dörfer abgelegen sind und medizinisches Personal sie oft nur mit Pirogen erreichen kann. Viele leiden unter Diabetes und sind daher sehr gefährdet“, berichtete GfbV-Direktor Ulrich Delius. Zahlreiche indigene Gemeinschaften hätten sich inzwischen in die Selbstisolation zurückgezogen, um sich zu schützen.

Am vergangenen Wochenende kam das öffentliche Leben in Französisch-Guayana weitgehend zum Stillstand, weil aufgrund von Corona in 16 der 22 Gemeinden ein striktes Ausgangsverbot galt. Damit reagierten die Behörden auf stark gestiegene Infektionszahlen im eigenen Gebiet und in den brasilianischen Nachbarprovinzen Amapá und Pará. Dort sind bereits 57 Indigene an dem Virus gestorben. In Französisch-Guyana wurden gestern 94 neue Infektionen festgestellt. Bislang waren 1.255 Menschen infiziert und drei Personen sind an dem Virus gestorben.

 „Doch nun geht die Angst vor einer schnellen Ausbreitung des Virus um“, so Delius. „Der Verdacht richtet sich dabei oft gegen Indigene wegen ihrer Kontakte zu illegal in dem Gebiet lebenden Menschen aus Brasilien und ihrer gemeinschaftsbezogenen Lebensform.“ Der traditionelle Rat der indigenen Völker Französisch-Guayanas beschwerte sich in einem im April veröffentlichten Appell über pauschale Verdächtigungen und Vorverurteilungen von Indigenen, das Virus einzuschleppen oder zu verbreiten. Eine regelrechte Menschenjagd habe stattgefunden, ganze Familien seien kriminalisiert worden und Indigenen sei Hass und Ablehnung entgegengeschlagen, kritisierte der Rat. Nachdrücklich erinnerte der Rat der Indigenen an die Traumatisierung der traditionellen Bevölkerung der Wälder durch das Einschleppen von Krankheiten seit Beginn der Kolonialzeit. 

Inzwischen wurde die Verteilung von Schutzmasken in indigenen Dörfern verstärkt. „Doch noch immer ist die medizinische Versorgung vieler indigener Siedlungen desolat“, warnt Delius. Rund 290.000 Menschen leben in dem französischen Überseedepartement von der Größe Bayerns und Schleswig-Holsteins.