30.04.2005

Die Vereinigung von Tageszeitungen (Midas) als gesamteuropäisches Netzwerk von Printmedien der Minderheiten

Weg von der Nabelschau

Vertreter von Tageszeitungen in Minderheiten- und Regionalsprachen haben am 28. Juli 2001 die Vereinigung Midas (Minority Dailies Association) gegründet. Anfang Juni fand die erste Hauptversammlung bei der ungarischen Tageszeitung Új Szó in Pressburg (Slowakei) statt. Günther Rautz, Koordinator des Forschungsbereichs "Minderheiten und Autonomien" an der Europäische Akademie in Bozen (Südtirol-Italien) sprach mit Edita Slezaková vom Midas-Verwaltungsrat.

bedrohte Völker: Welche sind Sie die wichtigsten Aufgaben der Midas?

Edita Slezáková: Die rund 40 Minderheitentageszeitungen, mit denen wir in den letzten Jahren zur Gründung des Vereins zusammen gearbeitet haben, hatten zuvor kaum Kontakt untereinander. Es gab also wenig Informations- und Erfahrungsaustausch über die jeweilige staatliche Minderheitenpolitik, die Lage der Minderheiten selbst, Auflagenstärke unserer Blätter, Druck- und Vertriebsmöglichkeiten, Subventionen oder Vermarktung.

Die Verleger oder Chefredakteure von Minderheitentageszeitungen wollen durch Midas enger kooperieren und das Weiterbestehen oder die Gründung neuer Tageszeitungen ermöglichen. Der Austausch von Zeitungsartikeln und aktuelle Informationen aus Minderheitengebieten sollen europaweit auch die Mehrheitspresse motivieren, über uns zu berichten. Durch Zeitungspraktika sollen Journalisten der Minderheiten- und der Mehrheitspresse Einblick in die redaktionelle Arbeit und die technischen Abläufe bekommen, aber auch das Zusammenleben in mehrsprachigen Gebieten hautnah erleben. So können wir die Mehrheitsbevölkerung erreichen und diese für Minderheitenfragen sensibilisieren. Zusammenarbeit im Anzeigenbereich und gemeinsame Vermarktung der Minderheitengebiete, z.B. im Tourismus, sollen darüber hinaus die oft finanziell schwierige Lage kleiner Zeitungen entspannen.

bedrohte Völker: Welche waren die ersten konkreten Schritte der Vereinigung?

Slezáková: In einem laufenden Projekt wird die Nutzung neuer Medien für Minderheitentageszeitungen geprüft. Im Rahmen des EU-Programmes eContent arbeiten bereits die slowenische Tageszeitung Primorski, einige katalanische und schwedischsprachige Zeitungen in Kooperation mit der Uni Palma an einer Studie. Automatische übersetzung von Minderheitentageszeitungen oder mögliche Kostenminimierung durch Ferndruck stehen dabei im Mittelpunkt. Gerade für kleine Zeitungen in einem großen dünn besiedelten Gebiet sind die Vertriebskosten extrem hoch. Durch den so genannten Ferndruck entfällt die Zustellung der Zeitungen. Im Extremfall druckt der Zeitungshändler die Zeitung auf Wunsch des Kunden im Geschäft oder sogar der Leser selbst von zu Hause aus.

Eine gemeinsame Midas-homepage ist im Entstehen, auf der die einzelnen Minderheitenzeitungen sich einem möglichst breiten europäischen Publikum präsentieren können. Themen, über die unsere Zeitungen schreiben, erreichen durch unser gemeinsames Auftreten eine größere Leserschaft. Schon in der Gründungsphase unserer Vereinigung war das Medieninteresse enorm und erreichte eine breite öffentlichkeit.

bedrohte Völker: Wie ist die Situation von Minderheitenzeitungen in der Slowakei?

Edita Slezáková: In der Slowakei leben mehrere nationale Minderheiten, die größte davon sind die Ungarn. Alle Minderheiten haben Monats- oder Wochenschriften, meist mit sehr niedriger Auflage. Nur die ungarische Minderheit hat eine Tageszeitung Új Szó und mehrere Wochen- und Monatszeitungen. Die Herausgabe einer Zeitung ist zunächst eine wirtschaftliche Frage in der Slowakei. Die niedrige Auflage macht es schwierig, inhaltlich mit Zeitungen der Mehrheitspresse zu konkurrieren. Von staatlicher Seite bekommen wir eine finanzielle Unterstützung für kulturelle Aktivitäten, wozu auch die Förderung der Minderheitenpresse gehört. Diese Unterstützung hilft unserer Zeitungen zu überleben, ist aber keine Garantie für die Zukunft.

bedrohte Völker: Mit welchen besonderen Problemen ist Ihre Zeitung Új Szó, als ungarische Tageszeitung in der Slowakei konfrontiert?

Edita Slezáková: Die Minderheitspresse kämpft vor allem mit finanziellen Sorgen. Unsere Tageszeitung ist da keine Ausnahme trotz einer relativ hohen Auflage. Neben den finanziellen Sorgen gibt es noch das Problem der Journalistenausbildung. Als Lösung denken wir an einen Journalistenlehrgang mit Vortragenden aus Ungarn oder an Kurse auf ungarischen Universitäten. Allerdings konnten wir unsere Ideen auf Grund massiven Geldmangels bisher nicht umsetzen. In der Slowakei herrscht eine Arbeitslosigkeit von mehr als 20 %, im ungarischen Gebiet sogar über 30 %. Dies hemmt auch unseren Zeitungsvertrieb und wichtige Werbeeinnahmen aus der Wirtschaft. In den vergangenen Jahren konnten wir jedoch, die Auflage von Új Szó wieder erhöhen. Die ungarische Minderheit in der Slowakei bildet eine feste, zusammenhaltende, Gruppe und pflegt ihre Kultur, Sprache und Tradition, was sich auch auf unsere Zeitung positiv auswirkt.

bedrohte Völker: Was sind, was waren Ihre persönlichen Erwartungen von der Midas-Hauptversammlung?

Edita Slezáková: Die Mitglieder der Vereinigung sind derzeit hauptsächlich Zeitungen aus den EU-Staaten, aber schon für dieses Jahr planen wir "unsere Osterweiterung". Midas ist auf großes Echo bei Minderheitentageszeitungen aus Mittel- und Osteuropa gestoßen. Die diesjährige Generalversammlung (6.-8. Juni) fand deshalb auch in Pressburg statt, damit neue Zeitungen Midas und unsere Ziele kennen lernen können.

Für den Beitritt der Slowakei zur Europäischen Union muss die Slowakei noch große Anstrengungen unternehmen. Aus diesem Grund und wegen der bevorstehenden Parlamentswahlen in unserem Land ist dieses Treffen zwischen Minderheitentageszeitungen aus West- und Mittelosteuropa ein wichtiges Zeichen für die demokratische Entwicklung in der Slowakei. Das gemeinsame Auftreten der Europäischen Minderheitentageszeitungen in Pressburg wird außerdem auch die Position der Minderheitenpresse sowohl auf dem slowakischen Markt als auch gegenüber unseren Politikern stärken.

Weitere Informationen:

Günther Rautz, Koordinator des Forschungsbereichs "Minderheiten & Autonomien" an der Europäischen Akademie Bozen (Drususallee 1 – I 39100 Bozen/Südtirol-Italien); Tel. +39 0471 055210; Fax: +39 0471 055099; E-Mail: guenther.rautz@eurac.edu