25.05.2012

Ein fröhlicher Auftritt der Udmurtinnen in Baku sollte nicht über schwierige Lage dieser indigenen Gemeinschaft in Russland hinwegtäuschen

Buranowskije Babuschki im Finale des Eurovision Song Contest

Ein fröhlicher Auftritt der Buranowskije Babuschki im Finale des Eurovision Song Contest in Baku sollte nicht über die schwierige Lage der indigenen Gemeinschaft der Udmurten in Russland hinwegtäuschen. Darauf weist die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hin. Die sechs Udmurtinnen in ihrer farbenfrohen Kleidung begeistern Fans zwar mit eingängigen Melodien in udmurtischer Sprache. „Doch der Alltag in Urdmutien ist alles andere als rosig“, sagt die GfbV-Referentin für die GUS-Staaten, Sarah Reinke. „Der große Erfolg der Babuschkis ist jedoch auch eine Chance für alle indigenen Gruppen in Russland. Sie sollten nicht nur als folkloristisches Beiwerk eines multiethnischen Staates angesehen werden, sondern als Gemeinschaften, die in der Mehrheitsgesellschaft gleichberechtigt und selbstbestimmt leben dürfen.“

Die Udmurten sind ein finnougrisches Volk und leben vorwiegend in der Republik Udmurtien westlich des Urals, berichtet Reinke. Mit 410.000 Personen stellen sie 29,3 Prozent der 1,57 Millionen Einwohner, die Bevölkerungsmehrheit sind Russen. Ihre Situation ist schwierig. Männer haben eine Lebenserwartung von nur 62 Jahren. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die Region seit Ende der Achtzigerjahre eine der höchsten Selbstmordraten weltweit; sie ist dreimal höher als der russische Durchschnitt.

Die meisten Suizide in Udmurtien werden nach Angaben der GfbV von Männern in ländlichen Gebieten verübt – doppelt so viele wie in den Städten. Die meisten Verzweifelten erhängen sich. Alkoholismus und eine außerordentliche seelische Verwundbarkeit sind Faktoren, die zu der hohen Selbstmordrate unter Udmurten beitragen. Viele von ihnen konnten Perspektivlosigkeit, Entwurzelung und Orientierungslosigkeit in einer sich immer schneller verändernden Umwelt nicht mehr ertragen.

Udmurtisch gehört zum permischen Zweig der finnougrischen Sprachen der uralischen Sprachfamilie. Offiziell ist Udmurtisch zwar als Staatsprache neben Russisch anerkannt, wird aber im öffentlichen Leben kaum verwendet. Im Alltag kommt man ohne Russischkenntnisse praktisch nicht aus. Besonders bei der Stadtbevölkerung findet nach wie vor eine starke Russifizierung statt. War in den 1920-er und 1930-er Jahren eine offiziell anerkannte Schriftsprache der Udmurten entstanden und gab es udmurtischen Schulunterricht, ist diese Sprache heute an den Schulen kaum noch vertreten. Sie wird als Unterrichtssprache nur in den untersten Klassen und in Dorfschulen verwendet. Zurzeit lernt weniger als ein Drittel der udmurtischen Kinder die eigene Sprache in der Schule. Initiativen, Udmurtisch in einer weiterführenden Schule in der Hauptstadt Ischewsk zu unterrichten, scheiterten 2005. Auch wenn man an der udmurtischen Staatsuniversität in Ischewsk ein Studium der udmurtischen Sprache, Kultur und Literatur absolvieren kann, stufte die UNESCO 2009 Udmurtisch als gefährdet (definitely endangered) ein.