23.05.2014

Erdogans Auftritt in Köln ist „unverhohlener Wahlkampf eines nationalistischen Taktierers“

Türkischer Ministerpräsident in Deutschland erwartet (24. Mai 2014)

Den geplanten Besuch des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan am 24. Mai 2014 in Köln hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) in Göttingen als „unverhohlenen Wahlkampfauftritt eines eiskalten nationalistischen Taktierers“ bezeichnet. „Wer seine eigene Gesellschaft spaltet und dort Hetze gegen Kurden, Armenier, Griechen, Alewiten, Christen, Yeziden, aber auch gemäßigte Muslime betreibt und darüber hinaus Islamisten aus der ganzen Welt nach Syrien passieren lässt, darf in Deutschland nicht ohne Weiteres für seine Politik werben“, kritisierte die Menschenrechtsorganisation am Freitag.

„Erdogan unterdrückt und schikaniert nicht nur ethnische und religiöse Minderheiten in der Türkei, die in seinem nationalen „Projekt“ keinen Platz haben. Er deckt dort auch die massive Korruption und setzt sich bedenkenlos über Demokratie, Pressefreiheit und Rechtsstaatlichkeit hinweg“, sagte der GfbV-Generalsekretär Tilman Zülch. „Der türkische Ministerpräsident hält es offenbar nicht für nötig, sich den Angehörigen der 301 Opfer des Grubenunglücks von Soma zu stellen, sondern begibt sich bedenkenlos auf Promotionstour nach Deutschland. Seine politische Mission ist klar: Erdogan will hier seine Anhänger für die Präsidentenwahl in der Türkei Anfang August mobilisieren.“

Auch das Verhalten türkischer Sicherheitskräfte an der Grenze zu Syrien gibt nach Auffassung der GfbV Anlass, die Politik Erdogans scharf zu kritisieren. Entgegen anderslautender Nachrichten hat die türkische Regierung nach Recherchen der Menschenrechtsorganisation in den vergangenen Monaten humanitäre Hilfslieferungen in die drei weitgehend autonomen kurdischen Kantone im Norden Syriens verhindert. Dort haben auch viele christliche Flüchtlinge Schutz gesucht. Waffenlieferungen an islamistische Fanatiker in Syrien lässt die Türkei jedoch passieren. Darüber hinaus will Ankara eine 300 Kilometer lange Mauer entlang der Grenze errichten, um sich später dann vom Nachbarland abzuschotten.

Bei den Präsidentenwahlen in der Türkei können am 10. August erstmals auch im Ausland lebende türkischstämmige Wähler ihre Stimme abgeben. In Deutschland gibt es rund 1,5 Millionen von ihnen. Schon 2008 hatte Erdogan seine Landsleute davor gewarnt, sich anzupassen, und erklärt: „Assimilierung ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.“ Zwei Jahre später hatte er Gymnasien für türkische Einwanderer in Deutschland gefordert. Für die 15 Millionen alteingesessenen kurdischen Bürger in der Türkei jedoch ließ er keine einzige Schule in deren Muttersprache zu.


Dr. Kamal Sido, der Nahostreferent der Gesellschaft für bedrohte Völker, ist erreichbar unter Tel. 0551 499 06 18 oder nahost@gfbv.de.