08.09.2016

Eritreas Chefideologe soll nicht in Deutschland für ein Unrechtsregime werben

Umstrittener Besuch einer Regierungsdelegation aus Eritrea (Pressemitteilung)

Nach Recherchen der Vereinten Nationen und von Menschenrechtsorganisationen ist der „Nationaldienst“, den alle Bürgerinnen und Bürger ableisten müssen, einer der bedeutendsten Fluchtgründe von Eritreern (Foto: Andrea Moroni via Flickr)

Angesichts anhaltender schwerer Menschenrechtsverletzungen in Eritrea hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) Kritik am Deutschland-Besuch einer eritreischen Regierungsdelegation geübt. Der Reisegruppe gehört mit dem Präsidentenberater Yemane Gebreab auch der zweitmächtigste Politiker des diktatorisch geführten Staates an. „Mit einem Kuschelkurs gegenüber Diktatoren und Werbung für Investitionen der deutschen Wirtschaft, bekämpft man nicht wirksam Fluchtursachen in Eritrea. Denn wenn heute Eritreer massenhaft aus ihrer Heimat fliehen, dann sind es vor allem Rechtlosigkeit und Willkür, die sie in Europa Schutz suchen lassen“, erklärte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius am Donnerstag in Göttingen. „Gebreab rechtfertigt den absoluten Machtanspruch der von ihm seit langem geführten Einheitspartei und verkörpert das Verfolgungs- und Bespitzelungssystem in Eritrea wie kaum ein anderer. Ein Dialog über Menschenrechtsfragen dürfte mit ihm schwierig und kaum zielführend sein.“

Eritreas Chefideologe wird bei seinem Deutschland-Besuch von zwei Ministern begleitet. Er will bei einem Wirtschaftsforum um Investitionen deutscher Firmen werben, Gespräche mit Politikern führen und sich vor einem ausgewählten Publikum einer Podiumsdiskussion stellen. Die Reise geht auf den Besuch des Entwicklungshilfeministers Gerd Müller in Eritrea im Dezember 2015 zurück.

Gebreab hatte im August 2016 den von den Vereinten Nationen geäußerten Verdacht, in seinem Land würden Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen, als „lachhaft“ bezeichnet. Regelmäßig rechtfertigt er den unbegrenzten „Nationaldienst“, den alle Bürgerinnen und Bürger ableisten müssen, als bedeutend für den Schutz der Grenzen und die Einheit der Gesellschaft. Nach Recherchen der Vereinten Nationen und von Menschenrechtsorganisationen ist der „Nationaldienst“ einer der bedeutendsten Fluchtgründe von Eritreern. In einem Interview mit den „Westfälischen Nachrichten“ bezeichnete er sein Land im August 2015 als „friedlich, stabil und sicher“. „Es mag vor lauter staatlicher Verfolgung und Bespitzelung Friedhofsruhe in Eritrea herrschen, die jedoch nicht mit Friedlichkeit und Stabilität verwechselt werden sollte“, erklärte Delius.

Die deutschen Gesprächspartner sollten darauf dringen, dass endlich die Verfassung Eritreas offiziell in Kraft tritt sowie Presse-, Meinungs-, Glaubensfreiheit respektiert werden. Wenn Deutschland Fluchtursachen wirksam bekämpfen will, dann sollte es seine ausgezeichneten Beziehungen zu Äthiopien nutzen, um das angespannte Verhältnis zwischen Eritrea und Äthiopien zu verbessern. Dann könnte auch der „Nationaldienst“ begrenzt werden, da nicht mehr die Gefahr einer Invasion aus Äthiopien bestünde, und viele minderjährige Eritreer müssten nicht mehr vor einer Rekrutierung für diesen Dienst fliehen.

Header Foto: Andrea Moroni via Flickr