30.11.2020

Erneute Debatte um Abschiebungen in türkisch besetzte Regionen Syriens

Weitere Hilfen würden Erdogan und Islamisten stärken (Pressemitteilung)

Vor dem Hintergrund der erneuten Debatte über eine mögliche Abschiebung von Straftätern in die türkisch besetzten Gebiete ihres Geburtslandes Syrien warnt die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) vor weiteren Hilfen für den türkischen Machthaber Recep Tayyip Erdogan. „Für die Aufnahme der Abgeschobenen wird Erdogan weitere finanzielle und militärische Hilfen verlangen. Das würde seinen völkerrechtswidrigen Krieg unterstützen und ihm ein weiteres Druckmittel in die Hand geben, um Deutschland und die EU zu erpressen“, erklärt GfbV-Nahostexperte Dr. Kamal Sido. „Zudem würden die abgeschobenen Straftäter wahrscheinlich in islamistische Milizen aufgenommen. Diese sind seit Jahren zentraler Bestandteil der Vertreibungskampagne, mit der Erdogan die Region zu islamisieren und türkisieren versucht.“ Die Bundesregierung solle gemeinsam mit der internationalen Gemeinschaft nach einer umfassenden politischen Lösung suchen. Millionen von Syrern litten seit Jahren unter Diktatur, Krieg, Flucht, Vertreibung und Willkür der Warlords. „In dieser Situation darf die Bundesregierung die verantwortungslose Politik Erdogans nicht noch weiter unterstützen. Denn damit stärkt sie den syrischen Islamisten den Rücken und spielt dem Diktator Assad in die Hände.“ Das syrische Regime kooperiere indirekt über Putin und das Mullah-Regime im Iran mit Erdogan und der protürkischen islamistischen Opposition im Land.

Bundesinnenminister Horst Seehofer will statt des generellen Syrien-Abschiebestopps künftig eine Einzelfallprüfung für Straftäter und Gefährder durchsetzen. Einige Innenminister der Länder unterstützen seinen Vorschlag. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union, Thorsten Frei, rief Außenminister Heiko Maas auf, „baldmöglichst ein ausführliches und differenziertes Lagebild über Syrien zu erstellen“ und eine Abschiebung von Straftätern „in die von der Türkei kontrollierte Zone in Nordsyrien“ zu ermöglichen. „Dort werden sie sich schnell bewaffneten Gruppen anschließen, die in Nordsyrien systematisch und massenweise schwere Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen begehen“, entgegnet Sido. „Damit würde die Bundesregierung genau die Lage verschärfen, unter der die Menschen seit Jahren leiden und die sie erst zur Flucht getrieben hat.“

Während die deutsche Bundesregierung über Hilfsorganisationen jährlich Millionen Euro in die von der Türkei besetzten Gebiete im Nordwesten Syriens investiere, blockiere sie aus Rücksicht auf Erdogan alle politischen, diplomatischen und wirtschaftlichen Hilfen für Gebiete, die von der kurdischen Minderheit und ihren arabischen Verbündeten kontrolliert werden. „Dort hat die kurdische, assyro-aramäische, christliche, yezidische und arabisch-sunnitische Bevölkerung während des Krieges gegen den sogenannten Islamischen Staat autonome Strukturen aufgebaut, die ein gewisses Maß an Minderheitenschutz und Frauenrechten gewährleisten. Nur dort, wo die Menschen ein erträgliches Leben haben, wollen sie auch langfristig bleiben“, so Sido.