25.04.2007

EU-Waffenembargo muss Taiwan weiter schützen

Menschenrechtsreport Nr. 46: China rüstet auf

Zusammenfassung

In dem Report wird ausführlich die militärische Aufrüstung der Volksrepublik China dokumentiert, die das militärische Gleichgewicht in Ostasien empfindlich stört. Im März 2007 hatte die chinesische Führung eine Steigerung des Verteidigungsbudgets im laufenden Jahr um 17,8 Prozent angekündigt. Doch die realen Militärausgaben Chinas sind deutlich höher und lassen die Volksrepublik bei einem Vergleich der Rüstungsausgaben an die zweite Stelle hinter den USA rücken. Ängste in den Nachbarländern und in den USA schürte insbesondere ein chinesischer Anti-Satellitentest im Januar 2007, der auch die Verwundbarkeit des US-amerikanischen "Schutzschildes" über Taiwan nachdrücklich aufzeigte. Aber auch der Ausbau der chinesischen Marine und Luftwaffe sowie die Stationierung von immer mehr Raketen und Landetruppen in der Umgebung der Taiwan-Strasse erregten Besorgnis.

Detailliert werden in dem Bericht die Reaktionen der Nachbarländer auf das militärische Erstarken Chinas beschrieben und die Hintergründe ihrer zum Teil gespannten Beziehungen mit der Volksrepublik aufgezeigt. Insbesondere in Taiwan, Japan, Indien, Südkorea und Russland sind die Ängste vor einem militärisch "starken" China groß, so dass in Ostasien ein Rüstungswettlauf entsteht, der neue Gefahren in sich birgt.

Durch Chinas Aufrüstung wird besonders Taiwan bedroht. Die Gefahr einer militärischen Auseinandersetzung in der Taiwan-Strasse hat in den letzten Monaten deutlich zugenommen, wird in dem Report festgestellt. Taiwan ist zwar einer der wichtigsten Handelspartner Europas in Asien, doch wird es von der EU nicht als souveräner Staat anerkannt. Die EU orientiert sich an der von Peking betriebenen "Ein-China Politik", die Taiwan als integralen Bestandteil des chinesischen Staatsterritoriums betrachtet. In dem Report wird kritisiert, dass die EU in ihrer Taiwan-Politik den Spielraum, den ihr die Leitlinie der "Ein-China Politik" lässt, nicht voll ausschöpft. Insbesondere wird die diskriminierende Visa-Politik der EU gegenüber den fünf führenden politischen Repräsentanten Taiwans kritisiert, denen systematisch die Einreise in die EU verweigert wird. Diese diskriminierende Politik verstößt nicht nur gegen demokratische Prinzipien der EU-Staaten, sondern fördert auch die politische Isolation Taiwans, die die Demokratisierung der Inselrepublik gefährdet.

Angesichts einer drohenden militärischen Eskalation ist es unverantwortlich, dass in der EU noch immer an einer Aufhebung des 1989 nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens verhängten Waffenembargos gegen China gearbeitet wird, heißt es in dem Bericht. Vor allem Frankreich engagiert sich für ein Ende der Sanktionen. Noch im März 2007 hatte sich die französische Verteidigungsministerin Michèle Alliot-Marie bei einem Besuch in Peking für ein Ende des Embargos ausgesprochen. Frankreich blockiert die Verabschiedung eines überarbeiteten EU-Verhaltenskodexes für Waffenexporte, so lange die EU sich nicht zur Aufhebung des China-Embargos bereit erklärt. Die deutsche Bundesregierung, die unter Bundeskanzler Gerhard Schröder zu den entschiedenen Befürwortern einer schnellen Aufhebung des Embargos zählte, macht nun ein Ende der Sanktionen von einer Verbesserung der Menschenrechtslage abhängig.

Zwar kündigt China Reformen im Menschenrechtsbereich an, doch die bislang ergriffenen Schritte, um den Missbrauch der Todesstrafe einzudämmen und die Arbeitslager zu "reformieren", sind absolut unzureichend, um die Lage der Menschenrechte spürbar zu verbessern. Die Unterdrückung der Pressefreiheit und Meinungsfreiheit im Internet wird sogar noch weiter ausgebaut, wie in dem Report ausführlich dargelegt wird. In Tibet und Xinjiang (Ostturkistan) hält die Repression gegen Tibeter und Uiguren weiter an. Buddhisten, Muslime, Angehörige offiziell nicht anerkannter protestantischer Hauskirchen, katholische Christen und Falun Gong-Praktizierende werden immer wieder an der Ausübung ihres Glaubens gehindert. Mehr als 3000 Falun Gong-Anhänger kamen seit Beginn der Repression gegen die Glaubensgemeinschaft im Juli 1999 gewaltsam im Gewahrsam der Sicherheitskräfte zu Tode.

Hunderte Bürgerinnen und Bürger, die ihre gesetzlich garantierten Rechte wahrnahmen und sich mit Petitionen an Politiker wandten, wurden seit Herbst 2006 verhaftet oder in Arbeitslager eingewiesen. Diese jüngsten Übergriffe zeigen, wie verbreitet noch immer staatliche Willkür ist, und dass es keine Rechtssicherheit in der Volksrepublik gibt. Auch in der Frage der Bewertung des Massakers auf dem Platz des Himmlischen Friedens zeigt die chinesische Führung keinen politischen Willen, die Opfer zu rehabilitieren und ihre Angehörigen nicht länger zu bedrängen. Aus menschenrechtlicher Sicht spricht daher ebenfalls nichts für eine schnelle Aufhebung des EU-Waffenembargos.

Empfehlungen der Gesellschaft für bedrohte Völker

  • Die EU sollte das Waffenembargo gegen die Volksrepublik China aufrechterhalten, da sich die Menschenrechtslage in China nicht spürbar gebessert hat. Entscheidend für eine Aufhebung der Sanktionen darf nicht die Freilassung der letzten Verhafteten sein, die aufgrund des Massakers auf dem Platz des Himmlischen Friedens festgenommen wurden. Solange die chinesische Führung nicht bereit ist, das Unrecht aufzuarbeiten, die Verantwortlichen vor Gericht zur Rechenschaft zu ziehen, die Ermordeten zu rehabilitieren und ihre Angehörigen nicht länger zu bedrängen, muss das Embargo bleiben.
  • Eine Beendigung des Embargos muss auch von der Sicherheitslage in Ostasien abhängig gemacht werden. Sollte China weiter systematisch seine Hochrüstung vorantreiben und sollten die Spannungen insbesondere in der Taiwan-Strasse zunehmen, wäre eine Aufhebung der Sanktionen unvertretbar. Denn es wäre das falsche Signal an die chinesische Führung und würde die Kriegsgefahr erhöhen. Auch würde ein solcher Beschluss die transatlantischen Beziehungen belasten, da die USA als Taiwans "Schutzmacht" im Falle einer militärischen Auseinandersetzung intervenieren müssten.
  • In der Taiwan-Frage sollte die EU die Insel nicht nur als Wirtschaftsmacht betrachten, sondern ihren Spielraum im Rahmen der "Ein-China Politik" voll ausschöpfen und politische Beziehungen zu Taiwan ausbauen. Denn eine weitere politische Isolation würde die Demokratisierung Taiwans gefährden und wäre auch vor dem Hintergrund der angestrebten Demokratisierung Chinas nicht wünschenswert. Insbesondere sollte die EU ihre diskriminierende Visa-Politik gegenüber den bedeutendsten Repräsentanten Taiwans aufgeben.

Unseren Menschenrechtsreport können Sie hier herunterladen.