18.06.2020

Generalbundesanwalt ermittelt gegen Russland

Der Tiergartenmord ist längst kein Einzelfall (Pressemitteilung)

Nachdem die Generalbundesanwaltschaft am heutigen Donnerstag Anklage gegen den mutmaßlichen Mörder von Selimchan Changoschwili erhoben hat, erinnert die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) daran, dass sich diese Tat in eine lange Kette politischer Morde reiht. „Sowohl Präsident Putin als auch sein tschetschenischer Statthalter Ramzan Kadyrow lassen immer wieder Menschen angreifen, die das Regime der Kaukasusrepublik kritisieren“, berichtet GfbV-Direktor Ulrich Delius. „Die Übergriffe reichen von Prügelattacken über willkürliche Verhaftungen bis hin zu Verschwindenlassen und Mord.“

Die meisten Übergriffe geschähen in der Russischen Föderation und der autonomen Republik Tschetschenien – aber eben auch in anderen Staaten, in denen tschetschenische Flüchtlinge leben. Laut einem noch unveröffentlichten GfbV-Report zur Menschenrechtslage in Tschetschenien hat Kadyrow auch hierzulande ein dichtes Netz an Vertrauten und Mittelspersonen aufgebaut. „Ziel dieses Netzwerkes scheint eine systematische Kontrolle und Einschüchterung der tschetschenischen Diaspora in Deutschland zu sein“, erklärt Delius. „Besonders in der deutschen Kampfsportszene hat Kadyrow Vertraute installiert, aber auch über Sicherheitsfirmen versucht er hierzulande Einfluss zu gewinnen.“ 

Auch in anderen Ländern der Europäischen Union gibt es Ermittlungen wegen Morden an tschetschenischen Staatsangehörigen. Erst im Januar dieses Jahres wurde der Kadyrow-kritische Blogger Imran Aliev in einem Hotelzimmer in Lille, Nordfrankreich, tot aufgefunden. Medienberichten zufolge hatte er Stichwunden am Hals. Die Polizei soll ein politisches Motiv vermuten. Der bis dahin prominenteste Mord an einem tschetschenischen Dissidenten geschah im Jahr 2009 in Wien. Der Menschenrechtsaktivist und ehemalige Bodyguard Umar Israilow hatte zuvor erfolglos bei der Polizei um Personenschutz gebeten.

Selimchan Changoschwili, ein Tschetschene mit georgischer Staatsangehörigkeit, war am 23. August 2019 in Berlin auf offener Straße ermordet worden. Putin hatte ihn als „grausam und blutrünstig“ bezeichnet und zwischenzeitlich behauptet, Russland hätte seine Auslieferung gefordert. Nachdem deutsche Behörden das dementierten wurde die Behauptung zurückgezogen. Ekkehard Maaß, der Vorsitzende der Deutsch-Kaukasischen Gesellschaft, hatte bereits im Januar 2017 vergeblich beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge um Schutz für Changoschwili ersucht.