28.09.2015

Gerechte Flüchtlingspolitik für alle Schutzsuchenden angemahnt

47. Jahreshauptversammlung der Gesellschaft für bedrohte Völker fordert Politik zum Handeln auf (Pressemitteilung)

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat eine gerechte Flüchtlingspolitik für alle Schutzsuchenden in Deutschland angemahnt. „Die Not der vielen Flüchtlinge aus dem Nahen Osten und anderen Krisengebieten, die jetzt bei uns eintreffen, untergebracht und versorgt werden müssen, darf uns nicht die hier lange geduldeten Flüchtlinge vergessen lassen“, erklärte der GfbV-Generalsekretär Tilman Zülch auf der Mitgliederversammlung der Menschenrechtsorganisation, die am Sonntag in Göttingen zu Ende ging. So werden beispielsweise politisch verfolgte Uiguren aus China, vor Völkermordverbrechen geflohene Darfuri aus dem Sudan, der Willkür ihres Diktators entkommene Eritreer, vor Folter und Mord geflüchtete Tschetschenen sowie Roma aus dem Kosovo, die von nationalistischen Albanern unerträglich diskriminiert und angegriffen wurden, von deutschen Behörden seit Jahren über ihre Zukunft im Ungewissen gehalten. Für sie habe es keine Integrationskurse gegeben und viele würden nur kurzfristige Duldungen erteilt, die sie in ständiger Angst vor Abschiebung in die Hände ihrer Verfolger hielten.

„Auch diese „Alt-Flüchtlinge“ brauchen unsere Solidarität und Hilfe“, stellte die GfbV-Mitgliederversammlung fest. „Deshalb fordern wir auch für sie konkrete Integrations-Angebote und ein Bleiberecht, ganz besonders für die in Deutschland geborenen oder seit vielen Jahren hier aufgewachsenen Flüchtlingskinder und ihre Familien.“

Von der Bundesregierung erwartet die GfbV eine wirksame Bekämpfung der Fluchtursachen: „Um die Verfolgung von ethnischen und religiösen Minderheiten zu beenden oder staatliche Willkür, Landraub und Vertreibung zu verhindern, reicht es nicht aus, Entwicklungshilfe zu verteilen oder Wirtschaftsbeziehungen zu verbessern. Es muss endlich damit begonnen werden, vor allem seit langem schwelende Konflikte wie die Kurdenfrage im Nahen Osten politisch zu lösen oder staatliche Willkür und Verbrechen gegen die Menschlichkeit wie die Völkermordverbrechen des sudanesischen Regimes in Darfur zu unterbinden und die Täter zur Verantwortung zu ziehen. Auch wenn dies ein langer und mühsamer Prozess sein wird, ist dies die einzige Möglichkeit, künftig große Fluchtbewegungen zu verhindern.“

Außerdem forderte die Mitgliederversammlung die Bundesregierung in einer Resolution dazu auf, mehr Druck auf die Türkei auszuüben, unverzüglich zu dem Friedensprozess mit der PKK und anderen Kurdenorganisationen zurückzukehren. Die Angriffe auf PKK-Stellungen und zivile Ziele in den Kurdengebieten Syriens, des Iraks und im eigenen Land müssen eingestellt werden. Zudem müsse die Türkei ihre Grenzen zu den drei kurdischen Enklaven Afrin, Kobani und Kamischli in Nordsyrien dauerhaft öffnen. Denn dort und in Irakisch-Kurdistan ist ungehinderte humanitäre Hilfe dringend nötig, weil auch zahllose Angehörige ethnischer und religiöser Minderheiten wie assyro-aramäische Christen, Yesiden, Armenier und Turkmenen versorgt werden müssen, die hier vor den radikalislamischen Milizen Schutz gefunden haben.

Während der GfbV-Mitgliederversammlung, zu der am Samstag und Sonntag in Göttingen rund 100 Delegierte und Menschenrechtsexperten  zusammenkamen, fanden auch Vorstandswahlen statt. Der Bundesvorsitzende Feryad Omar (Berlin) sowie die beiden Vorstandsmitglieder Heinrich Schultz (Tating) und Kurt Weber (Göttingen) wurden in ihrem Amt bestätigt. Neu in dem Gremium sind Jan Diedrichsen (Tinglev) und Kaan Orhon (Bonn). Sie lösen Maria Sido (Bonn) und Irina Wießner (Göttingen) ab.


Hier können Sie beide Resolution online nachlesen:

 

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) fordert die Bundesregierung dazu auf, mehr Unterstützung für Flüchtlinge im Irak zu leisten

Resolution der 47. Jahreshauptversammlung der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am 26. und 27. September 2015

Die GfbV bedankt sich bei der Bundesregierung für die bisher geleistete Hilfe für Irakisch-Kurdistan. Gleichzeitig appellieren wir an die Bundesregierung, mehr humanitäre Hilfe für die yezidischen Flüchtlinge aus Sinjar und für die christlichen Flüchtlinge aus der Ninive-Ebene zu leisten. Das kleine Autonomiegebiet Irakisch-Kurdistan hat 1,8 Millionen Flüchtlinge aufgenommen, die dringend weiterer Unterstützung bedürfen.

Verabschiedet von der 47. GfbV-Jahreshauptversammlung in Göttingen am 27.09.2015.

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Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) fordert die Bundesregierung dazu auf, sich in der UNO für eine Blockade der Grenzen von ISIS-Territorien und den Herrschaftsgebieten anderer islamistischer Terrororganisationen in Syrien und im Irak einzusetzen

Resolution der 47. Jahreshauptversammlung der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am 26. und 27. September 2015

1) Es dürfen weder Gelder noch Waren noch Militärgüter die Grenze passieren. Ziel dieser Forderung ist es, die Geldquellen der Terrororganisationen auszutrocknen und damit ihre Kriegsführung zu erschweren und- wenn möglich - ihr Terrorsystem zu destabilisieren. Insbesondere muss der Schmuggel von Öl und Antiquitäten aus den ISIS-Gebieten unterbunden werden. Um die Lage der Zivilbevölkerung nicht zu verschlechtern, können Ausnahmen der Blockade nur bei ausgewählten Lebensmitteln und Medikamenten gemacht werden.

2) Mit Ausnahme von Flüchtlingen dürfen keine Personen mehr die Grenzen passieren. Ziel ist es, den Zustrom von ausländischen Radikalislamisten und ISIS-Nachschubkämpfern nach Syrien und in den Irak zu unterbinden und die Überleitung von islamistischen Terroristen nach Europa und anderswo zu verhindern. Ein weiteres Ziel ist es, den Verkauf versklavter Kinder und Frauen z.B. nach Saudi-Arabien zu be- oder verhindern.

Insbesondere betrifft unsere Forderung die Grenze der Türkei zu den von islamistischen Extremisten beherrschten Gebieten. Wir appellieren an die Bundesregierung, Druck auf die türkische Regierung auszuüben, ihre Unterstützung und den Handel mit radikalislamistischen Gruppen in Syrien und Irak vollständig zu beenden und die Grenze der Türkei zu den von diesen Gruppierungen beherrschten Gebieten zu schließen. Eine internationale Kontrolle unter Federführung der UNO muss diese Maßnahmen überwachen.

3) Zugleich fordern wir die Bundesregierung dazu auf, sich dafür einzusetzen, dass die türkischen Grenzen zu allen kurdischen Enklaven auf syrischem Gebiet (Afrin, Kobani und Kamischli) dauerhaft geöffnet werden. In diesen Enklaven finden zahllose Menschen Schutz, deren Zugehörigkeit zu religiösen und ethnischen Minderheiten wie assyro-aramäische Christen, Yesiden, Armenier und Turkmenen unter dem Terror der ISIS gleichbedeutend mit Versklavung, Folter und/oder Tod ist.

4) Wir fordern die Bundesregierung auf, mehr Druck zu machen, dass die Türkei unverzüglich zu dem Friedensprozess mit der PKK und anderen Kurdenorganisationen zurückkehrt und ihre Angriffe auf PKK-Stellungen und zivile Ziele in den Kurdengebieten Syriens und Iraks sowie im eigenen Land einstellt.

Es war Erdogan, der den Friedensprozess aus machtpolitischen Gründen aufkündigte. Wer die PKK als Terrororganisation bezeichnet, sollte auch die Angriffe auf kurdische Zivilisten sowie die Übergriffe türkischer Nationalisten und AKP-Anhänger auf Kurden, gegen HDP-Büros sowie kurdische Geschäfte als Terror und die verantwortlichen türkischen Institutionen als Terrororganisationen bezeichnen.

5) Wir unterstützen in der politischen Diskussion befindliche Überlegungen, der Türkei zusätzliche finanzielle Mittel für Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen und die Visafreiheit für türkische Bürger einzuführen. Dabei sollen die europäischen Regierungen verlangen, dass im Gegenzug die obigen Punkte 1) bis 4) von der türkischen Regierung erfüllt werden. Absolut notwendig ist, dass streng kontrolliert wird, wohin die finanziellen Mittel gelangen.

Verabschiedet von der 47. Jahreshauptversammlung der (GfbV) in Göttingen am 27.09.2015. 

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