10.08.2020

Gewaltspirale in Westafrika

28 Tote bei Überfällen von Extremisten (Pressemitteilung)

Nach dem gewaltsamen Tod von 28 Menschen bei Überfällen mutmaßlich extremistischer Islamisten in Westafrika seit Freitag letzter Woche hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) vor den Folgen einer Gewalteskalation für die Zivilbevölkerung gewarnt. "Die Zivilbevölkerung leidet am meisten unter der zunehmenden Gewalt durch Islamisten und kriminelle Banden in Westafrika. Die Morde an sechs Angehörigen einer französischen Hilfsorganisation sollten ein Weckrfuf für Europa sein, mehr für die Eindämmung der Gewalt zu tun", erklärte der GfbV-Direktor Ulrich Delius am Montag in Göttingen. Die französischen Staatsangehörigen waren am Sonntag mit ihrem Fahrer und Touristenführer in einem Tierreservat in NIger ermordet worden. Am letzten Freitag waren 20 Menschen auf einem Viehmarkt in dem Ort Namoungou in Burkina Faso auf ähnliche Weise von bewaffneten Motorradfahrern getötet worden. Für die meisten dieser Überfälle seien islamistische Gewalttäter verantwortlich, erklärte die Menschenrechtsorganisation. Aber die Grenzen zur Kriminalität bewaffneter Banden seien auch fließend. Auch reguläre Streitkräfte und von den Armeen ausgerüstete Selbstverteidigungsmilizen in den Dörfern schürten den Kreislauf der Gewalt. 

Von der eskalierenden Gewalt seien Burkina Faso, Mali, Niger, der Tschad und und der Norden NIgerias gleichermaßen betroffen. Erst letzte Woche berichtete die UN-Mission in Mali (MINUSMA) über eine deutliche Zunahme der Gewalt gegenüber der Zivilbevölkerung zwischen April und Juni 2020 vor allem im Zentrum des Landes gegenüber dem ersten Quartal des Jahres 2020. Die MINUSMA dokumentierte 632 Entführungen, Morde, standrechtliche Erschießungen, Überfälle und Einschüchterungen, bei denen zwischen dem 1. April und 30. Juni 2020 mehr als 320 Personen starben.  

"Viele der militärischen Initiativen, die islamistische Gewalt einzudämmen, sind schlecht koordiniert. Schlechte Ausrüstung und mangelnde Motivation vieler Soldaten behindern die Effektivität des Kampfes gegen islamistische Gewalttäter in Westafrika", erklärte Delius. Die Ausrüstung von Dorfbevölkerung mit Waffen zum Aufbau von Selbstverteidigungsmilizen erweise sich oft als problematisch, da sie die Waffen auch bei Nachbarschaftskonflikten einsetzten und damit die Gewalt weiter anheizten. 

Zu wenig beschäftige man sich mit den Hintergründen islamistischer Gewalt. So hätten sich die wenigsten Kämpfer dieser Terrorgruppen aus islamistischer Überzeugung den Terrorkommandos angeschlossen, sondern kämpften vor allem aus finanziellen Gründen als Söldner für die islamistischen Organisationen. "Die sozialen Hintergründe der meist jungen bewaffneten Motorradfahrer, die den Terror verbreiten, werden weitgehend ignoriert", warnte Delius. "Nur mit militärischen Mitteln wird man den Kampf gegen diese islamistischen Terrorgruppen nicht gewinnen", erklärte der Menschenrechtler.