05.04.2017

In Deutschland haben nicht alle Kinder die gleichen Rechte

Auch nach 25 Jahren UN- Kinderrechtskonvention müssen Kinder für ihre Rechte in Deutschland kämpfen

Es ist an der Zeit, dass 25 Jahre nach der Ratifizierung der UN-Kinderrechtskonvention durch Deutschland die Rechte aller Kinder uneingeschränkt gelten – egal, wo die Kinder oder ihre Eltern herkommen. Foto: pixabay.com

Im Sommer 2015 hat die deutsche Bundesregierung die Grenzen für inzwischen weit mehr als eine Million Flüchtlinge geöffnet und dadurch sich viel Respekt im Umgang mit Geflüchteten und Asylsuchenden verschafft. Doch das positive Bild hat einige Risse: In Deutschland geborene und aufgewachsene Kinder und Jugendliche aus Flüchtlingsfamilien werden in Länder abgeschoben, die sie bisher nie gesehen haben. Es ist ein extrem verantwortungsloses Verhalten, dessen Opfer vor allem die Angehörigen der Roma, Aschkali und Balkan-Ägypter aus dem Kosovo sind. Etwa 150.000 von ihnen waren vor, während oder im Anschluss an den Konflikt von 1998/1999 gezwungen, Zuflucht in westeuropäischen Ländern zu suchen, circa 35.000 davon in Deutschland.

Seit 2009 versuchen Bund und Länder mit erhöhtem Druck, die in Deutschland noch verbliebenen Flüchtlinge aus dem Kosovo abzuschieben. Wie viele es genau sind, lässt sich schwer sagen. Aber geht man davon aus, dass noch tausende Roma, Aschkali und Balkan-Ägypter und ihre Kinder in Deutschland leben, von denen viele über eine Duldung verfügen und ausreisepflichtig sind. Die Forderung nach einem Bleiberecht für diese Flüchtlinge, die sich zum Teil mehr als 15 Jahre in Deutschland aufhalten - auch vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte -, fand weder eine Mehrheit im Bundestag noch Unterstützung seitens der Bundesregierung. Im Gegenteil: Die Westbalkanstaaten wurden zu sogenannten sicheren Herkunftsstaaten erklärt. Diese Entscheidung blockiert die Chancen auf ein Bleiberecht der Kinder und ihrer Familien völlig. (Mehr zu den „sicheren Herkunftsstaaten“: Von wegen sicher. Das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten in der Kritik (pdf))

Die Gesellschaft für bedrohte Völker hat in einer Studie unter dem Titel „Lost in Transition“ nachgewiesen, dass Roma im Kosovo so unerträglich diskriminiert werden, dass Rückkehrer dort nicht leben können. Sie bekommen keine Arbeit, keine Wohnung, keinen Ausbildungsplatz, die medizinische Versorgung ist äußerst schlecht. Sie müssen das Land wieder verlassen und zurück nach Westeuropa flüchten. Ein Teufelskreis, der vor allem den Kindern eine düstere Zukunft verspricht. (Bericht: Lost in Transition (pdf))

Kinder, die in Deutschland eine Heimat und eine Zukunft hatten, verzweifeln, weil sie von deutschen Behörden in ein Leben voller Ungewissheit und Diskriminierung abgeschoben werden. Dabei hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden, dass Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) diejenigen schützt, die in Deutschland verwurzelt sind und keinen Bezug zu ihrem angeblichen Herkunftsland haben. Doch einige Gerichte in Deutschland erkennen das nicht als Begründung an, die Abschiebung der Betroffenen auszusetzen.

Für die betroffenen Kinder ist dies inhuman und verantwortungslos. Denn die Herkunftsländer ihrer Eltern kennen sie höchstens aus zutiefst beunruhigenden Erzählungen der Erwachsenen, die vor Krieg und Verfolgung, unerträglicher Diskriminierung und Elend fliehen mussten. Diese Kinder und Jugendliche sind ausschließlich mit der deutschen Lebenswelt verbunden.

Die Abschiebungen solcher Kinder ist dabei nicht nur eine moralische Frage, sondern sie verstoßen auch gegen die UN-Kinderrechtskonvention. Denn die besagt, dass das Kindeswohl Vorrang haben muss. Auch das Bundesverfassungsgericht erkennt Kinder als sogenannte Träger von Grundrechten an. Gleichzeitig sind Kinder gemäß dem deutschen Grundgesetz keine eigenständigen „Rechtssubjekte“, da die Verantwortung der Eltern und somit ihre Entscheidungen über den Rechten der Kinder steht. Auch bekräftigt das Grundgesetz die Familie als Einheit. Gerade für Kinder aus Flüchtlingsfamilien hat das Konsequenzen, denn dieses Verständnis von Familie und elterlichen Pflichten wurde auch ins Aufenthaltsgesetz übernommen. So gibt es erhebliche Anforderungen an Flüchtlingsfamilien, um eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen. Wenn die Eltern ihren Lebensunterhalt nicht selbst sicherstellen können und auf den Bezug staatlicher Sozialleistungen angewiesen sind, wird ihnen eine wirtschaftliche Integration in die deutsche Gesellschaft abgesprochen. Ihre Rechtsschutzanträge und das Bleiberecht werden abgelehnt. Die Integration und die Zukunft der Kinder spielt in diesen Entscheidungen keine Rolle und die Kinder haben keine Chance, ein Bleiberecht zu erhalten.

Es ist an der Zeit, dass 25 Jahre nach der Ratifizierung der UN-Kinderrechtskonvention durch Deutschland die Rechte aller Kinder uneingeschränkt gelten – egal, wo die Kinder oder ihre Eltern herkommen – und dass die Einhaltung dieser Rechte zu einem Leitprinzip der deutschen Behörden wird.

Am 20. November 1989 wurde die UN-Kinderrechtskonvention von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet und trat am 5. April 1992 auch in Deutschland in Kraft. Doch bei der Ratifizierung 1992 modifizierte Deutschland die Konvention, was einige ihrer Verpflichtungen einschränkte. 2010 nahm die Bundesregierung ihre Vorbehalte zurück und ratifizierte damit die UN-Kinderrechtskonvention uneingeschränkt. Bis heute sind die Kinderrechte jedoch nicht im Grundgesetz verankert und die Rechte gelten weiterhin nur eingeschränkt für Flüchtlingskinder.

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