02.10.2015

Blockade gegen Blockade: Die „Schlacht um Aleppo“

Um das strategisch wichtige Viertel Sheikh Maqsoud ist ein Kampf entbrannt (News)

© Ahmad Nassri via Flickr

Um das strategisch wichtige Viertel Sheikh Maqsoud ist ein Kampf entbrannt. Dabei geht es um mehr als nur ein Wohnviertel.

„Wenn das Viertel Sheikh Maqsoud oben auf dem Berg von Islamisten eingenommen wird, sind wir in den Vierteln unten in Aleppo in großer Gefahr“, schilderte der griechisch-orthodoxe Archimandrit Moses Alkhassi, einer der letzten christlichen Würdenträger in Aleppo, in einem Interview mit der GfbV im Dezember 2014 die Lage in der Stadt. Viele Gläubigen seiner Gemeinde hatten Aleppo damals schon lange verlassen. Moses Alkhassi ist bis heute noch vor Ort. Er bezeichnet sich selbst als „Kapitän, der das Schiff als Letzter verlässt.“ So lange noch ein Christ in Aleppo sei, wird auch er bleiben. Zudem hoffe er auf eine baldige, politische Lösung. Dann würden die Christen Aleppos in die Stadt zurückkehren.

Momentan sieht es nicht danach aus, dass die Christen bald zurückkehren. Um das Stadtviertel Sheikh Maqsoud ist erneut ein Kampf entbrannt. Aufgrund seiner erhöhten Lage ist es strategisch bedeutend. Gleichzeitig bildet Sheikh Maqsoud die nördliche Spitze eines von Regimetruppen kontrollierten geographischen Halbkreises, der die islamistischen Rebellen im Zentrum der Stadt einzuschließen droht. Momentan sind rund 80 Prozent der zwischen 40.000 und 50.000 Einwohner von Sheikh Maqsoud ethnische Kurden und das Viertel ist nahezu ganz unter der Kontrolle der Kurdischen Volksschutzeinheiten (YPG). Den fünften Tag infolge dauern die Zusammenstöße zwischen der bewaffneten islamistischen Opposition und den Einheiten der YPG in Sheikh Maqsoud bereits an. Dabei geht es nicht nur um das Viertel: Die YPG benutzt es als Druckmittel gegen die in Verhandlungen mit der islamistischen Opposition. Sheikh Maqsoud ist die einzige Verbindung der Islamisten raus aus Teilen von Aleppo. Sollte die YPG den Korridor der Islamisten unter Druck setzen oder gar schließen, wären sie in diesem Teil Aleppos durch die Truppen des Regimes eingekreist. Gleichzeitig steht die direkte etwa 30 Kilometer lange Verbindungsstraße von Aleppo in den Norden zur türkischen Grenze auf dem Spiel. Diese wird von islamistischen Rebellen gehalten und ihr Gebrauch ist durch Beschuss des Regimes zu gefährlich. Dementsprechend müssen Reisende von Afrin nach Aleppo eine 12 bis 15-stündige Fahrt nach Süden durch die Halbwüste auf sich nehmen. Die YPG fordert, dass die Blockade des Kantons Afrin durch die al Nusra Front und andere islamistische Gruppen gelockert wird. So steht Blockade gegen Blockade.

Am 30.September berichtete die YPG von einer Einigung mit den islamistischen Rebellen. Darin soll festgehalten worden sein, dass die al-Nusra Front (Al Kaida) sowie die Liwa Sultan Murad (eine pro türkische Gruppierung) aus der Region abziehen müssen, da sie für wiederholte Provokationen und Gewaltausbrüche verantwortlich gemacht werden. Außerdem müssen alle Übergänge von und nach Sheikh Maqsoud sowie nach Afrin, im Nordwesten an der türkischen Grenze, für Zivilisten freigehalten und die gegenseitigen Blockaden aufgehoben werden.

Es bleibt abzuwarten, ob diese Einigung umgesetzt wird. Seit Beginn des Bürgerkriegs flammen in Aleppo immer wieder Kämpfe auf. Sehr zum Leid der Bevölkerung. Die Bewohner Aleppos können keiner geregelten Arbeit mehr nachgehen, das Stromnetz ist lahmgelegt und die Versorgung mit Lebensmitteln wird zunehmend schwieriger. Der selbsternannte „Islamische Staat“ ist nicht bis nach Aleppo vorgedrungen, doch er ist in der umliegenden Provinz anwesend. Allein diese Tatsache macht den Menschen in Aleppo schon genug Angst. Allerdings sieht der Archimandrit Moses Alkhassi kaum einen Unterschied zu anderen Islamisten. Der „IS“ habe lediglich mehr Medienpräsenz als beispielsweise die al-Nusra Front oder Ahrar asch-Scham. In der Ideologie und  ihrer unmenschlichen Barbarei unterscheiden sich die Extremisten nicht.


Header Foto: Ahmad Nassri via Flickr