15.08.2022

„Klare Kante auch gegen Erdogans Kurdenpolitik!“

Kritik an einseitiger Wahrnehmung von Menschenrechtsverletzungen in Deutschland und Destabilisierung durch die Türkei

Die offenen Worte von Außenministerin Annalena Baerbock zur Freilassung des Oppositionellen Osman Kavala in der Türkei waren richtig. Frau Baerbock hat das lange Schweigen zur Unterdrückung der Meinungsfreiheit durch die Regierung Erdogan beendet, loben die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) und die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM). Wenn es aber um die Verfolgung und Unterdrückung der Kurden geht, schweigt die deutsche Regierung weiterhin auffällig laut, kritisieren die Menschenrechtsorganisationen.

Etliche Fragen sind unangenehm, aber sie müssen gestellt werden, so die Menschenrechtler: Warum ignoriert die Bundesregierung seit Jahren die Angriffe des türkischen Militärs auf Minderheiten und Autonomieverwaltungen im Grenzgebiet Syriens und des Iraks? Warum ist die katastrophale Menschenrechtslage für Kurden im Iran kein Thema? „Türkische Militärschläge und der Terror der Milizen, die aus Ankara finanziert werden destabilisieren die gesamte Region. Zahlreiche Menschen werden in die Flucht gezwungen.  Den Verbleibenden will Erdogan einen radikalen sunnitischen Islam aufzwingen. Mit Moscheebauten und Koranschulen zwangsislamisiert und -osmanisiert er Gebiete, um die ursprüngliche Kultur, Ordnung und religiösen Bräuche zu verdrängen. Opfer sind neben Kurden auch Jesiden (Yeziden, Êziden) und assyrische Christen“, so Martin Lessenthin, Vorstandssprecher der IGFM.

Dr. Kamal Sido, Nahostexperte der GfbV, kritisiert zudem das Anliegen der türkischen Führung unter Erdogan, in Deutschland lebende Kurden strafrechtlich verfolgen zu lassen oder gar an die Türkei auszuliefern: „Wer öffentlich in kurdischen Farben demonstriert, Freiheit für politische Gefangene fordert oder Symbole von kurdischen Organisationen mit sich führt, darf nicht kriminalisiert werden! Wer zu Menschenrechtsverletzungen von Erdogan schweigt und ständig Verständnis für die Sicherheitsinteressen der Türkei zeigt, nimmt Kriegsverbrechen von heute und Genozide von morgen in Kauf. Wenn Deutschland und die NATO glaubwürdig bleiben wollen, dürfen sie Erdogans Angriffskriege gegen Kurden und andere Minderheiten nicht rechtfertigen, verharmlosen oder unterstützen“.   

Nach Auffassung der Menschenrechtler stellt die sich rasant verschlechternde Menschenrechtslage im Einflussgebiet der Erdogan-Türkei eine Gefahr für Europa und die NATO dar. So seien die türkischen Einflussnahmen gegen Armenier in Berg-Karabach und auf dem Territorium von Deutschland und anderen EU-Staaten nicht zu tolerieren. Alle Menschenrechtsverletzungen, die von der Türkei ausgehen, müssen öffentlich gemacht und beendet werden.