14.04.2016

Krimtatarischer Medschlis verboten

"Fast keine internationale Reaktion, das ist enttäuschend und beschämend" (News)

Ohne den Ausgang des so genannten Prozesses gegen den Medschlis auf der Krim abzuwarten, hat die pro-russische Staatsanwältin Natalja Poklonskaja angeordnet, dass die wichtigste Organisation der Krimtataren all ihre Aktivitäten einstellen muss. Foto links: TheFlyingDutchman via Wikimedia Commons; Foto rechts: Kremlin.ru via Wikimedia Commons

Kommentar von Sarah Reinke, GfbV-Referentin für GUS

Jetzt ist passiert, was bereits befürchtet wurde: Gestern verfügte die pro-russische Staatsanwältin der Krim, dass der krimtatarische Medschlis - diese wichtigste Organisation der Krimtataren - seine Arbeit vollständig stoppen müsse. Auch forderte sie, dass das russische Justizministerium den Medschlis auf die Liste der in Russland verbotenen Organisationen setzen soll. Damit wartet sie nicht einmal das Urteil in dem laufenden Prozess gegen den Medschlis ab. Diese Entscheidung hat keine rechtliche Grundlage und ist von russischer Seite völlig eigenmächtig. Dass nun keine lautstarke und scharfe Reaktion vieler wichtiger, in erster Line auch deutscher, Politiker auf diesen Handstreich der pro-russischen Staatsanwältin erfolgt, enttäuscht die Krimtataren bitter. "Eine Schande für Europa" sei diese passive Haltung, die die Unterdrückung ihres Volkes einfach geschehen lasse, schreiben uns Mitglieder des Medschlis von der Krim.

Die Spirale der Repression gegen die indigene Bevölkerung der Krim dreht sich weiter: Alle Rechte des Medschlis sind ausgesetzt, die Vereinigung darf keine staatlichen und kommunalen Medien zur Berichterstattung verwenden, keine Veranstaltungen organisieren, keine Bankkonten nutzen und ihr ist jegliches Arbeiten verboten. "Der Medschlis ist ein Zeichen für den Erfolg der Krimtataren: Trotz kollektiver Deportation, jahrelanger Unterdrückung in der Deportation und massiven Schwierigkeiten bei der Rückkehr ist es ihnen gelungen, sich erfolgreich zu organisieren, politisch zu artikulieren, demokratische Strukturen aufzubauen. Systematisch werden diese Erfolge, wie zum Beispiel auch der Aufbau einer eigenständigen krimtatarischen Medienlandschaft, von den neuen pro-russischen Machthabern auf der Krim zerschlagen. Währenddessen warten die Mitglieder des Medschlis, mutige und sehr engagierte Demokraten auf der Krim, auf klare Worte und konkrete Maßnahmen von deutschen und europäischen Politikern. Sie warten auf eine Verurteilung dieses skandalösen Schrittes. Doch sie werden wohl auch heute vergeblich warten und ihre Enttäuschung wird noch größer werden.


Header Fotos:

links: The Flying Dutchman via Wikimedia Commons

rechts: Kremlin.ru via Wikimedia Commons


Auch das zweite Jahr unter russischer Verwaltung war auf der Krim von schweren Einschnitten in Bürgerrechte, Menschenrechte und die Rechte des indigenen Volkes der Krim, die Krimtataren, geprägt. Die pro-russischen Behörden, unterstützt von aus Russland stammenden Polizisten, Juristen, Geheimdienstmitarbeitern, versuchten rigide ihre Vorstellung davon durchzusetzen, wie ein Staat funktionieren soll und sie versuchten vor allem ihre Macht zu festigen und auszubauen. Andersdenkende, Andersgläubige und Ukrainer, die die Zugehörigkeit zur Ukraine nach außen tragen, werden verfolgt. Die Krimtataren leiden unter systematischer Diskriminierung und Schikane. Die Krim soll rein -russisch werden, alles, was dieses Bild stört, wird verfolgt, so der Eindruck nach dem zweiten Jahr der Annexion.

Sie können unseren Menschenrechtsreport "Zwei Jahre Annexion der Krim" hier herunterladen.


Was häufig vergessen wird: Europa hat bereits eine lange muslimische Geschichte. So war die Iberische Halbinsel unter muslimischer Herrschaft vom 8. Jahrhundert an ein Hort des Wissens und des Fortschritts, von dem auch der Rest Europas profitiert hat.  Die muslimisch-europäische Geschichte endet aber keineswegs Anfang des 17. Jahrhunderts mit der Vertreibung der Muslime von der Iberischen Halbinsel. In Nord-, Ost- und Südosteuropa existieren bis heute muslimische Gemeinden, von denen einige bis zu 700 Jahre alt sind. Millionen muslimische Europäer leben zwischen Kroatien und der Wolga, Finnland und Zypern. Sie sprechen unterschiedliche Sprachen, haben unterschiedliche Kulturen und eine jeweils einzigartige Geschichte.

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