23.04.2005

Masiren: Die freien Menschen Nordafrikas

Die Masiren wurden von den frühen Kolonialherren Nordafrikas "Berber" genannt. Der Name stammt vom griechischen "barbaroi". Barbaren waren für die Griechen alle, die nicht Griechisch, sondern für die Griechen unverständliche Sprachen benutzten. Die Römer dachten ähnlich ("barbarus"). Selbst die Araber übernahmen die Bezeichnung "Barber". Die Masiren selbst nennen sich "Imazighen" ("freie Menschen"). "Imazighen" ist die männliche Mehrzahlform, die weibliche Entsprechung ist "Timazighin". Die Sprache der Masiren heißt "Tamazight". Da der Kehllaut "gh" für Deutsche etwas schwierig nachzubilden ist, kann man auch "Masiren" und "Masirisch" schreiben.

Ureinwohner Nordafrikas

Die Masiren sind Ureinwohner Nordafrikas. Sie waren schon dort, bevor die Phönizier diesen Teil der Mittelmeerküste besiedelten (seit dem 14. Jh. v. Chr.). Das Land der Masiren wird auch Maghreb genannt. Das ist Arabisch und bedeutet Westen. Die Arabischen Eroberer betrachteten Nordafrika seit dem 8. Jahrhundert als "Westen Arabiens".

 

In diesem Jahrhundert haben die Regierungen der "Maghreb-Staaten" (Algerien, Marokko, Tunesien, Libyen und Mauretanien) gemeinsam eine Organisation gegründet, die sich "Union der Arabischen Staaten" nennt. Obwohl in allen diesen Staaten Masiren leben, scheinen sie, wenn man der geographisch-politischen Namensgebung folgt, darin keinen Platz zu haben. Deshalb nennen die Masiren Nordafrika "Tamazgha", Land der Masiren.

In Marokko stellen Masiren mehr als 50 Prozent der Bevölkerung

Die Zahl der Menschen mit Masirisch als Muttersprache wird auf 20 bis 25 Millionen geschätzt. Die Regierungen Nordafrikas geben allerdings niedrigere Zahlen an. Den größten Anteil an der Gesamtbevölkerung haben die Masiren in Marokko, nämlich mehr als 50 Prozent. In Algerien stellen sie 25 bis 30 Prozent. Auch die Tuareg, die in den Wüsten von Südalgerien, Südlibyen, Mali, Niger und Burkina Faso leben, sind Masiren.

Sprachwissenschaftler sind sich uneinig, zu welcher Sprachgruppe das Masirische zählt. Manche sagen, es sei eine "afroasiatische" oder hamito-semitische Sprache, andere halten es für eine indo-europäische wie z.B. das Griechische. Wieder andere wollen eine Verwandtschaft mit dem Baskischen erkennen, das ebenfalls schwer zuzuordnen ist. Schließlich gibt es auch Wissenschaftler, die es aufgegeben haben, Masirisch klassifizieren zu wollen.

 

Die Masiren haben eine der ältesten Schriften der Welt entwickelt, das Tifinar. Sie wird vor allem von den Tuareg verwendet. In den nördlichen gebieten von Tamazgha ist das Schreiben in Tifinar weitgehend verloren gegangen. In den letzten Jahrzehnten, in denen vor allem masirische Jugendliche wieder in der Muttersprache schreiben wollten, hat sich die lateinische Schrift durchgesetzt. Das Tifinar wird mehr zur Dekoration oder als Kennzeichen der eigenen Identität benutzt. Ohnehin lebt das masirische vor allem in einer mündlichen Kultur. In den ländlichen Gegenden Nordafrikas sprechen die Menschen lieber miteinander als zu schreiben. Diese Art der Kommunikation hat viele Vorteile, Schönheiten und menschliche Wärme. Auch Märchen, Gedichte und Lieder werden mündlich überliefert und dazu auswendig gelernt. Im Laufe der zeit hat das Masirische einen reichen Schatz an Ausdrucksmöglichkeiten entwickelt. In der Liebe z.B. werden viele Wörter für Tiere oder Pflanzen als Metaphern verwendet. Jemand spricht mit den Sternen, dem Regen oder der Sonne, gemeint ist aber die oder der Geliebte.

 

Das Masirische ist bedroht

Dennoch ist das Masirische heute bedroht. In Algerien z.B. wurde in der Verfassung 1996 das Arabische als einzige offizielle Sprache festgeschrieben. Jahrelange Schulboykotte junger Masiren in der Kabylei haben zwar durchgesetzt, dass zumindest in dieser Masirenhochburg an einigen Schulen Masirisch gelehrt wird. Ansonsten wird aber weiterhin in Arabisch oder Französisch unterrichtet. es ist noch ein weiter Weg, bis sich das Masirische als Schrift- oder Verkehrssprache voll entfalten kann. Keine Sprache darf den Anspruch erheben, besser als eine andere zu sein. Wichtig ist die gegenseitige Anerkennung. Die eigene Sprache zu sprechen ist ein Menschenrecht. Ein masirisches Sprichwort besagt: "A nedder s tbexsisin, wala a nili seddaw uzaglu!" Zu deutsch: "Besser nur von Feigen leben als im Wohlstand Unterdrückung erdulden.".