18.04.2005

Nach Drohungen gegen Chefredakteur: Letzte kritische tschetschenische Zeitung stellt Erscheinen ein

Nach Drohungen gegen den Chefredakteur Timur Aliev musste die letzte kritische tschetschenische Zeitung, die in einer Auflage von 3.000 Exemplaren gedruckte Wochenzeitung "Tschetschenische Gesellschaft" (Tschetschenskoe Obschestvo), ihr Erscheinen einstellen. Der Journalist berichtete der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) in Göttingen am Dienstag telephonisch, er sei Mitte der vergangenen Woche ins Innenministerium von Nasran, der Hauptstadt der Russischen Teilrepublik Inguschetien, geladen und beschuldigt worden, seine Zeitung sei "regierungsfeindlich". Später sei auch der Geschäftsführer seiner Druckerei vorgeladen und unter Druck gesetzt worden, nicht mehr für Aliev zu arbeiten. Dieser habe ihm dann dringend empfohlen, die Zeitung mit ihren kritischen Berichten und Dokumentationen über Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien einzustellen.

 

Die GfbV appellierte mit einem eindringlichen Schreiben an den Medienbeauftragten der OSZE, Miklos Haraszti, bei der russischen Regierung gegen die Verfolgung des mutigen Journalisten zu protestieren. "Timur Aliev ist in Gefahr, denn er lässt es sich nicht nehmen, seine Berichte wenigstens in kritischen Internetportalen zu veröffentlichen", sagte die GfbV-Osteuropareferentin, Sarah Reinke. Seine Zeitung sei von ihren Lesern jede Woche ungeduldig erwartet und von einem zum anderen weitergegeben worden. "Wir haben Timur Aliev bei unserer Reise nach Inguschetien im Juni 2004 kennen gelernt. Schon damals wurde er immer wieder bedroht, blieb aber im Land, schrieb weiter über Menschenrechtsverletzungen und machte auch die Korruption der pro-russischen Regierung in Tschetschenien und Manipulationen der für den 29. August angesetzten Präsidentschaftswahlen in der Kaukasusrepublik zum Thema."