20.05.2014

Nachfahren der Genozidopfer leiden bis heute – Bewegung der Tscherkessen unter Druck

Vor 150 Jahren: Ende des russisch-kaukasischen Krieges – Beginn des Völkermordes an den Tscherkessen (21. Mai 1864)

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) erinnert an den Beginn des Völkermordes an den Tscherkessen vor genau 150 Jahren. „Bis heute leiden die Nachfahren der Genozidopfer unter dem nicht aufgearbeiteten Kolonialverbrechen der kollektiven Vertreibung ihres Volkes durch die russische Regierung nach dem Ende des russischen-kaukasischen Krieges am 21. Mai 1864“, berichtete die GfbV-Referentin für die GUS-Staaten, Sarah Reinke, am Dienstag in Berlin. „Historiker schätzen, dass damals rund eine Million Menschen ums Leben kamen.“

Die Nachfahren der Tscherkessen sind heute über die ganze Welt zerstreut. Im Kaukasus sollen wieder knapp 900.000 leben. Im Zuge der Vorbereitungen für die Winterolympiade ist zwar eine tscherkessische Bewegung entstanden, die sich für die Anerkennung der Verbrechen gegen die Tscherkessen und Möglichkeiten zur Rückkehr besonders von tscherkessischen Flüchtlingen aus Syrien in die frühere Heimat ein. Doch von lokalen Machthabern wird Druck gegen diese Bewegung ausgeübt und immer wieder kommt es auch zu Festnahmen.

So wurde Beslan Teuwashew am 19. Mai in Moskau von Mitarbeitern des Innenministeriums festgenommen, als er gerade Bänder aus einer Druckerei abholte, die zum 150. Jahrestag des Endes des russisch-kaukasischen Krieges und damit der Vertreibung der Tscherkessen aus dem Nordwestkaukaus vorbereitet worden waren. Drei tscherkessische Studenten aus Syrien wurden ausgewiesen, weil sie sich an pro-tscherkessischen Demonstrationen beteiligt haben sollen.

In der Region kommt es auch immer wieder zu massiven rassistischen Übergriffen gegen Tscherkessen. So brach am 11. Mai in einem Café in Krasnodar eine Massenschlägerei aus. Die Täter fragten, wer Russe sei. Alle anderen schlugen sie zusammen. Acht Personen mussten danach medizinisch behandelt werden. Unter ihnen der 25-jährige Tscherkesse Timur Aschinow. Er starb nach einer Operation am 13. Mai. Am 15. Mai wurde er beerdigt. Die rund 400 Trauergäste zogen danach nach Krasnodar und blockierten eine Autobahn. Sie verlangten eine unabhängige Untersuchung des Todes und die Bestrafung der Täter.

Die Rückkehr von Tscherkessen besonders aus Syrien oder von Flüchtlingen aus der Türkei in den Nordwestkaukasus ist schwierig: 2014 dürfen zum Beispiel nach Adygea nur 300 Tscherkessen zurückkehren, 150 weniger als 2013. Tausende Tscherkessen aus Syrien haben deshalb Zuflucht in der Türkei gesucht. Viele wurden dort von tscherkessischen Familien aufgenommen. Als diese Möglichkeit erschöpft war, mussten sie ins Flüchtlingslager Nizip. Dort soll es nach Berichten von Augenzeugen zu Übergriffen auf tscherkessische Familien gekommen sein und die Menschen versuchen, in die türkischen Großstädte weiter zu ziehen, um dort Arbeit zu finden. Sie klagen über mangelnde Unterstützung durch die internationalen Organisationen, Hilfe wird wenn, dann meist privat und über kleine tscherkessische Vereine organisiert und reicht nicht aus.


Sarah Reinke, Referentin für GUS, ist erreichbar unter Tel. 030-42804891 oder berlin@gfbv.de