19.06.2005

Plädoyer für eine neue Chinapolitik der Europäischen Union

Inhaltsverzeichnis

  • ZUSAMMENFASSUNG
  • EMPFEHLUNGEN
  • PLÄDOYER FÜR EINE NEUE CHINA-POLITIK DER EUROPÄISCHEN UNION
  • FRANZÖSISCHER KOTAU VOR PEKING
  • BUHLEN UM LUKRATIVE AUFTRÄGE
  • CHINA-KARTE GEGEN DIE USA
  • FAUSTPFAND TAIWAN
  • FRANKREICHS LOBBYING FÜR CHINA HAT TRADITION
  • KANZLER SCHRÖDER BRÜSKIERT TAIWAN
  • TAIWAN-POLITIK DER EU WIDERSPRÜCHLICH
  • SCHRÖDER UND CHIRAC WERBEN FÜR AUFHEBUNG DES EU-WAFFENEMBARGOS
  • EUROPÄER SIND SICH NICHT EINIG
  • BUNDESTAG WENDET SICH GEGEN CHINA-POLITIK DES BUNDESKANZLERS
  • EUROPÄISCHES PARLAMENT FORDERT AUFRECHTERHALTUNG DES EMBARGOS
  • WAFFENEMBARGO WAR SEIT JAHREN UMSTRITTEN
  • EUROPÄISCHER VERHALTENSKODEX BIETET KEINE SICHERHEIT
  • CHINA IST EIN BEDEUTENDER RÜSTUNGSEXPORTMARKT
  • BEDROHUNG TAIWANS UND DER STABILITÄT IN DER REGION
  • EU SCHÜRT SPANNUNGEN IN DER TAIWAN-STRASSE
  • USA PLÄDIERT FÜR AUFRECHTERHALTUNG DES EMBARGOS
  • DEUTSCHLAND NUTZT NICHT FREUNDSCHAFTS-BONUS
  • BERLINER ARBEITSTEILUNG
  • BUNDESPRÄSIDENT RAU SETZTE ZEICHEN
  • HANDEL STATT WANDEL
  • RECHTSSTAATSDIALOG NICHT ÜBERSCHÄTZEN
  • EU-MENSCHENRECHTSDIALOG MIT CHINA MUSS REFORMIERT WERDEN

Zusammenfassung

Deutschland und Frankreich liefern sich seit Monaten einen Wettstreit beim Buhlen um die Gunst der chinesischen Führung und um Aufträge für ihre heimische Wirtschaft. Mit ihrer Politik der Anbiederung gegenüber Peking haben sie den Konsens der EU-Staaten schon lange verlassen. Statt gemeinschaftlich China zu drängen, seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen und Grundstandards der Menschenrechte zu verwirklichen, entscheiden Nationalinteressen über die Politik der EU. Statt gemeinsam Druck auf die chinesische Führung auszuüben, äußern sie nur Lippenbekenntnisse und lassen sich von China gegeneinander ausspielen.

Besonders anschaulich wird der Kotau Schröders und Chiracs in der Frage der Aufhebung des EU-Waffenembargos gegenüber der Volksrepublik China. Obwohl sich der Deutsche Bundestag und das Europaparlament gegen ein Ende der Sanktionen ausgesprochen haben, werben Schröder und Chirac weiterhin für eine Aufhebung des Embargos. Dabei ignorieren sie die wachsende Bedrohung Taiwans durch die Aufrüstung Chinas. In der Taiwan-Frage haben Schröder und Chirac der chinesischen Führung ihre Unterstützung zugesichert. Die EU gibt in der Taiwan-Frage immer mehr ihre offiziell neutrale Haltung zwischen Peking und Taipeh auf und unterstützt die Volksrepublik. So ist befremdend, dass das demokratische Taiwan trotz ausgezeichneter Wirtschaftsbeziehungen zu Europa politisch von der EU wie ein "Pariah" behandelt wird. So werden führende Repräsentanten Taiwans systematisch Einreisevisa in die EU verweigert, um die chinesische Führung nicht zu verärgern. Statt den Bonus als "bester Freund Chinas" zu nutzen und sich aktiv für Konfliktprävention und –beilegung in der Tibet-Frage, in Xinjiang oder beim Abbau der wachsenden Spannungen zwischen Taiwan und der Volksrepublik einzusetzen, bleiben die Bundesregierung und die EU untätig.

Der Bundeskanzler rechtfertigt die Aufhebung des Waffenembargos mit einer Veränderung der politischen Lage in China seit der Verhängung der Sanktionen nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens im Jahr 1989. Bis heute ist China jedoch nicht bereit, Verantwortung für die blutige Niederschlagung der Studentenproteste 1989 zu übernahmen und die Verantwortlichen zu bestrafen. Mehr als je zuvor werden Menschenrechte in der Volksrepublik mit Füßen getreten. So starben seit Juli 1999 mehr als 1.100 Falun Gong Praktizierende im Gewahrsam der Sicherheitskräfte. Protestantische und katholische Christen, die sich offiziell nicht registrierten Kirchen angeschlossen haben, werden willkürlich verhaftet. In Xinjiang / Ostturkestan wird die muslimische Bevölkerung pauschal der Unterstützung des Terrorismus verdächtigt, Oppositionelle werden zum Tode verurteilt und hingerichtet. Auch in Tibet halten die schweren Menschenrechtsverletzungen Chinas weiter an. So ist die Lage der Menschenrechte in China heute düsterer als 1989 und rechtfertigt nicht eine Aufhebung des Embargos.

Auch bietet der EU-Verhaltenskodex für Rüstungsexporte keine ausreichende Handhabe, um Exporte heikler Rüstungsexporte in Krisengebiete wie China wirksam zu verhindern. Eine umfassende Analyse der Exportpraxis der EU zeigt, dass trotz des Verhaltenskodexes im Jahr 2003 Rüstungsgüter aus verschiedensten EU-Staaten in Krisengebiete oder Länder, in denen offenkundig massiv Menschenrechte verletzt werden, ausgeführt wurden. Die EU ist heute der wichtigste Waffenexporteur der Welt. Insbesondere die kriselnde französische Rüstungsindustrie verspricht sich von der Aufhebung des Embargos Aufträge aus China im Wert von 10 Milliarden Euro.

Statt den demokratischen Wandel in China zu fördern und damit auch langfristig Stabilität in der Region zu sichern, setzen die EU und Deutschland vor allem auf einen Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen. Deutschland ist schon heute Chinas wichtigster Wirtschaftspartner in Europa. Während die deutsche Exportwirtschaft mit Unterstützung des Bundeskanzlers um Aufträge aus China buhlt, wird Deutschland aber auch für China immer wichtiger als Absatzmarkt seiner Produkte. Schon heute exportiert China deutlich mehr Waren in die Bundesrepublik, als es aus Deutschland einführt. Doch deutsche Politiker nutzen das große Interesse der Volksrepublik an einem Ausbau der bilateralen Beziehungen nicht ausreichend, um China zu mehr demokratischen Reformen und zur Erfüllung seiner völkerrechtlichen Verpflichtungen in Menschenrechtsfragen zu drängen.

Der Rechtsstaatsdialog Deutschlands mit der Volksrepublik ist weitgehend ineffektiv, da er nicht konkret zu einer Verbesserung der Menschenrechtslage in China beiträgt. Angesichts der enormen Kluft zwischen Theorie und Wirklichkeit der chinesischen Menschenrechtspolitik genügt es nicht, nur an einer langfristigen Verbesserung der Gesetze und Verordnungen in der Volksrepublik zu arbeiten. Entscheidend sind die alltägliche Willkür staatlicher Organe und die dadurch ausgelöste Rechtsunsicherheit für die Bürger Chinas. Ein Dialog, der diesen Widerspruch zwischen Theorie und Praxis nicht zum zentralen Thema der Beratungen macht, wird kurz- oder mittelfristig nicht zu einer Verbesserung der Menschenrechtslage beitragen.

Wenig erfolgreich ist auch der 1996 begonnene EU-Menschenrechtsdialog mit der Volksrepublik China. So hat sich die Agenda der gemeinsamen Beratungen seit 1996 nicht verändert. Nur atmosphärisch hat sich die Lage bei den chinesischeuropäischen Verhandlungen entspannt, während in den Gefängnissen, Polizeistationen und Arbeitslager die Übergriffe der Sicherheitskräfte immer brutaler werden. Bei dem Dialog fehlt es an Transparenz und an konkreten Zielsetzungen sowie an einer ausreichenden Einbeziehung von Nichtregierungsorganisationen, sowohl aus China als auch aus dem Ausland.

Ergänzend zum Menschenrechtsdialog sollte die EU in internationalen Gremien wie der UN-Menschenrechtskommission und öffentlich die Lage der Menschenrechte in China kritisieren und nachdrücklich fordern, dass die Volksrepublik China ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen erfüllt und menschenrechtliche Grundstandards beachtet.

Empfehlungen

  • Das EU-Waffenembargo gegen China muss aufrechterhalten werden, solange sich die Lage der Menschenrechte in der Volksrepublik nicht nachdrücklich bessert und es nicht zu einer spürbaren Entspannung in den Beziehungen zu Taiwan kommt. Maßgebend für die Bewertung der Menschenrechtslage sollte dabei nicht die Unterzeichnung oder Ratifizierung von internationalen Konventionen oder Verträgen oder der Beschluss neuer Gesetze und Vorschriften sein, sondern nur die tatsächliche Lage. Denn traditionell ist die Differenz zwischen Theorie und Praxis in der Menschenrechtspolitik der Volksrepublik China sehr groß. So sind insbesondere von der in Aussicht gestellten Ratifizierung der Konvention über die Bürgerlichen und Politischen Rechte kurz- und mittelfristig kaum positive Impulse für den Kampf gegen Willkür und Rechtsunsicherheit zu erwarten.
  • Nationale Interessen müssen in der China-Politik der EU dem gemeinsamen Interesse aller Europäer an einer Förderung von Demokratie, Menschenrechten, Stabilität und Wohlstand in China untergeordnet werden. Nationale Alleingänge beim Buhlen um die Gunst der chinesischen Führung schwächen das politische Gewicht der Europäischen Union.
  • Empfehlungen und Beschlüsse nationaler Parlamente in der EU oder des Europaparlaments dürfen nicht länger ignoriert werden. So macht sich die deutsche Bundesregierung in China unglaubwürdig und erweist dem Rechtsstaatsgedanken einen Bärendienst, wenn sie für viel Geld einen Rechtsstaatsdialog mit der Volksrepublik führt, zugleich aber der Bundeskanzler das Votum des Bundestages, einer der drei entscheidenden Gewalten in dem Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland, ignoriert.
  • Die EU sollte einen Koordinator ernennen, der sich aktiv um die Bündelung der Aktivitäten der Mitgliedstaaten bei der Lösung der Konflikte in Tibet, Xinjiang und Taiwan bemüht.
  • Deutschland sollte als "bester Freund" und Partner der Volksrepublik China sein politisches Gewicht in Peking nutzen und aktiv zu einer friedlichen Lösung der Tibet-Frage, der angespannten Lage in Xinjiang und der eskalierenden Krise zwischen China und Taiwan beitragen. Deutschland sollte seinen Einfluss stärker nutzen, um sich für die Aufnahme ernsthafter und glaubwürdiger Verhandlungen zwischen der chinesischen Führung und dem Dalai Lama über die Zukunft Tibets einzusetzen.
  • Die EU sollte sich neutral im Konflikt zwischen China und Taiwan verhalten und sich gleichzeitig im Interesse der Sicherung der Stabilität in der Region stärker um eine Vermittlung zwischen beiden Seiten bemühen. Denn eine weitere Eskalation des Konflikts könnte auch die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zwischen der EU und China beeinträchtigen.
  • Ergänzend zum Menschenrechtsdialog sollte die EU in internationalen Gremien wie der UN-Menschenrechtskommission und öffentlich die Lage der Menschenrechte in China kritisieren und nachdrücklich fordern, dass die Volksrepublik China ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen erfüllt und menschenrechtliche Grundstandards beachtet.
  • Der EU-Menschenrechtsdialog muss reformiert werden. Es fehlt an Transparenz des Dialogs, an konkreten Zielsetzungen sowie an einer stärkeren Beteiligung von Nichtregierungsorganisationen. Insbesondere sollten unabhängige chinesische Nichtregierungsorganisationen stärker in die Beratungen einbezogen werden, um Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in China zu fördern. Auch sollte der Dialog noch stärker regelmäßig auf seine Effektivität und seinen Erfolg hin überprüft werden.

Plädoyer für eine neue China-Politik der Europäischen Union

Die Europäische Union (EU) verbindet mit der Volksrepublik China eine "Strategische Partnerschaft", die ständig weiter ausgebaut wird. In ihrem jüngsten Positionspapier zum Stand der Europäisch-Chinesischen Beziehungen, das unter dem Titel: "Eine reifende Partnerschaft: Gemeinsame Interessen und Herausforderungen in den Beziehungen zwischen der EU und China", das am 13. Oktober 2003 von der EU verabschiedet wurde, wird eine Vertiefung der Zusammenarbeit in politischen und wirtschaftlichen Fragen angestrebt. Auch die Effektivität des Menschenrechtsdialogs mit China soll verbessert werden.

Zwar haben wirtschaftliche Fragen seit jeher eine besondere Bedeutung im beiderseitigen Verhältnis, doch China wird von der EU nicht nur als aufstrebende Wirtschaftsmacht angesehen. Dies betonte der damalige Präsident der EU-Kommission Romano Prodi, als er am 15. April 2004 in einer Rede vor der Chinesisch-Europäischen Internationalen Wirtschaftsschule in Schanghai erklärte, China sei auf dem Wege zu einem Rechtsstaat und habe daher gemeinsam mit der EU große Herausforderungen zu bewältigen. "Die EU hat größtes Interesse an einem stabilen, wohlhabenden und offenen China", versicherte Prodi.

Doch bislang tut die EU nicht genug, um den Wandel zu mehr Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in China zu fördern. Mit der Organisation von Konferenzen und Seminaren zu Menschenrechtsfragen ist es zumindest nicht getan, um langfristig stabile Verhältnisse in einem Land zu schaffen, das von immer mehr sozialen, ethnischen und religiösen Auseinandersetzungen droht, zerrissen zu werden.

Ein überzeugendes und wirksames Engagement der EU für eine Demokratisierung und Stabilisierung Chinas sowie für eine Durchsetzung grundlegender Menschen-und Bürgerrechte scheitert immer wieder an den unterschiedlichen nationalen Interessen der EU-Staaten. Vor allem Deutschland und Frankreich liefern sich seit Monaten regelrecht einen Wettstreit um die Gunst der chinesischen Führung.

Französischer Kotau vor Peking

Mit einer Charmeoffensive wirbt der französische Staatspräsident Jacques Chirac um bessere Beziehungen zur Volksrepublik China. Aufwändig feierte Frankreich zwischen Oktober 2003 und Juli 2004 ein Chinesisches Jahr in Frankreich. Französische Fernsehsender brachten zahlreiche Sendungen über China, Schulen lehrten China-Kunde und 300 Veranstaltungen brachten das Partnerland näher. Zum Chinesischen Neujahrsfest erstrahlte der Eifelturm in den chinesischen Nationalfarben und 200.000 Pariser säumten die Champs Elysée, um die Parade chinesischer Tanzgruppen und den 40. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Frankreich und China zu feiern (Le Monde, 25.1.2004). Kritische Stimmen waren nicht erwünscht. Anhängern der in China verbotenen und unter massiver Repression leidenden Meditationsbewegung Falun Gong wurde die Teilnahme an dem offiziellen Umzug untersagt (Libération, 23.1.2004). Tibet-Gruppen und Menschenrechtsorganisationen protestierten daraufhin in einer Demonstration gegen die fortdauernden Menschenrechtsverletzungen in der Volksrepublik und gegen die verharmlosende Darstellung der Unterdrückung der Nationalitäten während der offiziellen Feiern. Im Anschluss an das China-Jahr in Frankreich wird nun in China ein Frankreich- Jahr zelebriert. So wurde Peking mit Wimpeln zur chinesisch-französischen Freundschaft geschmückt. Der bekannte französische Musiker Jean-Michel Jarre spielte in der Verbotenen Stadt und die Kunstflugstaffel der französischen Luftwaffe zeichnete die französischen Nationalfarben in den Himmel über der chinesischen Hauptstadt.

Als Chinas Präsident Hu Jintao im Januar 2004 Paris besuchte, wurde ihm die seltene Ehre zuteil, eine 30-minütige Ansprache vor dem französischen Parlament, der Nationalversammlung, zu halten. Doch nur 240 der 577 Abgeordneten verfolgten die Rede des Staatsgastes, auch viele Abgeordnete der Regierungspartei Chiracs boykottierten die Ansprache und schlossen sich Demonstranten an, die außerhalb des Parlaments auf die katastrophale Lage der Menschenrechte in der Volksrepublik aufmerksam machten (Associated Press, 27.1.2004). Andere zeigten im Plenum demonstrativ ihren Protest. So trug der Abgeordnete Philippe Foillot von der konservativen UDF-Partei während der Ansprache Hu Jintaos einen Knebel vor seinem Mund. Doch ungeachtet der Kritiker machte Präsident Chirac seinem chinesischen Gast den Hof. So sicherte er ihm nochmals ausdrücklich die Unterstützung bei den Bemühungen um eine Aufhebung des EU-Waffenembargos gegen China zu. Der Besuch Hu Jintaos endete mit der Unterzeichnung einer Gemeinsamen Französisch-Chinesischen Erklärung am 27. Januar 2004, in der Peking in allen wichtigen Fragen seine Position durchsetzen konnte. So bekräftigte Paris sein Festhalten an der Ein-China-Politik, setzte sich für eine Aufnahme Chinas in den Kreis der G 8-Staaten, der bedeutendsten Industrieländer, ein, äußerte sich nur in Lippenbekenntnissen zu Menschenrechtsfragen und stimmte einer verstärkten Zusammenarbeit in Fragen der zivilen Nutzung der Kernenergie zu. Präsident Chirac hatte seinen chinesischen Amtskollegenerstmals zur Teilnahme an einem in Evian vor dem G8-Gipfel im Juni 2003 stattfindenden Gesprächsforum eingeladen (SZ, 28.4.2003).

Auf allen Ebenen bemüht sich Chirac um eine Stärkung der Strategischen Partnerschaft Frankreichs mit China. So plädierte der französische Präsident auch für eine Vertiefung der verteidigungspolitischen Zusammenarbeit, als er am 20. Oktober 2004 den chinesischen Verteidigungsminister Cao Gangchuan in Paris empfing (AFP, 20.10.2004). Im November 2004 nahmen mehr als zehn Offiziere der französischen Armee, Marine und Luftwaffe an einem vom Chinesischen Verteidigungsministerium organisierten zehntägigen Seminar zu Fragen der Sicherheitspolitik, der Terrorismusbekämpfung und der Europäisch-Chinesischen Beziehungen teil (Xinhua, 24.11.2004). Im Februar 2003 hatten fünfzehn führende chinesische Offiziere an einer entsprechenden Tagung in Frankreich mitgewirkt (Presseerklärung Französisches Verteidigungsministerium, 21.2.2003).

Ungeachtet der immer massiveren Drohungen Pekings gegenüber Taiwan hat die französische Marine im März 2004 gemeinsame Seemanöver mit den chinesischen Seestreitkräften vor der Küste der Provinz Shandong durchgeführt (UPI, 12.3.2004). Die gemeinsamen Manöver einer französischen Fregatte und eines zum Anti-U-Boot-Kampf ausgerüsteten Zerstörers waren besonders brisant, da die chinesische Marine systematisch hochgerüstet wird, um sie für eine eventuelle Invasion Taiwans vorzubereiten. Doch seit der französische Verteidigungsminister Charles Millon am 8. April 1997 in Peking regelmäßige Dialoge auf höchster Ebene zu strategischen Fragen sowie eine Kooperation im technischen Bereich und in Infrastrukturfragen und einen Austausch von Informationen vereinbarte, hat Frankreich jede Zurückhaltung in der militärischen Zusammenarbeit mit Peking aufgegeben (AFP, 8.4.1997).

Buhlen um lukrative Aufträge

In Begleitung von 52 Industrievertretern reiste der französische Staatspräsident im Oktober 2004 zu einem fünftägigen Besuch nach China. Sein erklärtes Ziel war es, mehr Aufträge für die französische Industrie zu beschaffen. Denn ungeachtet des Buhlens steht Frankreich im internationalen Vergleich der Wirtschaftspartner Chinas relativ schlecht dar. Zwar ist Frankreich Chinas viertwichtigster Wirtschaftspartner in der EU, der bilaterale Wirtschaftsaustausch beläuft sich auf 13 Milliarden Euros, doch französische Unternehmen halten nur einen Anteil von 1,2 Prozent am Wirtschaftsmarkt China. Im bilateralen Handel weist Frankreich ein Handelsbilanzdefizit von sechs Milliarden Euros auf (AFP, 10.10.2004). Auch bei den Investitionen in China hinkt Frankreich hinter anderen europäischen Staaten her. So investierten französische Firmen 7,4 Milliarden US-Dollars im Jahr 2003 in dem ostasiatischen Staat, während deutsche Unternehmen 10 Milliarden US-Dollars im Reich der Mitte ließen.

Doch trotz immer neuer Ergebenheitsadressen Chiracs an die chinesische Führung erfüllte die Reise wirtschaftlich nicht alle ihre Ziele. Zwar unterzeichneten französische Unternehmen 20 Verträge im Wert von vier Milliarden Euros, doch der erhoffte Großauftrag für den Bau einer Schnellbahnstrecke zwischen Peking und Schanghai blieb aus (The Straits Times, 13.10.2004).

Ähnlich wie Bundeskanzler Gerhard Schröder, spricht auch Jacques Chirac in China über Menschenrechte vorzugsweise vor Studenten. So kann er gegenüber dem Wahlvolk zu Hause behaupten, die Lage der Menschenrechte angesprochen zu haben, ohne ernsthaft die chinesische Führung zu bedrängen. So wies der französische Präsident vor Studenten der Universität Tongji auf die Bedeutung der Menschenrechte hin und übergab seinen Gastgebern eine Liste mit zwölf Namen Inhaftierter, um deren Freilassung er bat (Le Figaro, 12.10.2004). Kein Wort des Präsidenten zur Verfolgung in Tibet und Xinjiang, zur Zerschlagung von Falun Gong, zur willkürlichen Verhaftung hunderter Christen, zu Arbeitslagern, Folter und der Todesstrafe.

China-Karte gegen die USA

Außenpolitisch verspricht sich Paris von seinen Alleingängen in der China-Politik eine Schwächung der Vormachtstellung der USA in der internationalen Politik. So appellierte Präsident Chirac während seines jüngsten China-Besuches an Peking, eine aktivere Rolle in den Vereinten Nationen zu spielen (Asia News, 12.10.2004). Eine neue Achse China – Europa könnte die Kräfteverhältnisse in der Welt nachhaltig zugunsten der Europäer verändern, hofft man in Paris (International Herald Tribune, 5.10.2004). Der Neo-Gaullist Jacques Chirac hat eine multipolare Vision internationaler Politik und setzt die Wirtschaftsbeziehungen gezielt ein, um Frankreichs Stellung unter den Weltmächten zu festigen.

Faustpfand Taiwan

Beim Kampf um die Wahrung des französischen Einflusses in der Weltpolitik düpiert Frankreich nicht nur seine europäischen Partner, sondern nimmt auch diplomatische Verstimmungen in Kauf, um der chinesischen Führung den Hof zu machen. So sicherte Chirac während des Besuches von Präsident Hu Jintao in Frankreich im Januar 2004 Peking seine uneingeschränkte Unterstützung in der Taiwan-Frage zu. Er bekräftigte nicht nur die auch von der EU vertretene Ein-China-Politik, sondern ging in seiner Solidarisierung mit der chinesischen Führung weiter als jeder andere ausländische Staatschef. So bezeichnete er die für den 20.März 2004 geplante Volksabstimmung über die Stationierung von Raketenabwehrsystemen, um sich gegen einen Angriff durch die Volksrepublik China zu schützen, als "unverantwortlich", "aggressiv", "schweren Fehler" und "gefährlich für die ganze Welt" (AP, 26.1.2004 / Libération, 30.1.2004). Damit machte sich Chirac nicht nur zum Fürsprecher offizieller chinesischer Hetzpropaganda, die mit immer neuen Drohungen den Druck auf Taiwan erhöht. Der französische Präsident verabschiedete sich damit auch vom Konsens der EU-Staaten, die sich zwar zur Ein-China-Politik bekennen, sich aber bemühen, sich im Konflikt zwischen Peking und Taipeh neutral zu verhalten und beide Parteien zur Mäßigung und friedlichen Konfliktlösung auffordern.

In Taiwan lösten die Äußerungen Chiracs Wut und Entsetzen aus. Der taiwanesische Präsident Chen Shui-Bian kritisierte Chiracs Stellungnahme als "unverständliche Einmischung eines Landes, das seit mehr als 200 Jahren regelmäßig Referenden organisiert, in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates" (Libération, 30.1.2004). Der taiwanesische Premierminister Yu Shyi-kun ließ zwei Minister-Besuche in Frankreich absagen und ordnete die zeitweilige Einstellung des Meinungsaustausches mit der französischen Regierung an. Noch massiver kritisierte die stellvertretende Präsidentin des taiwanesischen Parlaments, Annette Lü, Chiracs Parteinahme für Peking: "Es ist eine Schande….Um große Wirtschaftsaufträge zu erhalten, geht Chirac sogar so weit, die grundlegenden Werte Frankreichs zu opfern und die Würde der Demokratie mit Füßen zu treten".

Befremden lösten Chiracs Erklärungen auch im Französischen Außenministerium aus, wo man sich um Schadensbegrenzung bemühte. Führende Oppositionspolitiker, wie der Generalsekretär der Sozialistischen Partei, Francois Hollande, kritisierten Chiracs einseitige Parteinahme und warfen ihm vor, Menschenrechte mit Füßen zu treten. Noch zu Beginn der 90er-Jahre unterhielt Frankreich ausgezeichnete Beziehungen zu Taiwan. So verkaufte es 60 Mirage-Kampfflugzeuge und 6 Fregatten der Lafayette-Klasse im Wert von 2,5 Milliarden Euro im Jahr 1991 an Taiwan. Der umstrittene Rüstungstransfer hatte damals zu ernsthaften Verstimmungen in den Beziehungen zwischen Peking und Paris geführt. Doch diese Irritationen sind lange vergessen. In den letzten zehn Jahren hat sich Frankreich als bester Statthalter chinesischer Interessen in der EU profiliert.

Frankreichs Lobbying für China hat Tradition

Nach dem Eklat um den französischen Rüstungsverkauf nach Taiwan fand Peking im April 1996 endlich das geeignete Mittel, um einen Keil zwischen die EU-Staaten zu treiben. Lange hatte sich die chinesische Führung darüber geärgert, dass die EU alljährlich bei der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen Resolutionsentwürfe zur Verurteilung der Lage der Menschenrechte in der Volksrepublik einbrachte. Während eines Staatsbesuches in Frankreich zeigte Ministerpräsident Li Peng im April 1996 Interesse an der Lieferung von 33 Airbus-Flugzeugen. Frankreich kündigte darauf an, es werde in der nächsten Sitzung der UN-Menschenrechtskommission im April 1997 eine China -kritische Resolution nicht mehr mit tragen. Deutschland, Italien, Spanien und Griechenland schlossen sich dem französischen Vorstoß an. Diese fünf Staaten produzieren den Airbus gemeinsam. Präsident Chirac reiste schließlich im Mai 1997 nach China, um einen Vertrag über die Lieferung von Passagierflugzeugen zu unterzeichnen.

Dänemark hingegen, das eine China-kritische Resolution in der Menschenrechtskommission einbrachte, sah sich mit harschen Drohungen aus Peking konfrontiert. Auch unterbrach China den im Januar 1996 aufgenommenen Menschenrechtsdialog mit der Europäischen Union für einige Monate, um die EU wegen ihres Verhaltens in der UN-Menschenrechtskommission abzustrafen. Am 23. Februar 1998 beschlossen die fünfzehn EU-Außenminister, trotz der katastrophalen

Menschenrechtslage 1998 keine China-kritische Resolution in der Kommission einzubringen, sondern stattdessen den Menschenrechtsdialog mit Peking zu vertiefen. Seither hat die EU keine China-Resolution mehr in der Kommission eingebracht, sondern nur noch im Namen der EU-Präsidentschaft sowie in Reden einzelner europäischer Außenminister auf die anhaltend besorgniserregende Menschenrechtslage in China hingewiesen.

Seit 1990 hatte die EU in jedem Jahr kritische Resolutionen in die Kommission eingebracht, die jedoch nicht einmal zur Abstimmung kamen, da Peking gezielt bei afrikanischen, asiatischen und südamerikanischen Staaten um Unterstützung geworben hatte. Nur 1995 konnte sich China mit seinem Antrag auf Nichtbefassung mit der Resolution nicht durchsetzen. Dafür wurde die Resolution dann bei der Abstimmung abgelehnt.

Gerade das Beispiel des kleinen Dänemark zeigt, dass es durchaus möglich ist, Menschenrechtsverletzungen in China auch öffentlich anzusprechen, ohne dafür Jahre lang von China abgestraft zu werden. So reagierte die chinesische Führung erneut mit wütenden Protesten, als Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen im Juni 2003 den Dalai Lama empfing. Doch auch die Proteste Pekings hielten Rasmussen nicht davon ab, bei einer China-Reise im Februar 2004 Menschenrechtsverletzungen offen anzusprechen (The News International, 18.2.2004). Nichtsdestotrotz zog Chinas Staatspräsident bei dem Besuch Rasmussens eine sehr positive Bilanz der Beziehungen zwischen Dänemark und der Volksrepublik (People’s Daily, 1.3.2004). Wenn dem vergleichsweise kleinen und für China weder wirtschaftlich, noch politisch besonders bedeutsamen Dänemark es schon gelingt, offensiv für Menschenrechte in China einzutreten, dann hätte die EU noch ganz andere Möglichkeiten, wenn sie zu einer gemeinsamen China-Politik finden würde, die sich an der Beachtung der Menschenrechte orientiert.

Kanzler Schröder brüskiert Taiwan

Auch die deutsche Bundesregierung hat sich in ihrer Taiwan-Politik immer mehr vom Konsens der EU-Staaten entfernt. So appellierte die Bundesregierung nach einem Besuch des chinesischen Sondergesandten Dai Bingguo am 12. März 2004 an die taiwanesische Führung, die für den 20. März geplante Volksabstimmung abzusagen. Schröder versicherte gegenüber dem Sondergesandten nochmals nachdrücklich, Berlin werde an seiner Ein-China-Politik festhalten (People’s Daily, 13.3.2004). Auch Bundespräsident Horst Köhler betonte die große Bedeutung der Ein-China-Politik für die deutsch-chinesische Zusammenarbeit. "Die Stabilität der Beziehungen beruht nicht zuletzt darauf, dass Deutschland keinen Zweifel daran gelassen hat, dass es an einer klaren Ein-China-Politik festhält und eine friedliche Wiedervereinigung Chinas unterstützt", erklärte Köhler (Wirtschaftswoche, Sonderheft China, 29.9.2004).

Für Unruhe sorgte in Taiwan ein Bericht des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel", das am 4. Oktober 2004 über eine bevorstehende Neuorientierung in der deutschchinesischen Politik berichtete. So hätte die Bundesregierung China als Dank für die Pekinger Unterstützung beim deutschen Werben um einen ständigen Sitz im Weltsicherheitsrat versprochen, "sich in der heiklen Debatte um die Zukunft Taiwans deutlicher als früher auf die Seite Pekings zu schlagen".

Für Verstimmung hatten in Taiwan bereits Äußerungen des Bundeskanzlers während seines letzten Besuches in China im Dezember 2003 gesorgt. Schröder hatte sich am 1. Dezember 2003 nicht nur deutlich zur Ein-China -Politik bekannt, sondern auch zugesichert, dass Deutschland keine heiklen Produkte wie Rüstungsgüter nach Taiwan exportieren werde. Auch erklärte der Kanzler mit einem Verweis auf die deutsche Geschichte: "Wir wissen, was es bedeutet, wenn ein Land geteilt ist" (AP, 1.12.2003). In einer Diskussion mit Studenten in Kanton bekräftigte Schröder am 3. Dezember 2003, er verstehe den Standpunkt Chinas in der Taiwan-Frage nicht nur, sondern er teile ihn auch (Der Spiegel, 3.2.2003). "Ich glaube, dass China ein Land ist und bleiben muss", erklärte der Bundeskanzler. Politische Vernunft werde verhindern, dass Taiwan sich abspalte. China habe sich immer für die Einheit Deutschlands eingesetzt. "Es ist selbstverständlich, dass wir es auch tun", bekräftigte Schröder. Das Werben des Kanzlers für eine Wiedervereinigung befremdete nicht nur in Taiwan. Schließlich war der SPD-Politiker lange ein Gegner der deutschen Wiedervereinigung gewesen. Aber vor allem wird im demokratischen Taiwan jeder aus dem Ausland erteilte Rat zur Wiedervereinigung mit der diktatorisch geführten Volksrepublik China als anmaßend empfunden. Eine Reaktion, die verständlich ist: Auch im Deutschland der 70er- und 80er-Jahre wäre der Vorschlag einer Wiedervereinigung mit der diktatorisch geführten DDR kaum verstanden worden. Doch Schröders Realpolitik gegenüber der Volksrepublik China ignoriert solche Sensibilitäten.

Dabei ist Taiwan ein enger Wirtschaftspartner Deutschlands. Die Bundesrepublik ist Taiwans wichtigster Handelspartner in der EU. Doch auch für Deutschland ist die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Insel sehr bedeutend. So ist Taiwan bei den Einfuhren nach Deutschland im Jahr 2003 der viert wichtigste asiatische Staat mit einem Warenumfang von 5,5 Milliarden Euro, bei den Ausfuhren rangiert Taiwan mit 3,8 Milliarden Euro auf Rang fünf der Handelspartner Deutschlands in Asien (Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2004).

Taiwan-Politik der EU widersprüchlich

Frankreichs und Deutschlands Buhlen um die Gunst der chinesischen Führung macht die EU-Politik gegenüber Taiwan immer unglaubwürdiger und lässt angesichts zunehmender Spannungen zwischen Peking und Taipeh nichts Gutes befürchten. Zwar sind die Konflikte in der Taiwan-Strasse nicht neu, doch in den letzten Wochen eskalierten die verbalen Angriffe Pekings gegenüber Taiwan. So wies die chinesische Führung Appelle des taiwanesischen Präsidenten zur Aufnahme eines Dialogs und zur militärischen Abrüstung in der Taiwan-Strasse entschieden ab. So warnte der Sprecher des Pekinger Taiwan Büros, Zhang Mingqing, wenn Taiwans Präsident die Ausrufung eines unabhängigen Staates anstrebe, dann würde dies "eine große Katastrophe" auslösen (Asia News, 13.10.2004). Noch deutlicher wurde der für Taiwan-Fragen zuständige stellvertretende Minister, Wang Zaixi, der einen Krieg vorhersagt, sollte Taiwan sich für unabhängig erklären (Asia News, 26.11.2004).

Taiwan ist der drittwichtigste Handelspartner der EU in Asien mit einem bilateralen jährlichen Handelsumfang von 37 Milliarden Euro. Zwar unterhalten EU-Staaten keine diplomatischen Beziehungen mit der Insel, doch Taiwan verfügte bereits vor der EU-Erweiterung über Handelsvertretungen in zwölf der fünfzehn EU-Staaten. Seit dem 10. März 2003 unterhalten die Europäer in Taiwan ein "Europäisches Wirtschafts- und Handels-Büro".

Zwar betont die EU ihre neutrale Haltung in dem Konflikt zwischen Peking und Taipeh. Doch zugleich drängt die Volksrepublik China immer massiver, um ihren Alleinvertretungsanspruch auf allen Ebenen durchzusetzen. Vor allem das Europaparlament bekommt den Zorn der chinesischen Führung regelmäßig zu spüren, wenn es sich für eine friedliche Lösung der Taiwan-Frage und für eine Aufwertung Taiwans in den bilateralen Beziehungen einsetzt (China Daily, 12.9.2002). Nachdrücklich verurteilte die Sprecherin des chinesischen Außenministeriums, Zhang Qiyue, einen Appell des Europaparlaments, die Europäische Kommission solle Taiwan bei seinen Bemühungen um die Aufnahme in die Weltgesundheitsorganisation (WHO) unterstützen (China Daily, 20.3.2002).

Als der taiwanesische Präsident auf Einladung des Europaparlaments im März 2003 die Abgeordneten in Brüssel besuchen wollte, verweigerte Belgien in Absprache mit den übrigen EU-Staaten ein Visum (AFP, 16.3.2003). China reagierte entrüstet auf die Einladung, die "die gute chinesisch-europäische Zusammenarbeit" gefährden würde. Während jeder Diktator mit mehr oder weniger offenen Armen in Brüssel empfangen wird, gilt dies nicht für das demokratische Taiwan, den drittwichtigsten Handelspartner der EU in Asien. So wird den fünf wichtigsten Repräsentanten Taiwans regelmäßig die Einreise in die EU verweigert, obwohl die EU-Kommission in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage eines Europaparlamentariers im Jahr 2001 noch erklärte: "Die Europäische Union verfolgt keine Politik, die darauf abzielen würde, taiwanesischen Regierungsbeamten Visa zu verweigern" (Antwort des EU-Kommissars für Auswärtige Angelegenheiten Patten / E-0868/01, 15.5.2001). Andere taiwanesische Minister können ein Visum beantragen und in die EU einreisen.

Schröder und Chirac werben für Aufhebung des EU-Waffenembargos

Bundeskanzler Gerhard Schröder sicherte der chinesischen Führung bei seinem Besuch in Peking am 1.Dezember 2003 zu, sich für eine Aufhebung des Waffenembargos der Europäischen Union (EU) gegen die Volksrepublik China einzusetzen. Er signalisierte in Gesprächen mit Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao, es sei "an der Zeit dafür", die nach einem Massaker an Anhängern der Demokratiebewegung 1989 erlassene Sanktion aufzuheben (dpa, 1.12.2003). Das Embargo war am 26. Juni 1989 verhängt worden, nachdem am 3./4. Juni 1989 Hunderte Demonstranten auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking einem Massaker der chinesischen Volksbefreiungsarmee zum Opfer gefallen waren. Das China von heute sei nicht mehr das der Panzer auf dem Platz des Himmlischen Friedens, hieß es zur Rechtfertigung der Zusage des Bundeskanzlers aus Regierungskreisen. China sei heute ein verlässlicher Partner in den Vereinten Nationen. Doch diese Aussage dürfte sich wohl nicht auf die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen beziehen, in der die Volksrepublik mit allen Mitteln versucht, einer Verurteilung aufgrund der schweren Menschenrechtsverletzungen und der Verletzung internationaler Konventionen zum Schutz der Menschenrechte zu entgehen. Als die US-Regierung am 22. März 2004 ankündigte, einen Resolutionsentwurf zur Verurteilung in die diesjährige Sitzung der UN-Menschenrechtskommission in Genf einzubringen, setzte China aus Verärgerung seinen Dialog über Menschenrechtsfragen mit der US-Regierung aus.

Schröders Äußerungen stießen in Deutschland nicht nur in den Medien und bei Menschenrechtsorganisationen auf Kritik. Auch vom Koalitionspartner Bündnis 90 / Die Grünen wurde die Zusage des Bundeskanzlers massiv kritisiert. Der Verteidigungsexperte der Grünen, Winfried Nachtwei, erklärte, es gebe "keine Veranlassung, das Embargo aufzuheben" (Netzeitung, 1.12.2003). Abgeordnete der CDU, FDP und Grünen kritisierten, Schröder habe seine Ankündigung angesichts der Spannungen zwischen China und Taiwan zum falschen Zeitpunkt gemacht (dpa, 2.12.2003). Die FDP beantragte, der Deutsche Bundestag solle Bundeskanzler Schröder auffordern, "seine angekündigte Initiative zur Aufhebung des EU-Waffenembargos gegen die Volksrepublik China zurückzunehmen". Skeptisch äußerte sich neben der Vorsitzenden des Menschenrechtsausschusses des Deutschen Bundestages, Christa Nickels von Bündnis 90 / Die Grünen, auch die Parteivorsitzende der Grünen, Angelika Beer. Es sei noch "sehr früh" für deutsche Waffenexporte nach China und eine Aufhebung des Embargos, wird Beer zitiert (dpa, 1.12.2003). Verärgert zeigte sich der grüne Abgeordnete Winfried Hermann: "Der Kanzler macht der Koalition Ärger mit solchen hemdsärmeligen Zusagen" (Netzeitung, 1.12.2003). Außenminister Joschka Fischer äußerte sich aufgrund der innerparteilichen Proteste in den folgenden Monaten auch sehr viel zurückhaltender als der Bundeskanzler und wies Ende Januar 2004 darauf hin, dass vor einer Aufhebung des Embargos noch ausführlicher über die Lage der Menschenrechte und das Verhältnis der Volksrepublik zu Taiwan gesprochen werden müsse.

In einem am 13. Oktober 2003 veröffentlichten Grundsatzpapier des chinesischen Außenministeriums zum Verhältnis der Volksrepublik China zur EU hatte Peking die Aufhebung des Waffenembargos gefordert. China bezeichnete das Embargo als "Relikt des Kalten Krieges", das "nicht im Interesse der Entwicklung der Beziehungen zwischen der EU und der Volksrepublik China ist" (AFP, 9.3.2004). Die Aufhebung des Embargos sollte nicht von der Menschenrechtslage abhängig gemacht werden, forderte der Sprecher des Chinesischen Außenministeriums Kong Quan im April 2004 (UPI, 27.4.2004). China habe, wie viele europäische Staaten, keine perfekte Menschenrechtsbilanz, sein Land mache aber Fortschritte. Auch hätte eine Mehrheit der internationalen Staatengemeinschaft bei der soeben zu Ende gegangenen UN-Menschenrechtskommission die Erfolge und Fortschritte Chinas bei der Umsetzung der Menschenrechte sehr gelobt, erklärte der Ministeriumssprecher (UPI, 27.4.2004). Schon zuvor hatte sich Frankreichs Verteidigungsministerin Michele Alliot-Marie bei einem Besuch in Peking am 30. Juni 2003 für ein Ende des Embargos sowie für einen Ausbau der militärischen Zusammenarbeit ausgesprochen. So schlug die französische Ministerin auch vor, China geheime Militärtechnologie zur Verfügung zu stellen (Hindustan Times, 14.10.2003). Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac sicherte der chinesischen Führung bei einer Visite des chinesischen Partei- und Staatschefs Hu Jintao in Paris im Januar 2004 nochmals die uneingeschränkte Unterstützung seines Landes in dieser Frage zu. "Dieses Embargo macht nicht länger irgendeinen Sinn", befand Präsident Chirac auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem chinesischen Amtskollegen (AP, 27.1.2004). Der französische Außenminister Dominique de Villepin bekräftigte diese Einschätzung, indem er erklärte: "Unser Gefühl ist, dass dieses Embargo aus einer Zeit der Beziehungen zwischen der Europäischen Union und China stammt, die heute überholt ist. China ist heute ein privilegierter Partner der EU und hat eine bedeutende und verantwortungsvolle Position in der internationalen Staatengemeinschaft" (BBC, 26.1.2004). In diesem Sinne hat Frankreich seinen EU-Partnern ein vierseitiges Memorandum mit dem Titel "Überlegungen zur Zukunft der Beziehungen zwischen der Europäischen Union und China" übermittelt, in dem es heißt: "Der Aufbau einer ‚Strategischen Partnerschaft’ bedeutet, dass man sich abkehrt von einer Logik des Strafens und der Sanktionen" (Le Monde, 12.3.2004).

Frankreichs Oppositionsführer, der Vorsitzende der Sozialistischen Partei, Francois Hollande, zeigte sich "schockiert" vom Verhalten Chiracs: "Ich verstehe nicht, wie die französische Regierung ein Verfahren zur Aufhebung des Waffenembargos gegen China einleiten kann, wenn ein Konflikt mit Taiwan möglich ist" (AFP, 29.1.2004).

Es war auch Frankreichs Staatspräsident Chirac, der sich auf einem EU-Gipfel in Brüssel im Dezember 2003 für eine Erörterung des Themas im Rat der EU-Außenminister am 26. Januar 2003 einsetzte (NZZ, 26.1.2004). Frankreichs Verteidigungsministerin Michèle Alliot-Marie bekräftigte bei einem Besuch in China am 30. Juni 2004, dass sich ihr Land weiterhin für ein Ende der Sanktionen einsetzt: "Wir arbeiten hart, um zu versuchen, das Verbot aufzuheben", versicherte Alliot-Marie (dpa, 30.6.2004).

Während seines China-Besuches im Oktober 2004 erneuerte Chirac seine Forderung, das Embargo unverzüglich aufzuheben, weil es nicht mehr dem Zeitgeist entspreche (Asia News, 9.10.2004). Das Embargo bezeichnete Chirac als eine "Maßnahme, die einzig und alleine aus Feindschaft gegenüber China beschlossen worden sei (AP, 10.10.2004). "Ich denke, dass das Embargo in den nächsten Monaten aufgehoben wird", äußerte sich Chirac zuversichtlich (Bloomberg, 10.10.2004). Chiracs Werben für ein Ende der Sanktionen stößt unter französischen Politkern durchaus nicht nur auf Zustimmung. Nicht nur Sozialisten und Grüne kritisieren die plumpe Anbiederung gegenüber der chinesischen Führung, auch unter konservativen Politikern ist Chiracs Schmuse-Kurs nicht unumstritten. So kritisierte der bekannte Abgeordnete Alain Madelin der gaullistischen Regierungspartei UMP Chiracs Äußerungen: "Ich bin schockiert darüber, dass Frankreich sich für ein Ende des Waffenembargos gegen China einsetzt", erklärte Madelin (AFP, 10.10.2004). "Warum wollen wir Waffen an China verkaufen ? Um Tibet zu unterdrücken ? Um die muslimische Minderheit der Uiguren zu verfolgen ? Um Taiwan zu bedrohen ?", fragte Madelin kritisch.

Doch der Druck von Präsident Chirac und Bundeskanzler Schröder zeigt langsam Wirkung. So erklärte sich schließlich auch Dänemarks Premierminister Anders Fogh Rasmussen grundsätzlich bereit, einem Ende des Embargos zuzustimmen. "Wir wollen in konstruktiver Weise zu einer Lösung bei der Aufhebung des Embargos beitragen, in dem wir es mit einem Fortschritt in Menschenrechtsfragen in China verbinden", erklärte er (AFP, 1.3.2004). Der Präsident der Europäischen Kommission Romano Prodi, der EU-Kommissar für Außenbeziehungen, Christopher Patten, und der EU-Kommissar für Handel, Pascal Lamy, sprachen sich im Vorfeld dieser Erörterungen für eine Aufhebung des Embargos aus. "Es ist sehr deutlich, dass sich die Lage in China dramatisch verändert hat und dass die neue Führung (in China) eine neue Generation vertritt", erklärte Patten (People’s Daily, 27.1.2004). Die Menschenrechtslage in China habe sich seit der Verhängung des Embargos verbessert, selbst wenn die EU auch noch nicht vollkommen zufrieden sei mit der Menschenrechtssituation, ergänzte der EU-Kommissar für Außenbeziehungen.

Alle Staaten äußerten in der Sitzung der EU-Außenminister am 26. Januar 2004 grundsätzlich ihre Bereitschaft zur Aufhebung des Embargos. Angesichts der Menschenrechtslage sowie der gespannten Beziehungen Pekings zu Taiwan bestand jedoch weiterer Klärungsbedarf, so dass in Brüssel Ende Januar noch keine endgültige Entscheidung gefasst wurde. Fachkomitees wurden von den Außenministern mit der Ausarbeitung von Studien beauftragt. Die Niederlande, Schweden und Dänemark äußerten Bedenken gegen ein Ende des Embargos. Doch insbesondere Frankreich drang darauf, noch vor der Aufnahme der neuen Mitgliedstaaten in die EU am 1. Mai 2004 die Sanktionen aufzuheben. Doch die Attentate von Madrid zwangen die EU-Außenminister bei ihren Beratungen zu einer drastischen Änderung ihrer Prioritätenliste. Der Kampf gegen den Terror in Europa wurde bei den kommenden EU-Gipfeltreffen zum alles beherrschenden Thema und verdrängte die Diskussion über die Zukunft des EU-Waffenembargos, so dass vor der Aufnahme der neuen EU-Mitgliedstaaten keine Entscheidung über die Fortführung der Sanktionen fiel. Die Entscheidung müsse einstimmig gefällt werden unter Mitwirkung der neuen Mitgliedsländer, erklärte Kommissionspräsident Romano Prodi nach der Erweiterung der EU.

Europäer sind sich nicht einig

Bei mehreren Sitzungen des Rats der EU-Außenminister konnte sich die EU nicht auf eine Beendigung des Embargos verständigen. Eine schnelle Aufhebung der Sanktionen wurde im Juni 2004 ausgeschlossen (Independent, 2.6.2004). Doch China drängte immer entschiedener auf ein Ende des Embargos. Als die EU im Oktober erneut die Aufhebung ablehnte, kritisierte China das Verhalten der Europäer. Eine Sprecherin des chinesischen Außenministeriums versicherte, niemals sei der Schutz der Menschenrechte in China besser gewesen (Radio Australia, 13.10.2004). Eine Verknüpfung der Aufhebung des Embargos mit Menschenrechtsfragen sei "Unsinn", erklärte Gu Junli, ein Experte der Staatsnahen Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften (Xinhua, 24.11.2004). "Denn China führt mit verschiedenen Staaten einen Dialog über Menschenrechtsfragen". Wieder einmal wird der seit 1996 zwischen der EU und China geführte Dialog als Feigenblatt benutzt, um demokratische Reformen zu suggerieren. Tatsächlich hat der Dialog nicht zu einer Verbesserung der Menschenrechtslage geführt.

Während des ASEM-Gipfels zwischen asiatischen und europäischen Staaten im Oktober 2004 in Hanoi setzte sich der chinesische Premierminister Wen Jiabao erneut für ein Ende der Sanktionen ein. "Sie sind mit der europäisch-chinesischen Strategie für eine strategische Partnerschaft vollkommen unvereinbar", erklärte der stellvertretende chinesische Außenminister Shen Guofang (Asia News, 5.10.2004).

Doch bei einer neuerlichen Beratung im Rat der EU-Außenminister konnte am 11. Oktober 2004 wiederum keine Einigung erzielt werden. "Weitere Diskussionen sind erforderlich", erklärte Außenminister Joschka Fischer nach den Beratungen (Reuters, 11.10.2004). Der Ratsvorsitzende, der niederländische Außenminister Bernard Bot, zeigte sich verhalten optimistisch: "Wir hoffen, dass wir zumindest eine positive Orientierung hinsichtlich einer Aufhebung signalisieren können" (CNS News, 13.10.2004). Die EU wolle die Überarbeitung des Verhaltenskodexes für Waffenexporte beschleunigt überarbeiten, um bessere Bedingungen für ein Ende der Sanktionen zu schaffen, erklärte Bot (AFP, 11.10.2004). Polen, Tschechien, Großbritannien, Irland, Dänemark, Schweden und die Niederlande äußerten erneut Vorbehalte gegenüber einem Ende der Sanktionen. Vor der Rats-Tagung hatte der Sondergesandte des US-Außenministeriums Gregory Suchan, ein hochrangiger Abteilungsleiter für politisch-militärische Angelegenheiten, in Brüssel Gespräche mit den Delegationen verschiedener Staaten zu dem Embargo geführt. Eine mögliche Aufhebung des Embargos bezeichnete Suchan als "ernsthaftes Hindernis" bei der Entwicklung der verteidigungspolitischen Beziehungen zwischen der USA und der EU (Le Monde, 11.10.2004).

Vor dem EU-China Gipfeltreffen in Den Haag am 8. Dezember 2004 mobilisierte Peking nochmals massiv, um die EU zu einer Aufgabe der Sanktionen zu drängen. "China wendet sich nachdrücklich dagegen, die Aufhebung des Embargos mit Menschenrechtsfragen zu verbinden", warnte die Sprecherin des chinesischen Außenministeriums Zhang Qiyue. "Der Fortschritt Chinas und der Menschenrechte ist für alle offenkundig", behauptete die Ministeriumssprecherin (AP, 2.12.2004). Wenn die EU trotzdem das Embargo aufrechterhalte, dann sei dies eine "politische Diskriminierung" und würde die bilateralen Beziehungen belasten (Bloomberg, 3.12.2004 / BBC, 3.12.2004). Angesichts des wachsenden Druckes aus Peking signalisierte die EU Entgegenkommen. So äußerte der niederländische Außenminister Bernard Bot vor dem EU-China Gipfel in Den Haag die Hoffnung, die EU werde China ein "positives Zeichen" geben, dass sie an der Aufhebung des Embargos arbeite (Xinhua, 23.11.2004).

Bundestag wendet sich gegen China-Politik des Bundeskanzlers

Bundeskanzler Schröder kündigte bereits vor seiner Anfang Dezember 2004 beginnenden sechsten China-Reise in sechs Jahren an, sich auch weiterhin vehement für eine Aufhebung des Waffenembargos einzusetzen. Unbeirrt hält er trotz Medienschelte und Kritik aus der eigenen Partei sowie von anderen Bundestagsfraktionen an dieser Politik fest.

Im Deutschen Bundestag findet der Bundeskanzler keine Mehrheit für seine Politik. "Die FDP hält die Aufhebung des Waffenembargos für einen Skandal", kritisierte der außenpolitische Sprecher der FDP, Werner Hoyer (Presseerklärung FDP, 3.7.2004). "Unsere Einschätzung ist weiterhin, dass sich trotz aller Veränderungen in China die Dinge noch nicht so entwickelt haben, dass eine vollständige Aufhebung des Embargos gerechtfertigt wäre", erklärte im Juli 2004 der verteidigungspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion der Grünen, Winfried Nachtwei (Financial Times, 6.7.2004). Keine Fraktion unterstütze den Kanzler, "auch die SPD-Kollegen nicht, wenn man mit ihnen spricht", meinte Nachtwei. Neben dem Menschenrechtsauschuss hat sich auch der Auswärtige Ausschuss gegen eine Aufhebung des Embargos ausgesprochen. Als "Panne" bezeichnete der SPD-Obmann im Auswärtigen Ausschuss, Gert Weisskirchen, dass auch SPD-Abgeordnete in dem Ausschuss gegen die Politik des Kanzlers stimmten. Zwei SPD-Abgeordnete hatten mit ihrer Stimme in dem Ausschuss einem FDP-Antrag auf Beibehaltung des Embargos zur Mehrheit verholfen. Die Abgeordneten der Grünenhatten sich bei der Abstimmung der Stimme enthalten.

Dabei hat die Führung der SPD-Fraktion schon versucht, dem Bundeskanzler das Schlimmste zu ersparen. Als im Herbst 2004 Abgeordnete der FDP-Fraktion einen Antrag einbrachten, eine Aufhebung des Waffenembargos solange abzulehnen, bis sich die Menschenrechtslage in China "entscheidend und nachhaltig verbessert" habe, sah sich die SPD-Fraktion gezwungen, gemeinsam mit Bündnis 90 / Die Grünen darauf zu reagieren. So brachte man einen Gegenentwurf ein, der eine Aufhebung des Embargos nicht grundsätzlich ausschließt, aber momentan zumindest die Bedingungen dafür als nicht erfüllt ansieht. Trotz weiterer Verwässerungen dieses Entwurfes, der dann schließlich mit den Stimmen der Regierungsparteien am 28. Oktober 2004 angenommen wurde, wird eine Aufhebung des Embargos zum heutigen Zeitpunkt abgelehnt und vor allem von einer schärferen Fassung des EU-Verhaltenskodexes für Waffenexporte abhängig gemacht. Auch wird eine Verbesserung der Autonomie der Minderheiten, eine Ratifizierung der Konvention über Bürgerliche und Politische Rechte sowie Verfassungsänderungen im Bereich der Menschenrechte und des Privateigentums in China erwartet. Obwohl in der Öffentlichkeit auch so schon der Eindruck entstand, dass der Kanzler sich über den Willen des Parlaments hinwegsetzt, konnte die SPD-Fraktion zumindest verhindern, dass sich der Bundestag grundsätzlich gegen jede Aufhebung der Sanktionen aussprach. Für den Bundeskanzler ist das Festhalten an der Aufhebung des Embargos auch eine Imagefrage. Bei einem Scheitern fürchtet er um seine Glaubwürdigkeit bei den chinesischen Partnern, weil der von ihm während seiner letzten China-Reise ohne vorherige Absprache mit den Grünen angekündigte Verkauf der Hanauer Plutoniumfabrik an China bereits nicht durchsetzbar war. Ein zweites Scheitern seiner Alleingänge will der Bundeskanzler um jeden Preis vermeiden.

Europäisches Parlament fordert Aufrechterhaltung des Embargos

Mit ihrer grundsätzlichen Zustimmung zu einer Aufhebung des Embargos gehen die EU-Außenminister über anders lautende Empfehlungen des Europäischen Parlaments hinweg. Mehrfach hatten sich die Europaparlamentarier in den letzten Jahren für eine Beibehaltung der Sanktionen ausgesprochen. Als 1997 Frankreich drängte, das Verhältnis zu China zu normalisieren und eine breitere Zusammenarbeit mit der Volksrepublik anzustreben, bekräftigte das Europaparlament in einer am 12. Juni 1997 verabschiedeten Resolution sein Nein zu einer Aufhebung des Waffenembargos. Nachdrücklich forderten die Parlamentarier in der Resolution den Europäischen Rat auf, sich bei den EU-Mitgliedstaaten über die Maßnahmen zu informieren, die ergriffen wurden, um eine Beachtung des Embargos zu gewährleisten. Angesichts der "unbefriedigenden Menschenrechtslage" sprach sich das Europaparlament am 18. Dezember 2003 mit überwältigender Mehrheit (373 Ja-Stimmen, 32 Nein-Stimmen, 29 Enthaltungen) in einer Resolution für die Aufrechterhaltung des Embargos aus (Ansa, 18.12.2003). "China hat noch einen langen Weg vor sich, um Demokratie einzuführen und den Schutz der Menschenrechte zu gewährleisten und um uns zu überzeugen, dass es ein friedlicher Partner in der internationalen Gemeinschaft ist", erklärte der Abgeordnete der britischen Konservativen, Geoffrey Van Orden. "Es ist voreilig, jetzt irgendeine Aufhebung des Waffenembargos zu erwägen", warnte der britische Europaparlamentarier (Reuters, 17.12.2003). Als "empörend" bezeichnete der britische Vorsitzende der Liberalen Fraktion im Europaparlament, Graham Watson, die geplante Beendigung des Embargos: "Das Waffenembargo ist eines der wenigen Druckmittel, das europäische Regierungen noch haben, um Druck auf die Chinesen auszuüben" (AP, 26.1.2004). Noch deutlicher fiel das jüngste Votum des erweiterten Europarlaments gegen eine Aufhebung des Waffenembargos aus. Am 18. November 2004 stimmten 572 Abgeordnete für eine Beibehaltung der Sanktionen, nur 72 plädierten für ein Ende des Embargos (Deutsche Welle, 18.11.2004). Zuvor hatte der spanische Abgeordnete Raul Romeva Rueda einen 26 Seiten umfassenden Report vorgelegt, der eine äußerst kritische Bilanz der Waffenexportpraxis der EU und ihres Verhaltenskodexes für Rüstungslieferungen zog. "Das Hauptproblem des Verhaltenskodexes ist, dass er ein sehr schwaches Instrument ist", warnte Rueda. Der Vorsitzende der Gruppe der Grünen im Europaparlament, Daniel Cohn-Bendit, bezeichnete es als "skandalös", dass Frankreich eine Aufhebung des Embargos betreibt. "Das Embargo ist die einzige politische Waffe, um China zu bedeuten, dass sein Verhalten gegenüber Tibet und Taiwan nicht den Normen des Völkerrechts entspricht", erklärte der Parlamentarier (Presseerklärung Cohn-Bendit, 26.1.2004). "Der Schutz der Menschenrechte muss unser oberstes Ziel bleiben. Die Aufhebung des Embargos wäre ein schwerer Schlag für alle, die sich in China für Freiheit und Menschenrechte einsetzen", betonte der Abgeordnete der französischen Grünen, der inzwischen für die deutschen Grünen im Europaparlament sitzt. Der deutsche CDU-Europaparlamentarier Michael Gahler warf Deutschland und Frankreich aufgrund ihres gemeinsamen Vorstoßes zur Aufhebung des Embargos eine "egoistische Verschwörung" vor (Reuters, 17.12.2003). Die Vorbedingungen für eine Aufhebung des Embargos sind einfach nicht erfüllt, erklärte der konservative Europaparlamentarier Thomas Mann: "Die EU basiert auf der Erhaltung und Bewahrung der Menschenrechte. Wir können nicht in die entgegen gesetzte Richtung gehen" (Deutsche Welle, 18.11.2004).

Der britische Europaparlamentarier Graham Watson, Vorsitzender der Fraktion der Liberalen und Demokraten, entrüstete sich: "Wir werden nicht die Demokratie in China schneller bekommen, wenn wir Waffen an Diejenigen verkaufen, die sie unterdrücken. Bis der Respekt für Menschenrechte und bürgerliche und politische Grundfreiheiten sich deutlich verbessert hat, sollte sich die Position der EU nicht ändern" (International Herald Tribune, 4.8.2004).

Waffenembargo war seit Jahren umstritten

Als die EU-Außenminister am 26. Juni 1989 in Madrid das Waffenembargo gegen China beschlossen, waren sie empört über das Vorgehen der chinesischen Führung und Armee gegen die Demokratiebewegung und wollten ein Zeichen des Protestes setzen. Doch auch damals bestand schon keine Einigkeit unter den Ministern bei der Interpretation des Begriffes "Waffenembargo". Da es keine einheitlichen Standards für Rüstungsexporte gab, war es jedem Mitgliedsstaat überlassen, den Embargo-Beschluss gemäß seinen nationalen Gesetzen zu interpretieren und umzusetzen.

Schon bald zeigte sich, dass einige EU-Staaten den Begriff der "Waffen" sehr eng fassten, um ihrer Rüstungsindustrie den Export von Gütern nach China nicht vollkommen zu verbieten. Sowohl Frankreich als auch Großbritannien untersagten nur den Export von tödlichen Rüstungsgütern und von Waffen, die zur Aufstandsbekämpfung eingesetzt werden konnten. Weiterhin exportiert wurden aber Radarsysteme, Hubschrauber und vor allem viele "Dual Use"- Produkte, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke gebraucht werden können. So lieferte Großbritannien Searchwater Radare und Frankreich AS-365N Dauphin-2 Hubschrauber nach Verhängung des Embargos nach China. Gemäß dem Fünften Jahresbericht, den der Rat der EU dem Europaparlament am 31. Dezember 2003 über die europäische Rüstungsexportpolitik zugeleitet hat, hat Frankreich im Jahr 2002 nach eigenen Angaben Genehmigungen über den Export von Rüstungsgütern nach China im Wert von 105 Millionen Euro erteilt. Großbritannien stellte im gleichen Zeitraum Genehmigungen für die Lieferung militärischer Güter im Wert von 79 Millionen Euro an die Volksrepublik aus (Fifth Annual Report according to Operative Provision 8 of the European Code of Conduct on Arms Exports, 2003/C 320/01).

In der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage erläuterte die britische Regierung 1995, das Waffenembargo verbiete die Lieferung tödlicher Waffen (Maschinengewehre, Bomben, Torpedos, Raketen), Munition, von Kampfflugzeugen und Hubschraubern, Kriegsschiffen, gepanzerten Fahrzeugen sowie jeder Ausrüstung, die für die Aufstandsbekämpfung eingesetzt werden kann.

Frankreich interpretierte den Embargobeschluss noch großzügiger und sah auch keine Probleme in einem Ausbau der militärischen Beziehungen, der Ausbildung sowie in der technischen Kooperation, wie der französische Verteidigungsminister Charles Millon auf einer Pressekonferenz in Peking am 8. April 1997 versicherte (AFP, 8.4.1997).Mit der Neuausrichtung und Normalisierung der europäischchinesischen Beziehungen im Jahr 1997 wurde auch der Ruf nach einer Modifizierung oder Aufhebung des Waffenembargos lauter. Frankreich und Italien forderten eine Anpassung der Embargo-Bestimmungen an die neue Lage, auch der portugiesische Verteidigungsminister kündigte 1997 an, dass die Sanktionen eventuell bald aufgehoben würden.

Europäischer Verhaltenskodex bietet keine Sicherheit

Die EU-Außenminister bestreiten, dass nach einer Aufhebung des Waffenembargos die Rüstungsexporte nach China deutlich zunehmen würden. Zur Begründung verweisen sie auf den EU-Verhaltenskodex für Rüstungsexporte. Er war am 11. Juni 1998 verabschiedet worden und schreibt acht Kriterien für die Genehmigung von Rüstungsgeschäften fest. Jeder EU-Staat verpflichtet sich, anhand dieser Kriterien bei der Vergabe von Genehmigungen vorzugehen und jährliche Berichte über den Rüstungsexport zusammenzustellen. Alle Angaben über erteilte oder verweigerte Ausfuhrgenehmigungen sollen auf freiwilliger Basis dem EU-Rat der Außenminister gemeldet werden, der wiederum jährlich das Europaparlament in einem Bericht über die Ausfuhrpraxis der Mitgliedstaaten informiert.

Acht Kriterien des Verhaltenskodex:

  • Internationale Verpflichtungen: Eine Genehmigung für Rüstungsexporte darf nicht erteilt werden, wenn sie internationale Verpflichtungen der EU-Mitgliedstaaten verletzen würde, z.B. wenn sie gegen ein Waffenembargo verstoßen würde.
  • Menschenrechte: Waffen dürfen nicht ausgeführt werden in Länder, in denen Menschenrechte verletzt werden, d.h. in denen ein klares Risiko besteht, dass gefoltert und willkürlich verhaftet wird, dass Menschen verschwinden, dass Bürger unmenschlich oder demütigend behandelt oder bestraft werden oder dass andere schwere Menschenrechtsverletzungen begangen werden.
  • Krisengebiete: In Gebiete, in denen bereits Spannungen oder bewaffnete Konflikte bestehen, sollten keine Rüstungsgüter exportiert werden, die den Konflikt eskalieren lassen oder verlängern.
  • Friede und Stabilität: Es sollten keine Waffen in Staaten geliefert werden, wenn der begründete Verdacht besteht, dass diese bald zur Aggression gegen einen anderen Staat benutzt werden könnten.
  • Nationale Sicherheit: Waffenexporte dürfen nicht die Sicherheit anderer EU-Staaten oder befreundeter oder verbündeter Länder beeinträchtigen.
  • Verhalten in der Internationalen Staatengemeinschaft: Bei der Genehmigung ist zu berücksichtigen, wie sich das Empfängerland gegenüber Terrorismus, Völkerrecht und die Nichtverbreitung von Atomwaffen verhält.
  • Umleitung und Wiederausfuhr: Mitgliedstaaten müssen bei der Genehmigung prüfen, ob ein Risiko der Umleitung und Wiederausfuhr der Rüstungsgüter in dem Empfängerland besteht.
  • Wirtschaftliche Möglichkeiten: Der exportierende Staat sollte berücksichtigen, ob das Empfängerland seine Verteidigung und Sicherheit mit einem möglichst geringen Aufwand sicherstellt.

So begrüßenswert es ist, dass sich die EU-Staaten auf gemeinsame Prinzipien zur Regelung der Rüstungsausfuhr verständigt haben, so ist es doch ein Kompromiss auf niedrigem Niveau. Ein Experte im französischen Verteidigungsministerium weist darauf hin, dass der Kodex nur den Export tödlicher Waffen regelt: "Aber wenn ein Staat diskret Waffen an China verkaufen wollte, insbesondere im Bereich der Dual Use-Produkte, so wird ihn niemand daran hindern." (Le Monde, 12.3.2004).

Anders ist wohl auch nicht zu erklären, warum Frankreich, Großbritannien, Belgien, Deutschland und Spanien gemäß dem Fünften Jahresbericht der EU über Rüstungsexporte im Jahr 2002 Genehmigungen für den Export von Waffen in viele Staaten erteilten, die massiv Menschenrechte verletzen, in bewaffnete Konflikte verwickelt sind oder in denen Friede und Stabilität nachhaltig gefährdet sind:

  • Obwohl Indien und Pakistan unmittelbar vor einem Atomkrieg standen, genehmigte Paris Lieferungen im Wert von 369 Millionen Euro an Indien und von 241 Millionen Euro an Pakistan. Großbritannien machte es ähnlich und genehmigte Exporte im Wert von 187 Millionen Euro an Indien und 23 Millionen Euro an Pakistan. Deutschland genehmigte Rüstungslieferungen an Indien in der Höhe von 106 Millionen Euro.
  • In Indonesien eskalieren diverse bewaffnete Konflikte (Aceh, Papua) und Folter ist in den Gefängnissen an der Tagesordnung. Trotzdem genehmigte London Verträge im Wert von 65 Millionen Euro und Paris in Höhe von 37 Millionen Euro.
  • Trotz schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen in der Türkei wurden von Frankreich Verträge im Wert von 267 Millionen Euro, von Deutschland im Wert von 123 Millionen Euro, von Großbritannien im Umfang von 43 Millionen Euro und von Italien in der Höhe von 20 Millionen Euro gebilligt.
  • Ungeachtet der ungelösten Westsahara-Frage genehmigte Frankreich Rüstungslieferungen in der Höhe von 992 Millionen Euro und Großbritannien im Wert von 32 Millionen Euro an Marokko.
  • In Nepal kommt es fast täglich zu Kämpfen zwischen der maoistischen Guerilla und der wegen ihrer Menschenrechtsverletzungen berüchtigten Armee. Trotzdem genehmigte Belgien Lieferungen im Wert von 25 Millionen Euro. In Frankreich entwickelte und in indischer Lizenzproduktion bei der Flugzeugfirma Hindustan Aeronautics Ltd.hergestellte Eurocopter Hubschrauber wurden zwischen Sommer 2003 und Herbst von Indien an die nepalesischen Streitkräfte verkauft.
  • Ungeachtet des Völkermordes in Tschetschenien und der zahlreichen Menschenrechtsverletzungen im ganzen Land stimmte Großbritannien Lieferungen an Russland im Wert von 55 Millionen Euro zu.
  • Im Iran werden elementare Menschenrechte noch immer mit Füßen getreten. Nichtsdestotrotz genehmigte Großbritannien Lieferungen im Wert von 11 Millionen Euro, Spanien in Höhe von 23 Millionen Euro und Frankreich im Umfang von 14 Millionen Euro.
  • In Burma / Myanmar herrscht seit 1948 ein blutiger Bürgerkrieg. Zwangsarbeit und brutale Verfolgung von Nationalitäten gehören in dem Vielvölkerstaat zum Alltag. Der Verhaltenskodex verhinderte nicht, dass im Jahr 2003 mindestens zehn mit in Deutschland entwickelten Deutz-Motoren angetriebene bewaffnete Amphibienfahrzeuge vom Typ BTR-3U aus der Ukraine an Burma geliefert wurden. Bis zum Jahr 2014 will Burma 1.000 Exemplare des BTR-3U aus der Ukraine beziehen.
  • In Algerien sind Folter und Verschwindenlassen weit verbreitet. Trotzdem stimmte Frankreich Lieferungen in Höhe von 16 Millionen Euro und Italien im Wert von 17 Millionen Euro zu.
  • In Angola halten die Kämpfe um die ölreiche Enklave Cabinda an. Ungeachtet dessen genehmigte Großbritannien die Ausfuhr von Rüstungsgütern im Wert von 14 Millionen Euro. Weitere Länder, die systematisch Menschenrechte verletzen oder in Kriege verwickelt sind, sollen nach Einschätzung von europäischen Regierungen unproblematisch für die Lieferung von Rüstungsgütern sein: Kolumbien, Äthiopien, Sudan, Elfenbeinküste, Ägypten, Saudi-Arabien, Kasachstan und Usbekistan.

Für diese Staaten wurden im Jahr 2002 Ausfuhrgenehmigungen für Rüstungsgüter gemäß dem EU-Verhaltenskodex für Rüstungsexporte erteilt. Angesichts dieser Genehmigungspraxis sollte man sich über die Wirksamkeit des Verhaltenskodexes keine Illusionen machen. Es ist eine politische Willenserklärung, die keinen rechtlich bindenden Charakter hat, so dass es keinen Mechanismus gibt, die Beachtung der Bedingungen des Kodexes zu erzwingen. Zwar ist es ein Fortschritt, dass im Fall einer Ablehnung einer Exportgenehmigung dies auch den anderen EU-Staaten mitgeteilt wird. Doch diese Staaten können ihrerseits eine Ausfuhrgenehmigung für das in einem anderen Staat abgelehnte Rüstungsgeschäft erteilen. Auch mangelt es noch an der Transparenz der Rüstungsexportpraxis vieler Staaten, die zwar den EU-Ministerrat über ihre Ausfuhren informieren, oftmals aber nicht ihre nationalen Parlamente und ihre Öffentlichkeit. Auch hat der EU-Verhaltenskodex vor dem Hintergrund der Konzentrationsprozesse in der europäischen Rüstungsindustrie und des Umfangs der europäischen Rüstungsexporte nur eine begrenzte Bedeutung. In jedem Fall ist es nicht das wirksame Kontrollinstrument, zu dem es in der Diskussion um die Aufhebung des EU-Waffenembargos von den EU-Außenministern hochstilisiert wurde. Insbesondere die EU-Staaten, die bereits heute Dual Use-Produkte an China liefern, werden diese Exporte nach einer Aufhebung des Embargos ausweiten.

So reagierte auch die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) bei der Vorstellung ihres jährlichen Rüstungsexportberichts "mit größtem Unverständnis" auf die geplante Aufhebung des EU-Waffenembargos (FR, 16.12.2003). Weder erfülle China die EU-Kriterien für die Genehmigung von Waffenlieferungen, noch seien solche Lieferungen mit den Richtlinien vereinbar, die sich die Bundesregierung selbst im Jahr 2000 gegeben habe und die auf die Beachtung menschenrechtlicher und friedensethischer Gesichtspunkte abzielten, kritisierten Sprecher der GKKE.

Amnesty International, die britische Hilfsorganisation Oxfam sowie das Internationale Kleinwaffen Aktionsnetzwerk warnten im Februar 2004 vor zahlreichen Schlupflöchern in den Rüstungsexportbestimmungen der EU-Staaten (Guardian, 25.2.2004). Um Exportkontrollen zu umgehen, würden Rüstungsfirmen verstärkt Einzelteile liefern, die ohne Probleme ausgeführt werden könnten, während der gesamte Verkauf eines Waffensystems nicht genehmigt würde. So würden gefährliche Doppelstandards entwickelt, warnte der Oxfam-Direktor Justin Forsyth. Denn es sei schließlich egal, ob ein Maschinengewehr komplett oder zerlegt in Einzelteilen exportiert werde: In die falschen Hände gelangt, hätte die Waffe die gleichen katastrophalen Folgen.

Amnesty International unterstrich nochmals seine scharfe Kritik an der Rüstungsexportpraxis der EU, als die Organisation am 14.Mai 2004 einen umfassenden Report zu den Lücken im EU Verhaltenskodex für Rüstungsexporte vorlegte. Die Aufnahme der osteuropäischen Staaten mache nochmals deutlich, wie "gefährlich ineffektiv" die EU Regeln für den Waffenexport seien (Guardian, 14.5.2004).

Die britische entwicklungspolitische Organisation Saferworld warf in einem im Juni 2004 veröffentlichten Bericht der britischen Regierung vor, trotz des Verhaltenskodexes für Waffenexporte Rüstungsgüter in Krisengebiete wie China, Saudi-Arabien, Kolumbien, Iran, Indien, Pakistan und Israel geliefert zu haben (Guardian, 7.6.2004). Großbritannien habe im Jahr 2003 Lizenzen für Waffenexporte nach China im Wert von 76 Millionen Pfund erteilt (im Vorjahr waren es 50 Millionen Pfund) (Presseerklärung Saferworld, 7.6.2004).

Im Jahr 2003 exportierte die EU erstmals mehr Waffen als die USA in die Welt, erklärte das Stockholmer Internationale Friedensforschungsinstitut (Sipri) im April 2004. Rüstungsgüter im Wert von 4,7 Milliarden seien von der EU exportiert worden. Rund 80 Prozent dieser Ausfuhren stammten aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Rund zwei Drittel aller weltweit exportierten Waffen wurden in der EU oder in Russland gefertigt (Frankfurter Rundschau, 29.4.2004).

China ist ein bedeutender Rüstungsexportmarkt

Frankreich erwartet in den kommenden Jahren eine Stagnation des Weltrüstungsmarktes, erklärte die französische Verteidigungsministerin bei der Vorlage eines Berichtes zur Entwicklung des internationalen Rüstungsmarktes im Sommer 2003 (Le Monde, 3.9.2003). Nur in Asien und den Staaten des Persischen Golfs könne mit einer Zunahme der Waffenimporte gerechnet werden, wird in dem Bericht prophezeit. "Die europäische Verteidigungsindustrie braucht Aufträge und es gibt nicht viele Märkte, die solvent sind", erklärt Andrew Brookes, Wissenschaftler beim internationalen Institut für Strategische Studien in London (AFP, 27.1.2004). Zwar hat die französische Rüstungsindustrie aufgrund des internationalen Kampfes gegen den Terrorismus im Jahr 2002 von einer Zunahme ihrer Aufträge im Umfang von zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr profitiert (Le Monde, 1.7.2003). Doch ist dies angesichts der Konzentration in der europäischen Rüstungsindustrie nicht ausreichend. So weckt insbesondere bei französischen Rüstungsfirmen der asiatische Markt große Begehrlichkeiten. Dies bekräftigten nochmals Vertreter französischer Rüstungsunternehmen während der Luftfahrtschau "Asian Areospace 2004" in Singapur im Februar 2004 (AFP, 23.2.2004 / La Liberté, 27.1.2004). Frankreich, dessen Wirtschaftsbeziehungen mit der Volksrepublik bislang im Vergleich zu Deutschland recht bescheiden blieben, hat daher größtes Interesse neue Aufträge für die französische Industrie zu beschaffen, die unter einer nachlassenden Binnen- und Exportnachfrage leidet. China hat Frankreich nach Aussagen der konservativen französischen Tageszeitung "Le Figaro" bereits eine Wunschliste an Rüstungsgütern übermittelt, die Peking gerne aus Frankreich einführen würde (Le Figaro, 11.10.2004). Sie umfasst vor allem Elektronikprodukte im Gesamtwert von mehr als zehn Milliarden Euro. Die Anfragen nach Waffenkäufen aus China werden direkt vom Staatspräsidenten im Elysée-Palast koordiniert und nicht von Fachministern, um die Sensibilitäten Pekings ausreichend zu berücksichtigen und um die chinesischen Geschäftspartner nicht mitunbedachten Äußerungen oder Handlungen vor den Kopf zu stoßen. So hatte ein französischer Rüstungsdeal mit Taiwan im Jahr 1991 erhebliche Verstimmung in Peking ausgelöst.

So äußerte man sich in Paris auch zufrieden über den Besuch des chinesischen Staats- und Parteichefs Hu Jintao, der bei seinem prunkvollen Empfang in Paris den Kauf von 21 Airbus-Verkehrsflugzeugen für die chinesische Fluggesellschaft China Southern Airlines ankündigte (Europe 1, 27.1.2004). Weitere Airbus-Bestellungen aus China werden erwartet. Philippe Camus, Chef des Airbus-Mutterkonzerns European Aeronautic Defense and Space Company (EADS), zeigte sich im November 2004 zuversichtlich, dass China bald die neuesten A 380-Flugzeuge seines Unternehmens erwerben werde (AFP, 3.12.2004). Für Aufregung sorgte ein Bericht des renommierten "Asian Wall Street Journals", das in seiner Ausgabe vom 3. Dezember 2004 den Sprecher Lu Xiaosong des für Flugzeugimporte in China zuständigen Staatsunternehmens China Aviation Supplies Import & Export Group mit der Warnung zitierte, dass mehrere Faktoren, darunter auch das EU-Waffenembargo die endgültige Vertragsunterzeichnung über den Kauf von mindestens fünf A 380Maschinen verzögerten. Der stellvertretende chinesische Außenminister Zhang Yesui dementierte zwar die Meldung, erklärte jedoch, dass eine Aufrechterhaltung des Embargos "einige negative Folgen" für die Beziehungen zwischen China und der EU haben könnte (AFP, 3.12.2004). Nach dem zweiten Golfkrieg musste China 1991 feststellen, dass seine Armee vollkommen veraltet und in militärischen Konflikten nicht wirksam einzusetzen war. Gezielt wird seither die Modernisierung der Streitkräfte vorangetrieben. Offizielle Zuwachsraten des Verteidigungshaushalts von 17,6 Prozent und 17,7 Prozent in den Jahren 2001 und 2002 wurden nach Einschätzung von Experten in der Realität noch weit überschritten (AFP, 27.1.2004). Im Jahr 2001 war die Volksrepublik nach Recherchen von SIPRI der bedeutendste Waffenimporteur der Welt mit einem Zuwachs gegenüber dem Jahr 2000 von 44 Prozent (SIPRI Yearbook 2002, Kapitel 8, International arms transfers). Im Jahr 2003 soll nach offiziellen Angaben der Verteidigungshaushalt Chinas um 11,6 Prozent steigen, doch die tatsächliche Steigerungsrate dürfte weit höher liegen (Reuters, 5.3.2004). Experten des US-Kongresses weisen darauf hin, dass diese Zahlen regelmäßig nicht die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung neuer Waffensysteme sowie für den Kauf von Rüstungsgütern im Ausland berücksichtigen (Annual Report on the Military Power of the People’s Republic of China, US-Congress, 28.7.2003, S. 41). Rüstungskäufe im Ausland werden von Devisenzuwendungen des Staatsrates beglichen. Statt der für 2002 öffentlich erklärten 20 Milliarden US-Dollar könnte nach Einschätzung des US-Kongresses der tatsächliche Aufwand rund 65 Milliarden US-Dollars umfassen (Le Figaro, 11.10.2004). Damit würden weltweit nur die USA noch mehr für ihren Verteidigungshaushalt aufwenden. In Asien wäre China der Staat mit dem größten Verteidigungsbudget. Die Analysten des US-Kongresses erwarten eine Verdrei- oder Vervierfachung der realen Aufwendungen Chinas für die Verteidigung bis zum Jahr 2020.

Im Jahr 2003 wandte China 3,1 Milliarden US-Dollars für den Kauf von Waffen im Ausland auf. Im Jahr 1999 waren es nach Angaben des in London ansässigen Internationalen Instituts für Strategische Studien nur eine Milliarde US-Dollars gewesen (Bloomberg, 2.6.2004).

Im Gegensatz zu den offiziellen chinesischen Verlautbarungen, die immer den defensiven Charakter der chinesischen Streitkräfte betonen, nimmt die Fähigkeit Chinas zu einer offensiven Kriegsführung mit jedem weiteren Schritt der Modernisierung zu. Nur rund die Hälfte der für die Modernisierung der Streitkräfte benötigten Rüstungsgüter stammt aus chinesischer Produktion. Der Rest wird aus dem Ausland eingeführt. Hauptlieferanten sind aufgrund des Embargos Russland und Israel. Russland liefert U-Boote, Kampfflugzeuge, Zerstörer, Jagdflugzeuge, Panzer, Artilleriegeschütze und Flugabwehrsysteme. Israel stattet China mit kleineren Waffensystemen und Kontrollapparaten aus (BBC, 10.4.2000). Gerne würde man aus Israel noch mehr Rüstungsgüter nach China liefern, doch Israel schreckt davor zurück, da es seinen wichtigsten Bündnispartner USA nicht zu sehr verärgern darf. Im April 2000 brach offener Streit zwischen Washington und Jerusalem über den geplanten Verkauf von vier Radarüberwachungsflugzeugen vom Typ Phalcon von Israel an China aus (BBC, 3.4.2000 / How America’s friends are building China’s military power, Richard D. Fisher, The Heritage Foundation, Backgrounder, 5.11.1997). Um seine umfangreiche Militärhilfe aus den USA nicht zu gefährden, zog sich Israel aus dem Rüstungsgeschäft zurück. Am 2. Januar 2003 berichtete die angesehene israelische Tageszeitung Ha’aretz, Israel werde mit Rücksicht auf die Gefährdung Taiwans keine Waffen oder Sicherheitssysteme mehr an China verkaufen (BBC; 2.1.2003).

Auch zeigte China Interesse am Kauf des tschechischen Luftüberwachungssystems Vera-E, das in einem Radius von 450 Kilometer Entfernung bis zu zweihundert Objekte gleichzeitig in ihren Flugbewegungen überwachen kann (Der Spiegel Online, 20.4.2004). Zwar hatte Industrieminister Milan Urban der Rüstungsfirma Omnipol bereits eine Ausfuhrgenehmigung für sechs Passivradars vom Typ Vera-E erteilt, doch das tschechische Außenministerium erwirkte nach Intervention der USA eine Zurückziehung der Exportgenehmigung (The Prague Post, 27.5.2004). Die Ausfuhr schade öffentlichen Interessen, da sie das Verhältnis zu den USA belaste, erklärte das Außenministerium in Prag. Tschechische Oppositionsparteien bezeichneten das geplante Rüstungsgeschäft als "Skandal" und machten China-freundliche Kreise in der Politik für die Einfädelung des umstrittenen Geschäfts verantwortlich.

Die Volksrepublik ist sehr an Rüstungsgeschäften mit der Europäischen Union interessiert, nicht nur um sich aus der Abhängigkeit von Russland zu lösen, zu dem die bilateralen Beziehungen nicht immer einfach sind. China zieht es vor, aus sehr unterschiedlichen Staaten Rüstungsgüter zu beziehen, um sich nicht zu sehr in Abhängigkeit zu begeben. Selbst wenn diese Streuung der Rüstungskäufe langfristig sehr aufwendig ist, da die Wartung unterschiedlicher Waffensysteme äußerstkostspielig ist. Sehr zum Ärger der chinesischen Führung war Russland nicht bereit, das hochmoderne Kampfflugzeug vom Typ SU-35 an China zu liefern. Auch behält Russland immer wieder zum Ärger Chinas zentrale Bestandteile der Waffentechnik zurück (NZZ, 4.3.2002). Russland hat zwischen den Jahren 1995 und 2002 Rüstungssysteme im Wert von neun Milliarden US-Dollar an China geliefert (Le Figaro, 11.10.2004). Anfang der 90er-Jahre hatte China die ersten SU-27 Kampfflugzeuge in Russland bestellt. Doch Taiwan hatte inzwischen bereits F-16 Kampfflugzeuge in den USA erworben, die den SU-27 militärtechnisch deutlich überlegen waren. Erst nachdem die Volksrepublik Ende der 90er-Jahre eigene Lizenzen zur Produktion von SU-27 Maschinen gekauft hatte, war Russland schließlich bereit, China bei der Weiterentwicklung seiner aus heimischer Produktion stammenden Kampfflugzeuge zu helfen.

Insbesondere interessieren China High-Tech-Waffen, Satelliten gesteuerte Navigationssysteme und Trägerraketen (Le Monde, 15.10.2003). Solche ausgefeilten Rüstungssysteme sind auf dem internationalen Rüstungsexportmarkt außerhalb Europas und der USA nicht einfach zu bekommen. Besonderes Interesse signalisierte Peking an dem in Frankreich entwickelten Kampfflugzeug Rafale (AFP, 27.1.2004).

Große Bedeutung misst China auch der Zusammenarbeit mit der EU bei der Entwicklung des Galileo-Satellitensystems bei (AFP, 30.10.2003 / People’s Daily, 26.9.2003 und 25.2.2004). Das Satellitensystem soll im Jahr 2008 nach der Stationierung von 30 Satelliten und dem Bau von Bodenstationen voll funktionstüchtig sein. Die im Herbst 2003 vereinbarte Kooperation Chinas mit der EU bei der Entwicklung Galileos interessiert Peking besonders, da es das US-amerikanische Monopol des Satelliten-Navigationssystems GPS brechen möchte. Im September 2004 wurde China offizieller Partner im Galileo-Programm. Galileo kann auch militärisch angewendet werden, doch die Sprecherin des chinesischen Außenministeriums, Zhang Qiyue, bezeichnete es als "absurd", dass China aus militärischen Gründen an Galileo interessiert sei (AFP, 26.10.2004). Galileo diene nur zivilen Zwecken, behauptete Zhang. Doch in einem Staat wie der Volksrepublik, in dem alle anderen Ressorts der nationalen Sicherheit und Verteidigung untergeordnet sind und sich die Staatsführung absolute Kompetenzen anmaßt, kann eine militärische Anwendung Galileos nicht ausgeschlossen werden. China plant bis zum Jahr 2020 die Stationierung von mehr als einhundert Satelliten in der Erdumlaufbahn, um auch den kleinsten Winkel seines Landes ständig beobachten zu können (Reuters, 16.11.2004). Es ist davon auszugehen, dass dabei nicht nur Daten über den Stand der Flora und Fauna gesammelt werden, sondern auch alle sicherheitspolitisch relevanten Informationen detailliert ausgewertet werden.

Bedrohung Taiwans und der Stabilität in der Region

Nicht nur in Taiwan, sondern auch in Japan und vielen südostasiatischen Staaten wird die Hochrüstung Chinas mit modernsten Waffensystemen mit großer Besorgnis verfolgt. In einem im Juli 2004 von der japanischen Regierung veröffentlichten Weißbuch zur Verteidigungspolitik wurde Besorgnis über die wachsenden Rüstungsanstrengungen Chinas geäußert. Die wachsende Fähigkeit der Volksrepublik, Hochtechnologiewaffen einzusetzen, müsse aufmerksam verfolgt werden, heißt es in dem Bericht (The Straits Times, 7.7.2004).

Ein im September 2004 veröffentlichter Bericht eines privaten zehnköpfigen Beraterstabes des japanischen Premierministers Junichiro Koizumi sah Japan sogar als militärische Bedrohung an und empfahl, die zum Ende des Jahres neu zu überarbeitenden Verteidigungsrichtlinien Japans dementsprechend zu modifizieren (Reuters, 15.9.2004 / The Straits Times, 16.9.2004). In Japan besteht die Furcht, im Land stationierte US-Streitkräfte könnten von China angegriffen werden, um sie an einem Einsatz in Taiwan zu hindern, sollte China die Insel militärisch angreifen. Auch könnte es zu bewaffneten Auseinandersetzungen um Erdgasfelder in der Ostchinesischen See oder um Inselgruppen kommen, deren Kontrolle zwischen Japan, Taiwan und der Volksrepublik China strittig ist. In einem vertraulichen Report des japanischen Verteidigungsministeriums wurden Szenarien für eine militärische Intervention Chinas gegenüber Japan erörtert (AFP, 8.11.2004). Der Bericht löste in Peking Verärgerung aus. Eine Sprecherin des chinesischen Außenministeriums wies alle Anschuldigungen entschieden zurück und beteuerte, China bedrohe keine Nachbarstaaten (Kyodo News, 10.11.2004).

Zwar verringerte ein 1999 mit Vietnam unterzeichneter Vertrag die Grenzstreitigkeiten mit dem südlichen Nachbarland. Doch noch immer ringen Vietnam und China um die Kontrolle der Spratley-Inseln im Südchinesischen Meer. War Chinas Volksbefreiungsarmee bislang nur zahlenmäßig den vietnamesischen Streitkräften weit überlegen, so fällt inzwischen auch die verbesserte technische Ausstattung der chinesischen Soldaten ins Gewicht. Zwar wurde mit dem Bündnis der Südostasiatischen Staaten (ASEAN) im Jahr 2002 eine "Erklärung über einen Verhaltenskodex im Südchinesischen Meer" sowie ein "Rahmenabkommen über eine umfassende wirtschaftliche Zusammenarbeit" unterzeichnet, doch sind die Ängste in Laos, Burma, den Philippinen und in Indonesien vor dem übermächtigen Nachbarn groß. So stehen 23,7 Millionen chinesischen Soldaten nur 336.000 thailändische Armeeangehörige und 600.000 südkoreanische Soldaten gegenüber. Während China 1.966 Kampfflugzeuge besitzt, zählt Japan nur 280 und Vietnam 189 (The Asian Military Balance: An Analytic Overview, Center for Strategic and International Studies, Washington D.C., Mai 2003, S. 9/10). Eine weitere Hochrüstung der chinesischen Streitkräfte wird nachhaltig das Kräfteverhältnis zwischen China und seinen Nachbarstaaten zuungunsten der kleineren Staaten beeinflussen und die Stabilität in der Region gefährden.

Als besonders bedrohlich empfindet Taiwan die Aufrüstung der Volksrepublik China. Das gescheiterte Referendum vom 20. März 2004 in Taiwan macht deutlich, wie tief die Ängste vor einer Verärgerung des übermächtigen Nachbarn auf dem Festland in der Bevölkerung des Inselstaates sind. In der zeitgleich mit der Präsidentschaftswahl abgehaltenen Volksabstimmung konnten sich die Taiwanesen dazu äußern, ob Taiwan angesichts der chinesischen Bedrohung ein Raketenabwehrsystem installieren und mit China Gespräche aufnehmen solle. Da weniger als 50 Prozent Beteiligung an dem Referendum registriert wurden, ist die Volksabstimmung gescheitert. Mit ungewöhnlicher Offenheit hatte Taiwans Präsident Chen Shui-bian die militärische Bedrohung durch die Stationierung von 496 vom Festland auf Taiwan gerichtete Raketen am 30. November 2003 öffentlich angeprangert. Alle Raketen seien nicht weiter als 600 Kilometer von Taiwan entfernt stationiert (The Straits Times, 2.12.2003). Im Jahr 2002 sei die Zahl mit 350 Kurzstrecken-Raketen noch deutlich geringer gewesen (Deutsche Welle, 5.8.2003). Die Stationierung der Raketen sei einem Dialog nicht förderlich, kritisierte das US-Außenministerium (Taipei Times, 18.12.2003). "Wir haben immer deutlich gemacht, dass wir denken, dass die Stationierung von Chinas Raketen gegenüber Taiwan die Spannungen erhöht", erklärte der Sprecher des US-Außenministeriums, Richard Boucher. Im Jahr 2004 wurde die Zahl der auf Taiwan gerichteten Raketen weiter erhöht. Im September waren nach Angaben des taiwanesischen Präsidenten Chen bereits 610 Raketen auf Taiwan gerichtet, bis zum Jahr 2006 sollen 800 Flugkörper gegen Taiwan einsatzbereit sein (Reuters, 30.9.2004). Jedes Jahr stationiert China rund 60 neue Raketen. Viele Militärstrategen sehen die Taiwan-Strasse daher als die gefährlichste Region Asiens an. . Mit jedem Schritt der Modernisierung seiner Streitkräfte hat die Volksrepublik China mehr militärische Optionen zur Auswahl, um den Druck auf Taiwan zu erhöhen. Das US-Verteidigungsministerium äußerte in einem am 12. Juli 2002 veröffentlichten Bericht seine tiefe Besorgnis über die massive Steigerung der Verteidigungsausgaben Chinas und über neue High-Tech-Waffen, die die Bedrohung Taiwans deutlich steigerten (Washington Post, 13.7.2002 / BBC, 13.7.2002). In dem Report wird China vorgeworfen, vor allem für einen eventuellen Konflikt in der Taiwan Straße aufzurüsten. Von einer Seeblockade über Luft- und Raketenangriffe, einer amphibischen Landeoperation bis zu einer schnellen Militärintervention reichen die vielfältigen Möglichkeiten Pekings, um Taiwan militärisch zu unterwerfen. Die chinesische Führung wird dabei nicht nur berücksichtigen, ob und wie schnell sie den militärischen Willen zur Verteidigung Taiwans brechen kann, sondern auch welche Kosten der weltweite Imageverlust aufgrund einer militärischen Intervention für Chinas globale Interessen bedeuten würde. Nur wenn eine erfolgreiche Beendigung einer Militärintervention gewährleistet erscheint, wird die chinesische Führung für ein militärisches Vorgehen plädieren, da sie im Falle einer Niederlage den Verlust der Macht für die Kommunistische Partei fürchtet. Die eigene Machterhaltung scheint jedoch das wichtigste Leitprinzip der chinesischen Führung zu sein, wie das brutale Vorgehen gegen die vermeintlich die Macht der Partei in Frage stellende Meditationsbewegung Falun Gong deutlich macht.

Mehrfach drohten chinesische Militärs in den vergangenen Monaten mit Krieg, sollte Taiwan die Ausrufung eines unabhängigen Staates vorantreiben (New York Times, 4.12.2003 / Chicago Tribune, 17.12.2003). Auch der Vizeminister im Taiwan-Büro in Peking, Wang Zaixi, warnte im November 2004 vor einem Krieg, sollte Taiwan die Unabhängigkeit ausrufen (Reuters, 15.11.2004). Wenn Taiwan sich für unabhängig erklärt, "werden wir nachdrücklich und vollständig alle Abspaltungsversuche um jeden Preis zerschlagen", warnte der Sprecher des Taiwan-Büros, Li Weiyi (Xinhua, 17.11.2004). Die Drohungen Pekings sind an Deutlichkeit nicht mehr zu überbieten. Mit Militärmanövern erhöht die Volksrepublik den Druck auf Taiwan. So flogen im September 2004 zehn Gruppen von Flugzeugen der chinesischen Luftwaffe 30 Einsätze entlang der Trennungslinie zwischen Taiwan und der Volksrepublik in der Mitte der Taiwan-Strasse.

Gerade angesichts dieser Drohungen ist es besonders unverständlich, dass sich die EU ungeachtet der Zuspitzung im Verhältnis zwischen der Volksrepublik und Taiwan für eine Aufhebung des Waffenembargos einsetzt. Der Zeitpunkt könnte kaum schlechter gewählt sein, da er nicht zu einem Abbau der Spannungen in der Taiwan-Strasse führen wird, sondern China das gleichgültige Verhalten der EU auch als Ermutigung verstehen könnte, noch massiver gegen Taiwan vorzugehen. So gefährdet die EU mit ihrer Initiative zur Aufhebung des Waffenembargos nicht nur den Status quo im Verhältnis zwischen der Volksrepublik China und Taiwan, sondern auch die regionale Stabilität. Angesichts der in den letzten Jahren entlang der Taiwan Strasse registrierten Hochrüstung ist das Verhalten der EU unverantwortlich, da es zur Schürung bewaffneter Konflikte beiträgt. Die EU missachtet damit auch ihre eigenen Kriterien ihres Verhaltenskodex zum Rüstungsexport, die eindeutig verlangen, dass EU-Waffenexporte nicht zu einer Verschärfung von Konflikten führen sollten.

Immer wieder appellierte die taiwanesische Regierung im Jahr 2004 angesichts der wachsenden Spannungen an die EU, das Embargo nicht aufzuheben. Am 14. September und am 2. Dezember 2004 rief der taiwanesische Außenminister die EU dazu auf, dem Drängen Chinas nicht nachzugeben, da die von China ausgehende militärische Bedrohung die gesamte Region destabilisieren könne.

EU schürt Spannungen in der Taiwan-Strasse

Ungeachtet der eskalierenden Spannungen in der Taiwan Strasse betonten insbesondere Deutschland und Frankreich in den letzten Wochen ihr unverbrüchliches Eintreten für die "Ein-China Politik". Es wäre fatal, wenn die chinesische Führung sich durch die Aufhebung des Waffenembargos, durch die Beschwörung der "Ein-China Politik" der Europäer sowie durch das Schweigen der EU zur Hochrüstung in der Taiwan Strasse darin bestärkt fühlen würde, eine Militärintervention gegen Taiwan vorzubereiten. Insbesondere Frankreich scheint dem Ausbau der "Strategischen Partnerschaft" mit der Volksrepublik absoluten Vorrang einzuräumen. Anders ist nicht zu erklären, wie Paris ohne jedes Augenmaß und Gefühl für die Brisanz der Lage wenige Tage vor dem Referendum in Taiwan am 16.März 2004 seine ersten gemeinsamen Manöver mit der chinesischen Marine vor den Küsten Chinas durchführte (Libération, 17.3.2004). Gerade angesichts der sehr deutlichen Parteinahme von Frankreichs Präsident Chirac für die chinesische Position in der Taiwan-Frage im Januar 2004 wäre in dieser brisanten Situation mehr Zurückhaltung von Paris zu erwarten gewesen. Gleichzeitig macht Frankreich mit seinem Verhalten deutlich, welchen geringen Stellenwert zur Zeit Menschenrechte und Konfliktverhütung in der französischen China-Politik haben. Mit ihrem Schweigen zum französischen Alleingang und ihrer Unterstützung der Pariser Initiative für eine Aufhebung des Waffenembargos erweckt die EU fälschlich den Eindruck, die Durchsetzung der Menschenrechte sowie die friedliche Lösung der Taiwan-Frage seien für die Europäische Union in ihrer China-Politik keine bedeutenden Anliegen.

Selbst wenn die EU an ihrer Ein-China Politik festhält, so muss sie Peking gegenüber zumindest mit aller Entschiedenheit deutlich machen, dass jede militärische Intervention der Volksrepublik gegen Taiwan ernsthafte Folgen für ihr Verhältnis zu China sowie für das Ansehen der Volksrepublik in der Internationalen Staatengemeinschaft hätte. Für eine Aufhebung des Waffenembargos könnte angesichts der Spannungen zwischen China und Taiwan kaum ein schlechterer Termin gewählt werden.

USA plädiert für Aufrechterhaltung des Embargos

Vor allem mit Blick auf die schwierige Sicherheitslage Taiwans hat die US-Regierung in den letzten Monaten mehrfach nachdrücklich an die EU appelliert, das Waffenembargo aufrechtzuerhalten. Die USA fürchten, China könne mit High-Tech-Waffen aus Europa entscheidende militärische Vorteile gewinnen, so dass die Sicherheit Taiwans nicht mehr von den USA garantiert werden könne. Gemäß dem 1979 verabschiedeten Taiwan Relations Act hat sich Washington verpflichtet, für die Verteidigung Taiwans einzutreten. Mit seiner Kritik am europäischen Vorgehen in der Embargo-Frage hält Washington sich auch nicht zurück, da man befürchtet, europäische Waffenlieferungen an China könnten dazu führen, dass eines Tages Amerikaner bei der Verteidigung Taiwans ihr Leben lassen müssten. Nachdrücklich appellierte US-Außenminister Colin Powell an seine europäischen Amtskollegen, die geplante Aufhebung des Embargos sorgfältig zu überdenken (AFP, 1.3.2004). "Wir glauben, dass sich die Verbote der USA und Europas von Waffenverkäufen gegenseitig ergänzen", erklärte Powell. "Sie wurden aus den gleichen Gründen verhängt, insbesondere aufgrund der Menschenrechtsverletzungen, und diese Gründe sind auch heute noch gültig", betonte der US-Außenminister (China Daily, 1.2.2004). Die US-Regierung bekräftigte daher auch, sie werde an ihrem Embargo festhalten. "Unserer Meinung nach würde eine Aufhebung des Embargos nicht zur regionalen Stabilität beitragen und würde angesichts der unverändert schlechten Lage der Menschenrechte ein falsches Signal an China senden", erklärte der Sprecher des US-Außenministeriums Richard Boucher (The Straits Times, 3.6.2004).

Doch die amerikanischen Drohungen sind in Europa oft kontraproduktiv, da sie nur als Versuch angesehen werden, einen ungeliebten Konkurrenten im Rüstungsgeschäft um Millionen-Aufträge zu bringen. Im Gegensatz zu den EU-Staaten, für die die Sicherheit in Ostasien eine weitgehend theoretische Frage ist, leisten die USA jedoch mit der Anwesenheit von 100.000 in Ostasien stationierten US-Soldaten einen Beitrag zur Bewahrung des Status Quo. Die Angst um deren Schicksal im Falle eines militärischen Konfliktes sollte denn auch ernst genommen werden.

Erfolgreicher wären die Amerikaner in ihrem Lobbying sicherlich, wenn sie den Europäern nicht drohen würden, sondern ihnen Vorteile in Aussicht stellen würden, sollten sie an dem Waffenembargo festhalten. So könnten Sie ihnen Entgegenkommen in anderen umstrittenen Fragen signalisieren, wie zum Beispiel der Wahl Frankreichs als Standort des Internationalen Thermonuklearen Versuchsreaktors zustimmen.

Deutschland nutzt nicht Freundschafts-Bonus

Kein Industrieland unterhält so gute Beziehungen zur Volksrepublik wie Deutschland. China hat nicht vergessen, dass Bundeskanzler Helmut Kohl 1993 als erster westlicher Regierungschef nach dem Tiananmen-Massaker im Juni 1989 nach China reiste und die Isolation der Volksrepublik nach der brutalen Niederschlagung der Studenten-Proteste beendete. Kohls rege Reisetätigkeit nach China wird von Bundeskanzler Gerhard Schröder noch in den Schatten gestellt. Im Dezember 2004 besucht Schröder zum sechsten Mal in sechs Jahren in Begleitung von mehr als vierzig Managern der deutschen Industrie die Volksrepublik. Schröder versteht sich immer mehr als Marketingchef der deutschen Industrie, der gemeinsam mit deutschen Firmenvertretern aktiv im Ausland um Aufträge für die Deutschland AG wirbt. So wundert es nicht, dass die Plätze in der Kanzlermaschine nach Peking sehr begehrt sind.

Der Kanzler spricht von einer umfassenden "strategischen Partnerschaft", die Deutschland und China verbindet (Wirtschaftswoche, 24.9.2004). Doch Deutschlands Bonus als "bester Freund" Chinas versteht die Bundesregierung nicht zu nutzen, um sich in China wirksam für eine Verbesserung der Menschenrechtslage und für eine friedliche Lösung der Konflikt mit Taiwan, Tibet und Xinjiang (Ostturkestan) einzusetzen.

Trotz entsprechender Resolutionen des Deutschen Bundestages bleibt die Bundesregierung in der Tibet-Frage weitgehend untätig und bemüht sich nicht aktiv mit all ihrem Einfluss in Peking um die Aufnahme eines glaubwürdigen Dialogs zwischen der chinesischen Führung und dem Dalai Lama. Dabei warnt die GfbV seit Jahren vor einer Eskalation des Tibet-Konflikts, sollte nicht mit dem heute lebenden Dalai Lama eine friedliche Lösung der Tibet-Frage gefunden werden.

Auch in Ostturkestan nehmen die Spannungen immer weiter zu. China geht nicht nur immer brutaler gegen den Haus gemachten Terror einer Minderheit von Uiguren vor, sondern verdächtigt pauschal alle muslimischen Uiguren der Unterstützung des Terrorismus. Seit Mitte der 90er Jahre warnte die GfbV der Bundesregierung vor den Folgen einer Eskalation der Konflikte in Xinjiang. Doch außer einigen öffentlichen Erklärungen Außenminister Fischers vor der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen, in denen ein Ende der Menschenrechtsverletzungen gefordert wurde, ist von deutscher Regierungsseite wenig geschehen, um sich für eine friedliche Konfliktlösung in Xinjiang einzusetzen.

Statt sich in der Taiwan-Frage um eine Entschärfung der gespannten Lage zu bemühen, heizt der Bundeskanzler mit seinem Plädoyer für eine Aufhebung des EU-Waffenembargos gegen China den Rüstungswettlauf in der Taiwan-Strasse weiter an. Denn die Aufrüstung der chinesischen Marine, Luftwaffe und Armee zielt vor allem darauf ab, die Volksrepublik für einen möglichen Militärschlag gegen Taiwan vorzubereiten. Dann hilft es wenig, wenn Schröder im Nachsatz erklärt, die Bundesregierung vertraue auf eine friedliche Beilegung der Konflikte in der Taiwan-Strasse.

Dabei hatte die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag 2002 erklärt: "Zivile Krisenprävention und Konfliktbewältigung bleiben für die Bundesregierung Eckpfeiler ihrer internationalen Stabilitäts- und Friedenspolitik" (Kapitel IX des Koalitionsvertrages, Absatz 1.5 Zivile Krisenprävention). Wenn Berlin schon in seinem von massiven ethnischen, sozialen und politischen Krisen gezeichneten besten Partnerland nicht Willens oder in der Lage ist, aktiv zur Konfliktprävention und – bewältigung beizutragen, stellt sich die Frage nach der politischen Bedeutung dieses Leitsatzes deutscher Außenpolitik.

Berliner Arbeitsteilung

Es fehlt nicht nur an einer gemeinsamen China-Politik der EU, sondern auch an einer einheitlichen Politik gegenüber der Volksrepublik in Deutschland. Während der Bundeskanzler der chinesischen Führung den Hof macht und Menschenrechtsfragen bei seinem Dialog mit den chinesischen Partnern weitgehend ignoriert, äußert sich Außenminister Joschka Fischer auch immer wieder kritisch zur Lage in der Volksrepublik. So lieferte sich Fischer mit Chinas Außenminister Li Zhaoxing bei einem Besuch in Peking im Juli 2004 ein Rededuell und kritisierte öffentlich Chinas Tibet-Politik, den exzessiven Einsatz der Todesstrafe und die Administrativhaft, aufgrund derer mindestens 300.000 Menschen ohne formelles Gerichtsverfahren in Umerziehungs- oder Arbeitslagern festgehalten werden (Süddeutsche Zeitung / Frankfurter Rundschau, 16.7.2004). Auch zeigte er sich besorgt über die Verhärtung der Haltung Pekings in der Taiwan-Frage.

Außenminister Fischer steht bei den Kritikern der schweren Menschenrechtsverletzungen in China im Wort. Als Oppositionspolitiker hatte Fischer 1996 massiv die China-Politik seines Amtsvorgängers Klaus Kinkel kritisiert und erklärt, die China-Politik der Bundesregierung sei gescheitert und einen "wirklichen Neuanfang" gefordert (FAZ, 26.6.1996). Anbiederung und Servilität sowie der Vorrang von Geschäften vor den Menschenrechten dürften nicht zur Grundlage einer künftigen China-Politik werden. Acht Jahre nach dieser Kritik muss man feststellen, dass heute die rot-grüne Bundesregierung erneut einen Kotau vor der chinesischen Führung macht und dem Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen Priorität vorMenschenrechten gibt. Denn Fischers kritische Äußerungen sind nur eine Randerscheinung und werden in den Schatten gestellt vom Werben und Buhlen des Bundeskanzlers um die Gunst der chinesischen Führung. Schröder setzt den Stil seines Amtsvorgängers Helmut Kohl fort, der die China-Politik zur Kanzler-Sache erklärte. Mit seinen Alleingängen bei der Zusage eines deutschen Engagements für die Aufhebung des EU-Waffenembargos sowie der vorschnellen und nicht mit dem Auswärtigen Amt abgestimmten Ankündigung eines Verkaufs der Hanauer Plutonium-Anlage stellte Schröder in den Augen der chinesischen Führung das Auswärtige Amt bloß und fügte der Glaubwürdigkeit deutscher Außenpolitik schweren Schaden zu.

So wird die deutsche China-Politik weitestgehend im Bundeskanzleramt und nicht im Auswärtigen Amt entwickelt. Bezeichnend für die Prioritätensetzung in dieser China-Politik ist, dass der Bundeskanzler vor seinen Reisen nach Ostasien und Gesprächen mit chinesischen Politikern nicht den Austausch mit der Beauftragten der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe, Claudia Roth und ihrem Vorgänger Gerd Poppe, sucht, obwohl seit Jahren massiv Menschenrechte in der Volksrepublik verletzt werden.

Unbeirrt hält der Bundeskanzler am Ausbau der strategischen Partnerschaft mit der Volksrepublik fest. Schröder begründet seinen Entschluss auch mit der wachsenden internationalen Verantwortung, die China übernehme. Dies sehe man auch an Chinas "konstruktiver Politik in den Vereinten Nationen"(Wirtschaftswoche, 24.9.2004). Wahrscheinlich hat der Bundeskanzler bei seinem UN-Lob nicht an Chinas Blockadepolitik im Weltsicherheitsrat gedacht, wo die Volksrepublik seit Monaten aus eigennützigen Motiven mit ihrem Veto Sanktionen gegen den Sudan verhindert und damit den Völkermord und das Massensterben in Darfur verlängert.

Bundespräsident Rau setzte Zeichen

Kritik aus Kreisen der deutschen Wirtschaft, doch breites Lob von der Öffentlichkeit bekam Bundespräsident Johannes Rau für seine deutlichen Worte der Kritik zur Menschenrechtslage in China, als er im September 2003 die Volksrepublik besuchte. Nach so viel Kotau und Berliner "Realpolitik" registrierten Medien und Nichtregierungsorganisationen mit Erstaunen, mit welcher Aufrichtigkeit der wenige Monate später aus seinem Amt scheidende Bundespräsident die Bedeutung der Menschenrechte für stabile politische und soziale Verhältnisse in China betonte. Kein deutscher Bundespräsident vor ihm hatte so unmissverständlich wie Rau die Einhaltung der Menschenrechte öffentlich in China angemahnt. Auch hatte der Bundespräsident in einem Gespräch mit Staats- und Parteichef Hu Jintao die Bedeutung der Zivilgesellschaft und die "Freiheit von Religionsgruppen" angesprochen sowie die Tibet-Frage erörtert (FR, 12.9.2003). Rau spielte damit auf die brutale Verfolgung protestantischer Hauskirchen sowie der Meditationsbewegung Falun Gong an, der seit Beginn der Verfolgung im Juli 1999 mehr als 1.100 Falun Gong-Praktizierende zum Opfer gefallen sind."Unter alten Freunden", wie es China und Deutschland seien, müssten "unterschiedliche Auffassungen offen diskutiert werden", rechtfertigte der Bundespräsident sein Auftreten (FAZ, 15.9.2003).

Doch das beherzte Auftreten des Bundespräsidenten blieb leider nur eine Episode in den deutsch-chinesischen Beziehungen. Als Bundeskanzler Schröder zweieinhalb Monate später die Volksrepublik besuchte, wartete die deutsche Öffentlichkeit vergeblich auf eine angemessene Erörterung von Menschenrechtsfragen. Zwar appellierte Schröder, die Freiheit des Internets auch in China zu gewährleisten, und hob vor Studenten der Sun-Yatsen-Universität in Kanton die Bedeutung der Rechtstaatlichkeit hervor, würdigte den Rechtsstaatsdialog und die "zunehmende Öffnung der chinesischen Gesellschaft", doch Menschenrechtsprobleme und die jüngsten Festnahmen von Dissidenten sparte Schröder bei seinen Gesprächen aus. Offensichtlich wollte der Kanzler nicht die bilateralen Beziehungen trüben, die nach seinen eigenen Worten in einem "ausgezeichneten Zustand" seien (dpa, 1.12.2003).

Handel statt Wandel

Mit 40 deutschen Spitzenmanagern besuchte Schröder im Dezember 2003 die Volksrepublik. Der Bundeskanzler und der chinesische Präsident Hu Jintao würdigten die Wirtschaftskooperation zwischen beiden Staaten. Deutschland ist wichtigster Handelspartner Chinas in Europa und im Gegenzug China auch bester Wirtschaftspartner Deutschlands in Asien. Mehr als 1.700 deutsche Unternehmen unterhalten Vertretungen in China und investierten dort mehr als 8,5 Milliarden Euro (AFP, 2.12.2003). Bis zum Jahr 2010 wird ein Volumen von 10 Milliarden Euro an deutschen Investitionen in China erwartet (FAZ, 1.9.2004). Im Jahr 2003 führte Deutschland Waren im Wert von 18,2 Milliarden Euro in die Volksrepublik aus und importierte von dort Güter im Wert von 25 Milliarden Euro (Frankfurter Rundschau, 24.4.2004). Zwar erhöhten sich die deutschen Exporte in die Volksrepublik jährlich durchschnittlich um 22 Prozent seit 1998, doch die chinesischen Ausfuhren nach Deutschland nahmen noch stärker zu. So ist Deutschland für China noch wichtiger als Absatzmarkt für seine Produkte, als China für die deutsche Wirtschaft. Deutsche Politiker vergessen die enorme Bedeutung Deutschlands als Absatzmarkt für chinesische Güter nur allzu häufig, wenn sie Peking den Hof machen und um neue Verträge für die deutsche Wirtschaft werben.

Mit der Belebung des Handels werde auch der demokratische Wandel kommen, argumentieren Wirtschaftsvertreter und westliche Politiker seit Jahren. Doch so sehr der Handel expandiert und immer neue Höhen erklimmt, so kommt der demokratische Wandel doch nicht voran. Systematisch unterdrücken die chinesischen Behörden jede Demokratisierung des öffentlichen Lebens. So dürfen demokratische Parteien weiterhin nicht gegründet werden, die Meinungs- und Pressefreiheit wird massiv eingeschränkt und sogar die freie Nutzung des Internets wird unterbunden. Französische Firmen unterstützen mit ihrer Technologie im Auftrag der chinesischen Behörden die Unterdrückung der Internetfreiheit. Auch die deutsche Sicherheitsindustrie bietet immer häufiger ihre Technologie zu zweifelhaften Zwecken in China an. Die chinesische Polizei, die für ihre Übergriffe gegen Falun Gong-Praktizierende und Dissidenten bekannt ist, ist überwiegend mit Fahrzeugen aus Volkswagen-Lizenzproduktion in China ausgestattet.

Rechtsstaatsdialog nicht überschätzen

Der im November 1999 auf Initiative Bundeskanzler Schröders aufgenommene Rechtsstaatsdialog zwischen Deutschland und der Volksrepublik China erweckt den Eindruck, dass es sich bei beiden Ländern um Rechtsstaaten handelt. Doch der ostasiatische Staat ist davon noch weit entfernt. Die Initiative will das Verständnis für rechtsstaatliches Denken und Menschenrechte fördern. Einmal jährlich treffen sich Delegationen beider Staaten in einem Symposium und beraten über Fragen der Förderung des Rechtsstaates. Darüber hinaus entstanden Partnerschaften von Hochschulen, so dass deutsche Professoren auch in China lehren. Am 30. Juni 2000 unterzeichneten die deutsche Bundesministerin der Justiz, der Minister des Rechtsamtes beim Staatsrat der Volksrepublik China und die nationalen Koordinatoren des Rechtsstaatsdialogs die "Deutsch-Chinesische Vereinbarung zu dem Austausch und der Zusammenarbeit im Rechtsbereich". Das neue Zweijahresprogramm 2004/2005 umfasst zwanzig Veranstaltungen und Projekte.

So begrüßenswert der Dialog in Rechtsfragen auch ist, so sollte seine Bedeutung doch nicht überschätzt werden. Eine kurz- oder mittelfristige Verbesserung der Menschenrechtslage für den einzelnen Bürger ist von dem Dialog nicht zu erwarten. Fünf Jahre Rechtsstaatsdialog haben zu keiner konkreten Verbesserung der Rechtssicherheit für chinesische Bürger im Alltag gesorgt. Stattdessen haben die Menschenrechtsverletzungen in der Volksrepublik weiter zugenommen. Der Dialog erfüllt keinen Selbstzweck, sondern sollte an konkreten Zielsetzungen orientiert werden. Doch daran mangelt es gerade. Auch beschränkt sich die chinesische Seite in den Symposien zumeist auf Lippenbekenntnisse, die Lage der Menschenrechte verbessern zu wollen. Statt den Dialog mit der unabhängigen Zivilgesellschaft zu suchen und zu fördern, nehmen von chinesischer Seite handverlesene regimetreue Vertreter aus Forschung, Lehre, Verwaltung und dem politischen Leben teil. Wer mit diesen der chinesischen verpflichteten Repräsentanten einen Dialog führt, sollte sich über die Chancen der Umsetzung der erarbeiteten Empfehlungen keine Illusionen machen.

Besonders problematisch ist jedoch, dass der Rechtsstaatsdialog von deutscher Seite als Feigenblatt benutzt wird, um Forderungen nach einem entschiedenen öffentlichen Eintreten der Bundesregierung für mehr Menschenrechte in China zurückzuweisen. Als einziges und ausschließliches Werkzeug zur Förderung der Menschenrechte in der Volksrepublik ist der Dialog ungeeignet. Nur mit konkretenZielvorgaben und einer regelmäßigen Überprüfung der erreichten Fortschritte macht der Dialog in ergänzend zu öffentlichen Protesten der Bundesregierung gegen die Menschenrechtsverletzungen Sinn.

EU-Menschenrechtsdialog mit China muss reformiert werden

Der bundesdeutsche Rechtsstaatsdialog mit China ist Teil umfassenderer Bemühungen der internationalen Staatengemeinschaft, die Lage der Menschenrechte in der Volksrepublik zu fördern. Nicht nur Australien, Kanada, die USA, die Schweiz und zahlreiche andere Staaten haben einen Dialog in Menschenrechtsfragen mit der Volksrepublik China aufgenommen. Im Januar 1996 initiierte auch die Europäische Union einen Menschenrechtsdialog mit China. Nach fünf Jahren des Dialogs, der nur im Jahr 1997 von China für mehrere Monate unterbrochen wurde, nachdem zehn EU-Staaten eine China-kritische Resolution zur Beratung im Januar 2001 Ecksteine für die zukünftigen Beratungen mit China.

So sollten im Mittelpunkt aller Beratungen die Förderung der Zusammenarbeit Chinas mit internationalen Menschenrechtsmechanismen (wie der UN-Menschenrechtskommission und ihren Sonderberichterstattern), die Reform der Administrativhaft, die Eindämmung der Todesstrafe, die Stärkung der Religionsfreiheit, die Ratifizierung und Umsetzung der Internationalen Konvention zum Schutz der Wirtschaftlichen, Sozialen und Kulturellen Rechte und der Konvention zum Schutz der Bürgerlichen und Politischen Rechte, die Stärkung der Rechte der Angeklagten und der Organisationsfreiheit sowie die Beachtung der kulturellen und religiösen Rechte in Tibet und Xinjiang stehen. Es ist bezeichnend und spricht für die geringe Effektivität der regelmäßigen Gespräche und Symposien, dass neun Jahre nach der Aufnahme des Dialogs diese Agenda unverändert fortbesteht. Die Bilanz des Dialogs ist äußerst dünn, analysiert man die Veränderungen in der Lage der Menschenrechte in der Volksrepublik China seit 1996 anhand der von der EU entwickelten Ecksteine der Beratungen:

So hat sich die Lage in Tibet und Xinjiang weiter verschlechtert. Unnachgiebiger denn je zuvor zerschlagen die chinesischen Behörden in Tibet jeden Widerstand gegen die chinesische Herrschaft und schalten die tibetische Gesellschaft gleich. Tausende buddhistische Mönche wurden gezwungen, ihre Klöster zu verlassen, weil sie nicht bereit waren, sich schriftlich von ihrem religiösen Oberhaupt, dem Dalai Lama, zu distanzieren.

Obwohl der Dalai Lama sich immer wieder zu Gesprächen mit der chinesischen Führung bereit erklärte und das Streben nach einem unabhängigen Staat aufgab, fand sich Peking bislang nicht zu offiziellen Gesprächen über eine friedliche Lösung der Tibet-Frage mit seinen Emissären bereit. Statt sich um eine friedliche Konfliktlösung zu bemühen, greifen die chinesischen und staatlich kontrollierten Medien mit immer neuen Verbalattacken die tibetische Exilregierung des Dalai Lama an.

  • In Xinjiang, Ostturkestan, wie es die Uiguren bezeichnen, werden nicht nur die uigurische Sprache und Kultur unterdrückt, sondern auch die muslimische Bevölkerung pauschal der Unterstützung des Terrorismus verdächtigt. Moscheen und Koranschulen werden geschlossen, muslimische Geistliche zur Teilnahme an Umerziehungskursen gezwungen, um sie auf die Parteilinie einzuschwören. Seit 1997 wurden mehr als 500 Uiguren aus politischen Gründen hingerichtet, im Jahr 2004 wurden mindestens 50 Uiguren zum Tode verurteilt und exekutiert.
  • Die Verletzung der Religionsfreiheit hat mit der brutalen Verfolgung von Falun Gong sowie den willkürlichen Verhaftungen von Gläubigen und Geistlichen der protestantischen "Hauskirchen", die nur im Untergrund tätig sein können, seit der Aufnahme des EU-Menschenrechtsdialogs einen neuen Höhepunkt erlebt.
  • Mehr Menschen denn je zuvor wurden seit der Jahrtausendwende in der Volksrepublik hingerichtet. Weltweit Entsetzen lösten Zahlen aus, die im Frühjahr 2004 in China bekannt gegeben wurden, die besagen, dass jedes Jahr mehr als 10.000 Menschen hingerichtet werden. Bislang war man nach konservativen Schätzungen davon ausgegangen, dass zwischen 1996 und 2002 mindestens 18.000 Menschen zum Tode verurteilt und 12.000 Personen schließlich hingerichtet worden seien. Zwar wurde nach dem bekannt werden der neuen, noch mehr alarmierenden Zahlen eine verstärkte juristische Überprüfung der Todesurteile angeordnet, doch ist noch nicht deutlich, ob diese Maßnahme dazu beitragen wird, die exzessive Anwendung der Todesstrafe spürbar einzuschränken. Auch ändert dies nichts an der Tatsache, dass die meisten Todesurteile nach unfairen Gerichtsverfahren verhängt wurden. Nach den Standards der Vereinten Nationen für den Schutz der von Todesstrafe bedrohten Personen darf die Todesstrafe nur für die Ahndung schlimmster Verbrechen verhängt werden. In der Volksrepublik ist diese Strafe jedoch für mindestens 65 Delikte vorgesehen, darunter auch für zahlreiche weniger schwere Tatbestände und für Verstöße gegen die Staatssicherheit.
  • Auch in Fragen der Administrativhaft gibt es keine positiven Entwicklungen aus der Volksrepublik seit der Aufnahme des EU-Menschenrechtsdialogs 1996 zu vermelden. Wurden Anfang der 90er-Jahre rund 150.000 Menschen ohne formelles Gerichtsverfahren in den 280 Umerziehungs- und Arbeitslagern festgehalten, so waren im Jahr 2003 nach offiziellen chinesischen Angaben mehr als 310.000 Menschen in diesen Lagern eingesperrt. Der zweifelhafte "Boom" der Arbeitslager ist vor allem auf die brutale Verfolgung von Falun Gong und von Christen, die nicht offiziell anerkannten Kirchen angehören, zurückzuführen.
  • Sicherlich war die Unterzeichnung und Ratifizierung der Internationalen Konvention über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte ein erster Schritt zu einer Verbesserung der Menschenrechtslage. Doch bei der Umsetzung gibt es massive Mängel. So ist die medizinische Versorgung vor allem in den ländlichen Gebieten heute oft nicht mehr gesichert. Das Jahre lange Totschweigen und Leugnen der sich immer mehr ausbreitenden Aids-Epidemie machte die Schwächen der Gesundheitsversorgung in China sehr deutlich. Auch die Versorgung mit den wichtigsten Medikamenten ist oft nicht gesichert. Massiv verletzen die chinesischen Behörden das Recht in vielen städtischen Zentren das Recht auf Wohnung ihrer Bürger. So reichen immer mehr Chinesen Eingaben gegen die zwangsweise Räumung ihrer Wohnungen und Häuser ein. Im Jahr 2003 verloren mehr als 11.000 Chinesen ihre Wohnung, weil ihre Häuser Städtebauprojekten weichen mussten. In den Autonomen Regionen Tibet und Xinjiang wird das Recht auf Bildung der lokalen Bevölkerung verletzt, da die Sprachenrechte der Tibeter und Uiguren nicht ausreichend berücksichtigt werden.
  • Die Internationale Konvention über die Politischen und Bürgerlichen Rechte wurde von der Volksrepublik zwar im Oktober 1998 unterzeichnet, aber bis heute nicht ratifiziert. Zahlreiche in der Konvention verbrieften Rechte werden massiv von den chinesischen Behörden verletzt. So werden Bürger willkürlich verhaftet und gefoltert. Die Meinungs-, Presse, Religionsfreiheit und die Versammlungs- und Organisationsfreiheit werden verletzt.
  • Die Zusammenarbeit der Volksrepublik China mit internationalen Menschenrechtsmechanismen, wie der UN-Menschenrechtskommission und ihren Sonderberichterstattern, lässt noch immer sehr zu wünschen übrig. So konnte der UN-Sonderberichterstatter über die Folter, Nigel Rodley, bis heute nicht China besuchen, obwohl er sich seit 1995 um einen Besuch bemüht. Mehrfach sicherten ihm die chinesischen Behörden zu, seinen Besuch zu gestatten und sagten dann in letzter Minute die Visite ab. Vergeblich bemüht sich auch der Sonderberichterstatter über Religiöse Intoleranz um eine Reise in die Volksrepublik. Eingeladen wurde hingegen die Sonderberichterstatterin zum Recht auf Bildung, deren Bericht von China massiv kritisiert wurde.

Während alle in der China-Arbeit aktiven unabhängigen internationalen Menschenrechtsorganisationen eine kritische Bilanz des Dialogs ziehen, sieht der Europäische Rat auch begrenzte Erfolge der Gespräche. So habe China die Internationale Konvention über wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte unterzeichnet und ratifiziert und gewisse Schritte unternommen, um sein Rechtssystem zu reformieren und Gesetzesänderungen eingeleitet, die die Rechtsstaatlichkeit förderten. Auch habe die Bereitschaft der chinesischen Führung zugenommen, überhaupt mit dem Ausland heikle Menschenrechtsfragen zu beraten. Zu Beginn der 90er-Jahre verweigerten chinesische Regierungsvertreter meist jedes Gespräch über Menschenrechtsfragen und erklärten sich nicht bereit, Appelle zur Freilassung individueller Gefangener von ausländischen Politikern in Empfang zu nehmen. Fraglich ist, ob dieser Wandel in der Haltung der chinesischen Behörden tatsächlich auf Einsicht und wachsendem Verständnis der Menschenrechte beruht oder ob das offizielle China nicht vielmehr heute nur geschickter mit ausländischer Kritik umgeht. Denn ungeachtet der Verbesserung der Gesprächsatmosphäre hat sich die Lage der Menschenrechte nicht gebessert.

Trotz der offenkundig mageren Ergebnisse ist es grundsätzlich zu begrüßen, dass die EU sich um einen Dialog in Menschenrechtsfragen mit der Volksrepublik bemüht. Seine Bedeutung für eine Verbesserung der Menschenrechtslage in der Volksrepublik sollte jedoch nicht überschätzt werden, insbesondere wenn der Dialog nicht begleitet und unterstützt wird durch ein aktives Lobbying und ein öffentliches Eintreten der EU für Menschenrechte in China. Vorträge und gemeinsame Konferenzen mit Vertretern der chinesischen Verwaltung, Regierung und der Staatspartei können ein aktives öffentliches Eintreten der EU für Menschenrechte in China nicht ersetzen.

Auch verfolgt der Dialog keinen Selbstzweck, sondern sollte mit größerer Transparenz und unter Einbeziehung von mehr unabhängigen chinesischen und internationalen Nichtregierungsorganisationen geführt werden, um auch eine breitere Verankerung in der Zivilgesellschaft Chinas zu bekommen. Denn nur die Teilnahme von mehr Nichtregierungsorganisationen bietet die Gewähr, dass bei den Beratungen der eklatante Widerspruch zwischen Theorie und Praxis chinesischer Menschenrechtspolitik ausreichend berücksichtigt wird und dass der Dialog auch ganz konkret zu einer Verbesserung der Lage der Menschenrechte beiträgt.

Dazu ist es auch erforderlich, dass regelmäßig die Ergebnisse des Dialoges überprüft und konkrete Zielvorgaben entwickelt werden. Denn der Dialog darf sich nicht in der Organisation von Symposien und Konferenzen erschöpfen, in denen weit von der Lebenswirklichkeit der meisten Chinesen entfernt theoretische Modelle eines Rechtsstaates entwickelt werden. Der Erfolg der Bemühungen der EU wird daran gemessen werden, ob es gelingt, ganz konkret für die chinesischen Staatsbürger mehr Rechtssicherheit zu schaffen und demokratische, soziale und wirtschaftliche Reformen voranzutreiben. Wenn der Dialog glaubwürdig bleiben will, dann muss er angesichts der brutalen Verfolgung in Tibet und Xinjiang sowie der Zerschlagung der Meditationsgruppe Falun Gong und der hohen Zahl von Hinrichtungen und Einweisungen in Arbeitslager, nicht nur langfristige Ziele verfolgen, sondern auch heute zu einer spürbaren Verbesserung der Menschenrechtslage beitragen.