13.04.2017

Seit zwei Monaten kein Lebenszeichen: Malaysische Regierung soll Schicksal eines entführten Pastors aufklären

Christen klagen über Zunahme religiöser Intoleranz (Pressemitteilung)

Malaysias Premierminister Dato Sri‘ Najib Schicksal muss die Entführung des Pastors Raymond Koh aufklären und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen. Foto: East-West Center via Flickr

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat an Malaysias Premierminister Dato Sri‘ Najib appelliert, das Schicksal des vor zwei Monaten entführten Pastors Raymond Koh aufzuklären und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Der 62 Jahre alte Geistliche war am 13. Februar 2017 gewaltsam verschleppt worden. Seither fehlt von ihm jedes Lebenszeichen. Es gab nicht einmal eine Lösegeldforderung. „Viele Christen in Malaysia befürchten einen religiösen Hintergrund der Verschleppung. Denn der Pastor hatte zuvor Morddrohungen wegen vermeintlicher Missionierung von Muslimen erhalten“, heißt es in dem Fax-Schreiben der GfbV an Premierminister Najib. Seit mehreren Jahren klagen Christen über wachsende religiöse Intoleranz in dem überwiegend muslimischen Land.

Die Verschleppung von Pastor Raymond Koh wurde von einer Überwachungskamera aufgezeichnet. Offenbar hatten die Täter die Aktion minutiös geplant: Ein Fahrzeugkonvoi hatte den Wagen des Geistlichen in der Nähe der Hauptstadt Kuala Lumpur auf einer Schnellstraße gezielt an die Seite gedrängt und gestoppt. Christen vermuten, die Verschleppung könne ein Vergeltungsakt sein. Denn Koh war von radikal-islamischen Gruppen wegen seines Engagements für verarmte Muslime scharf kritisiert und bedroht worden. Radikale sunnitische Organisationen hatten ihm mehrfach vorgeworfen, Muslime im Rahmen seiner Sozialarbeit für Drogenabhängige, Aids-Kranke und verarmte Alleinerziehende zu missionieren. 2012 hatte die Religionspolizei eine Wohltätigkeitsveranstaltung des Pastors gestürmt und ihn beschuldigt, mit dem festlichen Abendessen zwölf Muslime zum Übertritt zum christlichen Glauben bewegen zu wollen. Zwar wurden die Vorwürfe später fallengelassen, doch monatelang erhielt der Pastor per Post, Telefon und Internet Morddrohungen. Vor wenigen Wochen war er erneut angezeigt worden, weil er angeblich im Januar 2017 versucht habe, muslimische Jugendliche zu missionieren.

Gemeinsam haben die Religionsgemeinschaften der Buddhisten, Hindus, Sikhs und Taoisten ihre tiefe Besorgnis über das Verschwinden Kohs geäußert. Sie werten die Entführung als Zeichen für eine Verschlechterung des politischen Klimas gegenüber Nicht-Muslimen. Islamistische Parteien haben in den vergangenen Jahren mehr Einfluss in Malaysia gewonnen. Sie fordern für alle Bürger des Landes härtere Strafen bei Vergehen und befürworten die Anwendung des Scharia-Systems, das die Beziehungen zwischen Muslimen regelt. Es wird befürchtet, dass auch Prügelstrafen und Amputationen eingeführt werden könnten. Nicht-Muslime werden bislang noch vor säkularen Gerichten zur Rechenschaft gezogen. Christen stellen rund neun Prozent der malaysischen Bevölkerung, 61 Prozent sind Muslime.

Header Foto: East-West Center via Flickr