20.03.2019

Staatspräsident Kasachstans tritt zurück - Menschenrechtler fordern Engagement für verfolgte Kasachen

Zwiespältige Haltung zu Zwangslagern in China schürte Vertrauensverlust in Nasarbajew (Pressemitteilung)

Nach dem überraschenden Rücktritt des langjährigen Staatspräsidenten Kasachstans, Nursultan Nasarbajew, hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) ein konsequentes Engagement der neuen Staatsführung für verfolgte Kasachen im Nachbarland China gefordert. Foto: Schedler/GfbV (2018)

Nach dem überraschenden Rücktritt des langjährigen Staatspräsidenten Kasachstans, Nursultan Nasarbajew, hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) ein konsequentes Engagement der neuen Staatsführung für verfolgte Kasachen im Nachbarland China gefordert. "Nur wenn sich die neue Staatsführung rückhaltlos auch öffentlich für die Opfer von Umerziehungslagern in China einsetzt und ihnen Schutz gewährt, wird sie das Vertrauen der kasachischen Bevölkerung zurückgewinnen können", erklärte der GfbV-Direktor Ulrich Delius am Dienstag in Göttingen. Auch der Vorsitzende des in München ansässigen European Kazakh Forum, Omurhan Altin, verlangte ein Umdenken von Kasachstans Regierung in den Beziehungen zum Nachbarland China. "Kasachstans Schmusekurs mit Chinas Regierung hat Nasarbajew viele Sympathien in der Bevölkerung gekostet. Die Kasachen erwarten, dass sich ihre Politiker für die Rechte verfolgter Kasachen und Uiguren in China einsetzen", sagte Altin.

Der auf Lebenszeit zum Staatspräsidenten ernannte Nasarbajew regierte seit fast 30 Jahren und trat heute überraschend von seinen Ämtern zurück. In den letzten Monaten hatte die Unzufriedenheit in der Bevölkerung zugenommen. Auch die wirtschaftliche Lage verschlechterte sich aufgrund fallender Rohstoffpreise, die das Erdöl und Erdgas exportierende Land schwer trafen. Für massive Proteste und Missstimmung sorgte der Umgang Nasarbajews mit der Verfolgung muslimischer Nationalitäten in der benachbarten Region Xinjiang in China. Statt offen die Verfolgung von Kasachen und Uiguren anzusprechen, wählte Kasachstans Regierung den Weg der "stillen Diplomatie", um die Freilassung und Ausreise von Kasachen zu erreichen, die in Umerziehungslagern festgehalten werden.

Mehr als 1,1 Millionen Kasachen, Uiguren und Kirgisen sind in Umerziehungslagern in Xinjiang seit April 2017 gegen ihren Willen eingesperrt. "Doch auch nach ihrer Freilassung müssen sie in Kasachstan um ihren Schutz fürchten. Mehreren Dutzend früheren Lagerinsassen droht die Abschiebung nach China. Menschenrechtler, die sie unterstützen, werden systematisch von den Behörden eingeschüchtert und mundtot gemacht", erklärte Delius. Aus Angst vor Chinas Regierung erklärte Nasarbajew die Umerziehungslager zum Tabu. Zehntausende Menschen protestierten seit dem Sommer 2018 in Kasachstan gegen die Tabuisierung dieser Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Doch Kasachstans Staatsführung ging massiv gegen ihre Kritiker vor. So wurde der Gründer der Menschenrechtsorganisation Atajurt, Serikzhan Bilash, am 9. März 2019  festgenommen und gegen ihn ein Verfahren wegen des vermeintlichen Schürens von Hass gegen China eingeleitet. Heute fand dazu eine erste Gerichtsanhörung in Astana statt. Ihm drohen bis zu zehn Jahre Gefängnis. "Dabei hat Atajurt  sich nur für den Schutz und die Menschenrechte von verfolgten Kasachen eingesetzt", sagte Delius.

Header Bild: Schedler/GfbV (2018)