18.11.2005

Teilung Bosnien-Herzegowina überwinden! Gesellschaft für bedrohte Völker fordert Verfassungsreform

10. Jahrestag der Einigung über das Friedensabkommen von Dayton (21. November 1995)

<I>Das geteilte Bosnien-Herzegowina</i>

Anlässlich des 10. Jahrestages der Einigung über das Friedensabkommen von Dayton (21.November 2005) fordern 102 bosnische Institutionen und Organisationen unter Schirmherrschaft der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) International eine Reform der darin festgeschriebenen bosnischen Verfassung, um die Teilung Bosnien-Herzegowinas zu überwinden.

 

Die Organisationen und Institutionen richtete einen Forderungskatalog an die Konferenz "Über Dayton hinaus", die unter anderem auf Initiative des US-amerikanischen Institutes für Frieden (United States Institute of Peace) am kommenden Montag in Washington beginnt. Daran teilnehmen werden Vertreter aller Fraktionen des bosnischen Parlaments, der Hohe Repräsentant für Bosnien-Herzegowina, Vertreter der US-Regierung, der Europäischen Union - auch der deutschen Bundesregierung - und der Nato. Das Treffen in Washington ist die Fortsetzung einer dreitägigen Diskussion mit den Vorsitzenden der bosnischen Parlamentsparteien, die am vergangenen Montag in Brüssel ergebnislos zu Ende ging.

 

Die Verhandlungen zum umstrittenen Friedensabkommen von Dayton mit dem US-amerikanischen Chefunterhändler Richard Holbrooke, dem serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic, dem kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman und dem bosnisch-herzegowinischen Präsidenten Alija Izetbegovic fanden vom 01. bis 21. November 1995 statt. Damals wurde Bosnien-Herzegowina geteilt.

 

Für Nachfragen und Interviews stehen der Präsident der GfbV International, Tilman Zülch, unter Tel. + 0151 153 09 888 und die Direktorin der bosnischen Sektion der GfbV unter Tel. 00 387 33 213 707 zur Verfügung.

 

Erklärung der Gesellschaft für bedrohte Völker, Sektion Bosnien-Herzegowina und von 102 bosnischen Vereinigungen zur Washingtoner Konferenz "Über Dayton hinaus" (Beyond Dayton, The Balkans and Euro Atlantic Integration) am 21. November 2005

 

Wir danken für die erfolgreichen amerikanischen Friedensinitiativen 1993 und 1995. Die meisten europäischen Staaten haben während des Bosnienkrieges versagt.

 

Das Friedensabkommen von Dayton hat zwar den Krieg, jedoch nicht die Politik der ethnischen Säuberung und der Vertreibung beendet. Die Ergebnisse von Genozid, ethnischer Säuberung und Massenvertreibung wurden de facto zementiert. Die Reformen des Daytonabkommens dürfen nicht ohne die Beteiligung der Opfer aller ethnischen und religiösen Gemeinschaften von Krieg, und Vertreibung beschlossen und verabschiedet werden.

 

Wir richten den folgenden Aufruf an den Präsidenten und die Regierung der Vereinigten Staaten, an die Regierungen der 25 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, an das Europäische Parlament, an den Europarat, sowie an die Vereinten Nationen:

 

Wir fordern Sie alle auf, dass Sie ohne Zögern jene Kräfte unterstützen, die sich im folgenden Sinn für die Erneuerung der Verfassung Bosnien-Herzegowinas einsetzen. Mit dieser Verfassungsänderung wird Bosnien Herzegowina endlich zu einem lebensfähigen Staat und Mitglied aller europäisch-atlantischen Strukturen.

1.) Mit dem Daytoner Vertrag wurden zwei willkürliche Entitäten geschaffen, nämlich die so genannte "Republika Srpska" und die so genannte "Bosnisch-Kroatische Föderation". Beide Teilstaaten müssen aufgelöst werden. Denn diese hat es in der Jahrhunderte alten Geschichte Bosnien-Herzegowinas nie gegeben. Aus den von Radovan Karadzic und Ratko Mladic eroberten Regionen, der Hälfte des Territoriums, entstand die sogenannte "Republika Srpska", die bis heute mehrheitlich von den Parteien der Kriegsverbrecher regiert wird. Bisher sind nur fünf bis acht Prozent der 1992-1995 aus der so genannten "Republik Srpska" vertriebenen nichtserbischen Hälfte der Bevölkerung zurückgekehrt. Alle Angaben internationaler Institutionen, des UNHCR und des Hohen Repräsentanten für Bosnien- Herzegowina über die Rückkehr von einer Million Flüchtlingen entstellen die Realität.

 

2.) Bosnien-Herzegowina muss zukünftig als demokratische, freiheitliche rechtsstaatliche Republik organisiert werden, bestehend aus Kantonen und Gemeinden mit einem Selbstverwaltungssystem. Dieses System muss sich an europäischen und nordamerikanischen Standards orientieren und in die Verfassung aufgenommen werden.

 

3.) Bosnien-Herzegowina muss nach demokratischen Prinzipien auf Gleichberechtigung aller seiner Bürger, gleich welcher religiöser Überzeugung oder ethnischer Zugehörigkeit, beruhen.

 

4.) Das diskriminierende bisherige Wahlgesetz muss geändert werden, damit die Gleichberechtigung aller seiner Bürger garantiert ist.

 

5.) Die bis heute geteilte Hauptstadt der Republik Bosnien-Herzegowina Sarajevo sollte wieder zusammengefügt und als ein gemeinsamer Hauptstadtdistrikt strukturiert werden.

 

6.) Die neue Verfassung muss der Gemeinde Srebrenica einen besonderen politischen und wirtschaftlichen Status garantieren. Die ehemalige UN-Schutzzone gilt heute als Schauplatz des furchtbarsten Massenmordes der europäischen Geschichte seit dem Holocaust. Die neue bosnische Verfassung muss deshalb deutlich die Besonderheit des Gebietes der Gemeinde

Srebrenica definieren und somit vor aller Welt demonstrieren, dass die Überlebenden des Genozids beschützt und ihre Stadt mit den zugehörigen 59 Dörfern wiederaufgebaut und entwickelt werden.

 

7.) Sollten die in der serbisch kontrollierten Hälfte Bosniens dominierenden Gefolgsleute von Radovan Karadzic Bosnien-Herzegowina diesen Weg in die Zukunft versperren, muss die Daytonverfassung aufgehoben und die Verfassung der demokratischen Republik Bosnien-Herzegowinas von 1991 wieder eingeführt werden.

 

Liste der Unterzeichner

 

Kongressrat der Bosniakischen Intellektuellen (Sarajevo) - Institut zur Erfassung von Kriegsverbrechen (Sarajevo) - Serbischer Bürgerrat (Sarajevo) - Serbischer Bürgerrat (Tuzla) - Serbischer Bürgerrat (Zenica) - David Kamphi (Mitglied der Jüdischen Gemeinde Sarajevo) – Zoran Mandelbaum (für die Jüdische Gemeinde Mostar) - Serbischer Bürgerrat (Mostar) - Serbische Demokratische Initiative (Sarajevo) – Kroatischer Volksrat (Sarajevo) - Kulturverein "Krug 99" (Sarajevo) – Stiftung "Gerechtigkeit für Bosnien und Herzergowina" (Sarajevo) – Bürgerverein "Obrazovanje gradi BiH" (Bildung baut BiH auf) (Sarajevo) - Verein "HELP" (Sarajevo) - "Frauen - Opfer des Krieges" (Sarajevo) - "Srebrenica-Mütter" (Srebrenica) - "Bewegung der Mütter aus den Enklaven Srebrenica und Zepa" (Sarajevo) - "Frauen aus Srebrenica" (Tuzla) - "Srebrenica 99" (Srebrenica und Tuzla) - "Amica" (Srebrenica) - "Sara" (Srebrenica) – Bürgerverein "Drina" (Srebrenica) - Frauenverein "Bosfam" (Srebrenica) -Lagerinsassenverband BiH (Sarajevo) - Sektion der ehemaligen weiblichen Lagerinsassen beim Lagerinsassenverband, Kanton Sarajevo (Sarajevo) - Kulturverein "Preporod" (Sarajevo) - Frauenverein "Zar" (Sarajevo) - "Demokratischer Rat der Bosniakien" (Bijeljina) - Verein der Familien der Vermissten "Mostovi" (Bosanska Krupa) - "Verein für die Suche nach Vermissten" (Brcko) - "Lagerinsassenverein" (Brcko) - "Verein der Familien der gefangenen und vermissten Personen aus der Gemeinde Prozor" (Prozor) - "Verein der Familien von Opfern und Vermissten" (Kladanj) - "Verein der Familien von Opfern und Vermissten" (Kljuc) - "Verein der Familien der Gefangenen und Vermissten aus dem Herzogowina-Neretva Kanton" (Mostar) - "Vermisstenverein" (Mostar) - "Nationalassoziation der Intellektuellen - BiH" (Sarajevo) - Bürgerverein "Terra" (Sarajevo) – Frauenverein "Mak-Bosanka" (Sarajevo) - Bürgerverein "Zivilinitiative" (Banja Luka) - Vermisstenverein "Mostovi prijateljstva" (Prijedor) - Bürgerverein "Forum gradjana" (Tuzla) - Bürgerverein "Forum gradjana Srebrenice" (Srebrenica) - Frauenverein "Golub mira" (Bratunac) - "Studentenassoziation" (Srebrenica) - Rückkehrerverein "Zepa" (Zepa) - Bürgerverein "Vrbanja" (Kotor Varos, Travnik) - "Verein der Familien der Vermissten aus Zvornik" (Tuzla) - Humanitärer Verein "Merhamet" (Sarajevo) - "Rückkehrerverein Kotorsko" (Kotorsko - Doboj) - Bürgerverein "Zajedno" (Gemeinsam) (Sarajevo) - "Koordinationsausschuss für Minderheiten" (Sarajevo) - "Union Roma - BiH" (Sarajevo/Lukavac) - "Friedenszentrum" (Sarajevo) - Gemeinde Srebrenica (Bürgermeister von Srebrenica Abdurahman Malkic) - "Klub der Intellektuellen aus Srebrenica" (Srebrenica) - "Gesellschaft für Prävention von Genozid" (Srebrenica) - Verband der Drina-Tal Vereine - "Frauen des Drina-Tals" mit Sitz in Bratunac - "Frauen des Drina-Tals" mit Sitz in Vlasenica - "Frauen des Drina-Tals" mit Sitz in Sarajevo - Frauenverein "Das Recht der Frau" (Banja Luka) - Frauenverein "Die Frau und das Recht" (Banja Luka) - Frauenverein "Klub 15 - 100" (Banja Luka) - Frauenverein "Vereinte Frauen" (Banja Luka) - Rückkehrerverein "Vrbanja" (Banja Luka) - Frauenverein "Fatma" (Banja Luka) - Frauenverein "Fatma" (Sarajevo) - "Koalition für Rückkehr" (Banja Luka) - "Jugendgruppe der Republika Srpska" (Bijeljina) - "Romaverein" (Bijeljina) - Frauenverein "Roma-Frauen" (Sarajevo) - Frauenverein "Frauen für Frauen" (Sarajevo) - Bürgerverein "Visegrad 92" (Sarajevo) - Frauenverein "Frauenforum" (Bratunac) - Frauenverein "Frauen können es tun" (Banja Luka) - Frauenverein "Zelja" (Skelani) - Frauenverein "Maja" (Kravica) - Verein der Familien der Vermissten "Izvor" (Prijedor) - Frauenverein "Mit dem Herzen zum Frieden" (Kozarac) - Verband der Vereine der Familien der Vermissten - Verein "Eho" (Ljubuski) –Frauenverein "Frauen von BiH" (Mostar) - Bürgerverein "Jugendforum" (Stolac) - Rückkehrerverein "Rückkehr und Bleiberecht" (Bijeljina) – Frauenverein "Astra" (Bijeljina) - "Helsinki-Komitee von Republika Srpska" (Bijeljina) - Frauenverein "Zora" (Milici) - Frauenverein "Zukunft der Frau" (Kalesija) - "Frauenverein "Priroda" (Natur) (Bratunac) – Frauenverein "Buducnost - Srebrenica" (Srebrenica) - Frauenverein "Orhideja" (Skelani) - Verein der Familien der Vermissten "Für Vermisste" (Hadzici) - Frauenverein "Lara" (Bijeljina) - "Verband der Vertriebenen und Umgesiedelten" (Sarajevo) - Romaverein "Sae Roma" (Tuzla) - "Romaverein - Zenica" (Zenica) - "Romaverein" (Kalesija) - Romaverein "Zukunft" (Sarajevo) - "Rückkehrerverein Trebinje" (Trebinje) - Rückkehrerverein Prijedor – Bürgerverein "Deblokada" (Sarajevo)