11.02.2013

Tuareg-Zivilisten fliehen vor Kämpfen zur algerischen Grenze

Humanitäre Krise in Nord-Mali spitzt sich zu

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat vor einer Zuspitzung der humanitären Krise in Nord-Mali gewarnt. In den letzten fünf Tagen sind mehr als 6.000 Tuareg-Zivilisten aus dem umkämpften Bergmassiv Adrar des Ifoghas im Nordosten des Landes zur algerischen Grenze geflohen, berichtete die Menschenrechtsorganisation am Montag in Göttingen. Täglich wächst die Zahl der an der Grenze eintreffenden Frauen, Kinder und alten Menschen. In Algerien bekommen sie keinen Schutz, weil der Staat aus Angst vor dem Eindringen von Islamisten seine Grenzen im Süden des Landes geschlossen hat. "Wir befürchten einen weiteren Exodus der Zivilbevölkerung aus dem Nordosten Malis", erklärte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius. Denn die Zivilisten rechnen mit länger andauernden schweren Kämpfen in dem unzugänglichen Berggebiet.

Nach mehreren Dutzend Luftangriffen auf das Bergmassiv, in dem radikale Islamisten vermutet werden, hat Frankreich Ende letzter Woche seine Bombardements mangels ersichtlicher Angriffsziele eingestellt. Bodentruppen aus dem Tschad sollen das Rückzugsgebiet radikal-islamischer Aufständischer nun systematisch durchkämmen und islamistische Kämpfer stellen. "Für die traditionell in der Region lebenden Tuareg bedeutet dies nichts Gutes", erklärte Delius. Denn wieder einmal wird ihre Region zum Aufmarschgebiet von Fremden, die wenig Rücksichtnahme auf die Zivilbevölkerung zeigen.

"Eine hohe Zahl ziviler Opfer ist in den nächsten Monaten in diesem unwegsamen Gelände zu befürchten", erklärte Delius. Denn wie wollen Soldaten aus dem Tschad oder anderen afrikanischen Nationen unterscheiden, ob ihnen unbeteiligte Zivilisten oder radikale Islamisten gegenüberstehen? "Wir befürchten, dass dann die Devise gilt, jede Person zu töten, die sie in dem Bergmassiv antreffen." Nachdrücklich appellierte die GfbV an die Konfliktparteien, den Schutz der Zivilbevölkerung bei den nun beginnenden Kämpfen sicherzustellen.

Unter den französischen Militärs ist das Bergmassiv gefürchtet. Mit zahllosen Höhlen und nur schwer einsehbaren Tälern bietet die Region einen idealen Rückzugsraum für radikale Islamisten. Militärexperten gehen davon aus, dass die Terrorbewegung "Al Kaida im Maghreb" (AQMI) und verbündete Milizen dort umfangreiche Höhlen- und Tunnelsysteme angelegt haben, in die sich ihre Kämpfer nun zurückziehen und in denen sich große Waffen- und Treibstoffvorräte befinden sollen. Auch werden dort vermutlich sieben französische Geiseln festgehalten, die im Jahr 2010 in Niger entführt wurden.