04.05.2018

Türkei: Inhaftierter Kurdenpolitiker Demirtas nominiert

„Demokraten stärken!“ Bundesregierung soll sich für die Freilassung des kurdischen Präsidentschaftskandidaten einsetzen (Pressemitteilung)

Selahattin Demirtas bei einer Veranstaltung der HDP im Juni 2015. Foto: Hilmi Hacaloglu/ Voice of America via Wikimedia Commons

Die Bundesregierung soll sich dringend für die Freilassung des in der Türkei inhaftierten Kurden Selahattin Demirtas einsetzen. Das hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Freitag gefordert. Die oppositionelle prokurdische HDP-Partei will, dass ihr früherer Vorsitzender bei den vorgezogenen Wahlen am 24. Juni gegen den jetzigen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan antritt. „Es ist allerhöchste Zeit, dass mit Selahattin Demirtas die gemäßigten Kräfte der großen kurdischen Bevölkerungsgruppe in der Türkei darin bestätigt werden, an ihrem friedlichen demokratischen Weg festzuhalten“, erklärte der GfbV-Nahostreferent Kamal Sido am Freitag in Göttingen. Während die HDP immer für einen politischen Dialog zwischen der türkischen Regierung und den Kurden eingetreten ist, setzt Erdogan auf autoritären Machterhalt und blutige Unterdrückung. Seit Sommer 2015 lässt er in seinem Land wieder verstärkt Krieg gegen die Kämpfer der kurdischen PKK führen. Als die HDP bei den Parlamentswahlen im gleichen Jahr jedoch beachtliche Erfolge erzielte und Erdogan nicht mehr allein regieren konnte, ließ er mehrere ihrer Abgeordneten kurzerhand vor Gericht stellen, unter ihnen Demirtas.

Gegen den beliebten Kurdenpolitiker laufen mehrere Prozesse wegen Terrorvorwürfen. Ihm drohen bis zu 142 Jahre Haft. Er sitzt seit dem 3. November 2016 im Gefängnis. Als Politiker und Mensch steht er auch für Glaubensfreiheit für Christen, Aleviten, Yeziden sowie für sprachliche, politische und kulturelle Gleichberechtigung der rund 15 Millionen Kurden und kleineren Volksgruppen der Türkei. Seine Frau Basak und die Töchter Delal und Dilda warten auf seine Freilassung. 

„Presseberichte, denen zufolge die regierende islamistische AKP-Partei durch die Nominierung von Demirtas bereits jetzt nervös geworden ist, zeigen, dass sich Erdogan seiner uneingeschränkten Herrschaft durchaus nicht sicher sein kann“, sagte Sido. „Es muss im Interesse Deutschlands und Europas sein, demokratische Bewegungen und ein friedliches Miteinander der Volksgruppen in der Türkei zu fördern.“ 

Allerdings seien faire demokratische Wahlen in der Türkei nicht gewährleistet. Seit Juli 2016 herrscht dort Ausnahmezustand. Mehr als 7.000 HDP-Mitglieder, leitende Angestellte und gewählte Vertreter und Vertreterinnen der Partei wurden inhaftiert. Insgesamt wurden in der Türkei in den vergangenen zwei Jahren mehr als 100.000 Personen verhaftet, unter ihnen Bürgermeister, Parlamentarier, Schriftsteller und Wissenschaftler. Mindestens 120.000 Beamte, Staatsanwälte und Richter wurden entlassen, rund 2.000 Bildungseinrichtungen und fast 200 Medien geschlossen, darunter auch 15 kurdische Medien. Mindestens 149 Journalisten sitzen im Gefängnis. Religiöse und ethnische Minderheiten wie die Aleviten, Yeziden, Christen, Armenier, Assyrer/Aramäer und Griechen werden unterdrückt.


Header Foto: Hilmi Hacaloglu/ Voice of America via Wikimedia Commons