09.01.2019

Türkei: Pressefreiheit wird mit Füßen getreten

Staatsanwaltschaft fordert 15 Jahre Haft für Herausgeber kurdischer Zeitung (Pressemitteilung)

„Der Berichterstattung kritischer Journalisten mit Willkürjustiz zu begegnen beweist erneut, dass die Pressefreiheit in der Türkei mit Füßen getreten wird“, sagte der GfbV-Türkeiexperte Kamal Sido am Mittwoch in Göttingen. Foto: Kamal Sido/ GfbV

Mit scharfer Kritik hat die Gesellschaft für bedroht Völker (GfbV) auf die Forderung der türkischen Staatsanwaltschaft reagiert, den Herausgeber der einzigen kurdischsprachigen Tageszeitung „Azadiya Welat“, Ramazan Ölcen, mit 15 Jahren Haft zu bestrafen. „Der Berichterstattung kritischer Journalisten mit Willkürjustiz zu begegnen beweist erneut, dass die Pressefreiheit in der Türkei mit Füßen getreten wird“, sagte der GfbV-Türkeiexperte Kamal Sido am Mittwoch in Göttingen. „Offenbar sollen mit derart überzogenen Strafen alle Journalisten, die die Öffentlichkeit über die türkischen Militäroffensiven gegen die Kurdenregionen in Nordsyrien informieren wollen, zum Schweigen gebracht werden. So sollen wahrscheinlich auch Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen durch das türkische Militär und durch die von der Türkei unterstützten syrischen Islamisten unter den Teppich gekehrt werden.“

Der Prozess gegen Ramazan Ölcen hat am Montag begonnen. Er sitzt seit März 2016 im Gefängnis. Ihm wird wie vielen anderen inhaftierten Journalisten vorgeworfen, „Mitglied einer terroristischen Vereinigung“ zu sein. Seine Zeitung „Azadiya Welat“ wurde 1992 aus der Taufe gehoben und im Lauf der Jahre immer wieder verboten oder es wurden einzelne Ausgaben von der türkischen Polizei beschlagnahmt. Mehrere Jugendliche, die die Zeitung verkauften, wurden in den 1990er Jahren auf offener Straße erschossen. Auch Journalisten, die für die „Azadiya Welat“ schrieben, wurden damals ermordet. Im August 2016 stürmte die Polizei die Zeitungredaktion in Diyarbak?r und nahm alle 27 Mitarbeiter in Gewahrsam. Im Oktober 2016 wurden „Azadiya Welt“ und 15 andere kurdische Medienunternehmen per Regierungsdekret endgültig geschlossen.

Die türkischen Behörden haben in der Zeit nach dem Putsch vom Juli 2016 mindestens 150 Medien geschlossen. Medienleute wurden massenweise verhaftet. Laut einem Bericht des Komitees zum Schutz von Journalisten (CPJ) war die Türkei im Jahr 2018 zum dritten Mal "das schlimmste Journalisten-Gefängnis der Welt". In der Türkei sitzen mindestens 142 Journalisten im Gefängnis.

Headerfoto: Kamal Sido/ GfbV