Pressemitteilung

28.10.2019

Al-Baghdadi in Idlib

IS-Anführer lebte unter den Augen der Türkei (Pressemitteilung)

Ein kurdischer Bauer im Nordosten von Syrien, in direkter Nachbarschaft von Idlib. Foto: Sido/GfbV (2015)

Abu-Bakr al-Baghdadi, der Anführer des sogenannten Islamischen Staates (IS), lebte offenbar monatelang unbehelligt in der Region Idlib, direkt an der Grenze zur Türkei.  „Idlib steht seit Jahren unter Kontrolle der türkischen Armee und mit ihr verbündeter islamistischer Milizen“, erinnert Kamal Sido, Nahostexperte der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV). „Es ist unbegreiflich, wie der meistgesuchte Terrorist der Welt dort ohne Wissen Ankaras Unterschlupf gefunden hat.“ Bereits am 25. März 2019 hatte ein Sprecher der kurdischen Selbstverteidigungseinheiten YPG erklärt, Al-Baghdadi sei höchstwahrscheinlich in Idlib. Es habe den Anschein, dass Erdogan nicht den IS als Feind ansehe, sondern die kurdischen Bewohner Nordsyriens.

Erdogans Armee hält in der Region mindestens zwölf Beobachtungsposten. Mobilfunk und Internet kommen in der Regel von türkischen Anbietern. „Die von der Türkei besetzten Gebiete in Nordsyrien sind zu Brutstätten radikaler Islamisten jeglicher Couleur geworden“, erklärt Sido. „Viele Menschen in Syrien fragen sich, wie ein NATO-Mitglied die schlimmsten Islamisten unterstützen oder dulden kann.“ Ethnische und religiöse Minderheiten und Volksgruppen wie Yeziden, Christen, Aleviten, Armenier und vor allem Kurden – Opfer der Barbarei des IS – erwarteten eine Antwort auf diese Frage.

Als US-Präsident Donald Trump den Tod Al-Baghdadis am Sonntagmorgen verkündete, dankte er den kurdisch geführten Syrian Democratic Forces (SDF) für ihre Unterstützung. Seit Anfang des Jahres haben die YAT (Spezialkräfte der SDF) und die HAT (Spezialkräfte der Polizei der Selbstverwaltung) in Nordsyrien 347 Razzien gegen IS-Zellen durchgeführt und 476 Verdächtige verhaftet. Darunter waren hochrangige IS-Mitglieder wie Anwar Mohammed Hadoushi aus Belgien, der die Anschläge von Paris und Brüssel mitorganisiert haben soll. Diese Razzien sind seit Beginn des völkerrechtswidrigen Angriffs der Türkei deutlich zurückgegangen. Kurdische Kämpfer und ihre Verbündeten konzentrieren sich auf die Verteidigung ihrer Heimat. Durch gezielte türkische Angriffe auf Gefängnisse und Camps, in denen IS-Anhänger untergebracht sind, konnten Hunderte dieser Gefangenen fliehen. „Ein Terrorist ist tot. Aber viele andere sind frei, weil Trump die Kurdinnen und Kurden verraten hat“, so Sido. 

Headerbild: Sido/GfbV