Pressemitteilung

18.03.2019

Karadzic-Berufungsverfahren

Völkermord darf nicht straflos bleiben! (Pressemitteilung)

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) und die Überlebenden dieser schweren Verbrechen erwarten, dass die Täter belangt werden. Bild: GfbV (2016)

Am 24. März 2016 befand der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag (ICTY) Radovan Karadzic wegen Völkermordes in Srebrenica, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit für schuldig. Für seine Vergehen während des Krieges in Bosnien und Herzegowina von 1992 bis 1995 wurde er zu 40 Jahren Haft verurteilt. Er warf den Richtern des ICTY daraufhin einen „politischen Prozess“ gegen ihn vor und legte Berufung ein. Dazu wird das zuständige Gericht am 20. März 2019 in Den Haag sein Urteil verkünden.

„Radovan Karadzic hat uns und unseren Landsleuten Tod, Vertreibung, Leid und Elend gebracht. Die Verantwortlichen für die blutige Teilung unseres Landes, Völkermord, ethnische Säuberungen und Massenvergewaltigung dürfen nicht ungestraft davonkommen“, erklärt Nura Begovic, Überlebende des Srebrenica-Massakers anlässlich der bevorstehenden Urteilsverkündung gegen den bosnischen Serbenführer. „Die internationale Gemeinschaft darf Genozid niemals akzeptieren. Sonst wird die Blutspur nicht abreißen“, mahnt sie. Die mörderische Ideologie wirkt weiterhin nach. Rechtsextreme in aller Welt berufen sich auf Karadzic: Brenton Tarrant, der jüngst in Christchurch (Neuseeland) einen rechtsterroristischen Anschlag auf zwei Moscheen verübte, lobte Karadzic und sein Gedankengut in seinem „Manifest“.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) und die Überlebenden dieser schweren Verbrechen erwarten, dass die Täter belangt werden. Das Gericht muss auch die Verbrechen in anderen Teilen Bosniens als Genozid einstufen. Dazu zählen die Konzentrationslager in Prijedor, die berüchtigten Frauenlager in Foca, sowie Massenhinrichtungen in Bratunac und Zvornik. Ohne die Anerkennung der Verbrechen kann es keine Gerechtigkeit und keinen dauerhaften Frieden auf dem Westbalkan geben.

Das Miloševic-Regime aus Serbien und die Truppen von Karadzic hatten den international anerkannten und souveränen Staat Bosnien und Herzegowina von 1992 bis 1995 mit Krieg und Völkermord überzogen. Nach den Massenvertreibungen errichteten sie auf der Hälfte seines Territoriums die so genannte Republika Srpska. Mehr als 20.000 bosnischen Frauen wurden Opfer der Massenvergewaltigungen, serbische Truppen errichteten mehr als 100 Konzentrations- und Vergewaltigungslager. Mehr als 100.000 Bosnier wurden getötet, rund 500.000 weitere wurden in den sogenannten UN-Schutzzonen ausgehungert und beschossen. Karadzic trägt persönlich Verantwortung für den Völkermord in Srebrenica, bei dem mindestens 8.372 bosniakische (muslimische) Jungen und Männer ermordet wurden. Das serbische Bombardement des eingekesselten Sarajevo forderte 11.000 Tote, darunter ihnen 1.500 Kinder. Rund 1.200 Moscheen und Medresen sowie mehr als 500 katholische Kirchen und Gemeindehäuser wurden systematisch zerstört.

Im Fall des ehemaligen Generals der bosnischen Serben Ratko Mladic hatte der zuständige Richter Jean-Claude Antonetti dem Antrag der Verteidigung stattgegeben, drei Richter wegen angeblicher Voreingenommenheit vom Berufungsverfahren auszuschließen. Nachdem auch Karadzic diese Forderung einreichte, verließen die betroffenen Richter den Fall von sich aus, um ihn nicht in die Länge zu ziehen. Nun ist zu befürchten, dass die neuernannten Richter nicht genügend Zeit hatten, um sich ausreichend mit dem Fall bekanntzumachen und eine gerechte Entscheidung zu fällen.  

Headerimage: GfbV/2016