Pressemitteilung

23.12.2020

Kritische Bilanz deutscher EU-Ratspräsidentschaft

(Pressemitteilung)

---- (Göttingen, den 23. Dezember 2020) --- Zum Ende der deutschen EU-Ratspräsidentschaft am 31. Dezember dieses Jahres zieht die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) eine menschenrechtlich enttäuschende Bilanz. Die Bundesrepublik habe in den letzten sechs Monaten konsequent realpolitische Erwägungen über Menschenrechte gestellt. „Besonders deutlich ist das im Verhältnis zu China geworden, wo Berlin europäische Bemühungen permanent blockiert hat“, erklärt GfbV-Direktor Ulrich Delius. „Wohl aus Rücksicht auf die Interessen der deutschen Autoindustrie gab es keine Reaktion auf die verschärfte Lage der muslimischen Nationalitäten in Xinjiang, die Ausweitung des Zwangsarbeits-Systems auf Tibet oder die Niederschlagung der Demokratie-Proteste in Hongkong.“ 
Auch in Sachen Krisenprävention habe die deutsche Ratspräsidentschaft ihre Gestaltungsmöglichkeiten nicht genutzt. „Die humanitäre und menschenrechtliche Katastrophe in Äthiopien hat sich über Monate angekündigt. Die EU hätte im Vorfeld der Militärintervention in Tigray alle Möglichkeiten nutzen müssen, um einen Krieg in der Hungerregion zu verhindern. Doch mit öffentlicher Kritik an Äthiopiens Regierung hielt sich Deutschland zurück. Mit ihrem Schweigen hat die EU mutmaßliche Kriegsverbrechen und andere schwere Menschenrechtsverletzungen indirekt gefördert. Zur Krisenprävention zählt auch, jeden verfügbaren Druck zu nutzen, um schwerste Menschenrechtsverletzungen zu verhindern", sagt Delius. Im Tigray-Konflikt habe die EU versagt, weil Deutschland zu viele Interessen in Äthiopien habe. Doch Menschenrechte seien unteilbar und müssten vor allem für gute Partner Deutschlands und der EU gelten.    
Die Furcht Berlins vor Flüchtenden und Einwandernden habe zudem die Angststarre der EU gegenüber der Türkei zementiert. „Der türkische Präsident Erdogan hat schnell gelernt, dass er sich nach dem Flüchtlings-Deal mit Merkel praktisch alles erlauben kann – und das tut er auch. Für seine Unterstützung des aserbaidschanischen Angriffs auf Bergkarabach kam aus Brüssel keinerlei Gegenwind. Sein Krieg gegen ethnische und religiöse Minderheiten in Nordsyrien und seine Waffenlieferungen nach Libyen laufen munter weiter“, so Delius. „Einzig seine Erdgasbohrungen nahe Zypern scheinen eine Reaktion zu provozieren – denn da geht es ja nicht um Menschen, sondern um Devisen.“