Pressemitteilung

22.07.2018

Mehr Platz für Menschenrechte in deutsch-vietnamesischen Beziehungen

EU-Freihandelsabkommen muss überarbeitet werden (Pressemitteilung)

Tran Dai Quang ist seit 2016 Präsident Vietnams. Zuvor war er Minister für öffentliche Sicherheit. Bild: Lanphuongnguyen via Wikimedia Commons CC-BY-SA-4.0

Ein Jahr nach der Verschleppung des vietnamesischen Ex-Funktionärs Trinh Xuan Thanh aus Berlin hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) neue Menschenrechtsstandards im deutsch-vietnamesischen Verhältnis gefordert. „Aus der spektakulären Verschleppung müssen Lehren gezogen werden. Deutschland darf nicht nur wirtschaftliche Interessen berücksichtigen, Menschenrechte müssen einen höheren Stellenwert im deutsch-vietnamesischen Verhältnis bekommen“, erklärte der GfbV-Direktor Ulrich Delius am Sonntag in Göttingen. „Auch wenn der Entführte bald freikommen sollte, darf nichts mehr wie vorher sein. Denn die genau geplante Entführung zeigt, wie brutal und menschenverachtend Vietnams Sicherheitskräfte gegen Regimekritiker und Minderheiten vorgehen.“

Die Menschenrechtsorganisation forderte auch eine Überarbeitung des EU-Freihandelsabkommens mit Vietnam, in dem Menschenrechte nur marginal berücksichtigt werden. „Vor allem fehlt es an einem Mechanismus zur Menschenrechtsprüfung, an den sich Betroffene aus Vietnam wenden können“ erklärte Delius. Das fertig ausgehandelte Abkommen wird zurzeit nicht ratifiziert wegen der Kritik des Europaparlaments an der Entführung Trinhs.   

Der frühere führende Funktionär der Kommunistischen Partei war am 23. Juli 2017 mit seiner Freundin gewaltsam von einem vietnamesischen Geheimdienst-Kommando aus dem Berliner Tiergarten verschleppt und nach Hanoi gebracht worden. In Vietnam wurde der Entführte inzwischen zu zweimal lebenslänglicher Haft verurteilt. Doch nun mehren sich die Zeichen, dass Trinh freigelassen werden könnte, um eine Normalisierung der Beziehungen mit Deutschland zu ermöglichen.

Die deutsche Bundesregierung hatte aus Empörung über die Entführung die strategische Partnerschaft mit Vietnam ausgesetzt und mehrere Diplomaten des Landes verwiesen. In einem Strafverfahren vor dem Berliner Landgericht gegen den vietnamesisch-tschechischen Entführer Nguyen Hai Long wurde bewiesen, wie minutiös der Geheimdienst die Verschleppung plante und durchführte.   

Vietnams Regierung hatte aber offensichtlich nicht mit einer so harschen Reaktion der deutschen Bundesregierung gerechnet. Um sein Interesse an einer baldigen Normalisierung der Beziehungen zu zeigen, hat Vietnam am 8. Juni 2018 den prominenten inhaftierten Menschenrechtsanwalt Nguyen Van Dai nach Deutschland ausreisen lassen. Die Geste wurde vom Auswärtigen Amt als „bemerkenswerter humanitärer Schritt“ gelobt. Sollte das Berliner Landgericht Trinhs Entführer in den nächsten Tagen zu einer Haftstrafe verurteilen, ist mit einer baldigen Freilassung des Verschleppten aus vietnamesischer Haft zu rechnen.

Headerbild: Lanphuongnguyen via Wikimedia Commons