Pressemitteilung

16.05.2024

80. Jahrestag der Deportation der Krimtataren (18.5.)

Russland warnt Aktivisten vor Teilnahme an Gedenkveranstaltung und verschärft Verfolgung

„Hausdurchsuchungen, Verhöre, Schikanen gegen politische Gefangene – vor dem 80. Jahrestag der kollektiven Deportation der Krimtataren unter Stalin am 18. Mai verstärken die russischen Behörden auf der Krim ihre Repressionen gegen die krimtatarische Bevölkerung“, warnt Sarah Reinke, Leiterin der Menschenrechtsabteilung der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV). Aktuell seien 133 Krimtataren unter den insgesamt 218 politischen Gefangenen auf der Krim, bei einem Bevölkerungsanteil von weniger als 12 Prozent. 

„Mehreren krimtatarischen Journalisten, Anwälten und Bürgerrechtlern wurden Strafverfahren angedroht, sollten sie sich an Gedenkveranstaltungen an die Deportation beteiligen“, sagte Reinke. Solche Warnungen erhielten der Aktivist Seit-Osman Karalijew, die Anwälte Lilia Hemedzhi und Rustem Kyamilijew, Nadzym Scheichmambetow und die Menschenrechtlerin Lutfije Zudijewa.

Der 18. Mai 1944 markiert das schlimmste Ereignis in der krimtatarischen Geschichte: Während viele Krimtataren auf der Seite der Roten Armee gegen Nazideutschland kämpften, zwangen Mitarbeiter des sowjetischen Geheimdienstes NKWD nachts und am frühen Morgen des 18. Mai 1944 alle verbliebenen Krimtataren in Viehwaggons, beschlagnahmten ihre Häuser und ihr Eigentum und deportierten sie nach Zentralasien, in den Ural und nach Sibirien. In diesem Völkermord kamen 46 Prozent der mehr als 200.000 Deportierten ums Leben. 

In der Verbannung wurden die Krimtataren in Häftlingsbaracken, Unterständen, Schuppen oder Lehmhäusern untergebracht, mussten brutale Zwangsarbeit leisten und wurden ihrer Rechte beraubt. Sie wurden dem „Sondersiedlerstatus“ der Sowjetunion unterworfen und durften ihre Sprache nicht mehr sprechen. Auf der Krim wurde die Erinnerung an das indigene Volk der Halbinsel systematisch zerstört: Denkmäler wurden niedergerissen, LKW-Ladungen von Büchern ins Schwarze Meer gekippt oder verbrannt, Friedhöfe und Moscheen der Krimtataren wurden dem Erdboden gleichgemacht und Grabsteine für den Bau von Schweineställen und Toiletten verwendet. Alle ursprünglichen Namen von Dörfern, Städten und Flüssen verschwanden von den Landkarten.

Erst Ende der 1980er Jahre durften die Krimtataren nach und nach in ihre Heimat zurückkehren. Die Folgen dieses Völkermords an den Krimtataren sind bis heute spürbar und werden durch Russlands völkerrechtswidrige Annexion der Krim 2014 sowie den Krieg gegen die Ukraine weiter verstärkt. Zehntausende Krimtataren sind in der Folge geflohen. „Aktuell kämpfen krimtatarische Aktivisten weltweit – aus der Diaspora und in der Ukraine – um das Überleben ihres Volkes. Die systematische Verfolgung auf der Krim ist für sie eine Fortsetzung der sowjetischen Politik der Vernichtung, Vertreibung und des Genozids“, erklärt Reinke. 

In Deutschland wird am 18. Mai eine Kundgebung auf dem Potsdamer Platz in Berlin stattfinden. Von 19 bis 21 Uhr erinnern Krimtataren an die Deportation vor 80 Jahren und machen auf das Schicksal ihres Volkes unter russischer Besatzung aufmerksam. Die Veranstaltung wird die vom Berlin Info-Point Krim organisiert.