An einer Protestaktion der Gesellschaft für bedrohte Völker am 19. Mai 2022 vor der
katarischen Botschaft haben sich auch Unterstützer von #BoycottQatar2022 beteiligt.
Foto: © Hanno Schedler/GfbV

Liebe Leserin, lieber Leser,

ich bin ein großer Sport-Fan. Ich liebe es, mich gerade in große Turniere hineinzusteigern, mit meinen Lieblings-Sportler*innen mitzufiebern, unglaubliche menschliche Leistungen im Schwimmen, Klettern, Hochsprung oder Turnen zu bewundern. Eine weitere meiner Leidenschaften ist es, über andere Länder dazuzulernen. Eine sportliche Veranstaltung ist für mich entsprechend immer ein willkommener Anlass, mich komplett auf ein Land zu fokussieren: Im Vorfeld einer großen Sportveranstaltung versuche ich, so viel wie möglich über das Gastgeberland herauszufinden. So stimme ich mich auf die Veranstaltung ein. Olympische Spiele, Fußball-Welt- und Europameisterschaften der Männer und Frauen – alles das waren früher Highlights, auf die ich mich gefreut habe.

Dann kam das Jahr 2010 mit der Bekanntgabe, dass die Fußball-Weltmeisterschaft der Männer im Jahr 2018 in Russland, im Jahr 2022 in Katar stattfinden sollte. Euer Ernst?! Es war wie ein Schlag ins Gesicht. Aber 2018 und 2022 waren damals noch so weit weg. So weit. Jetzt ist 2022 auf einmal da – ein Sportjahr, aus dem ich wahrscheinlich nur die Fußball-Europameisterschaft der Frauen in wirklich guter Erinnerung behalten werde.

Katar also. Das kleine Emirat am Persischen – oder Arabischen, wie Araber*innen sagen – Golf. Im Sommer ist es knalle heiß. Deswegen findet die WM im „Winter“ statt. Die Stadien dagegen wurden von Arbeitsmigrant*innen im Sommer wie im Winter erbaut. Katar ist eines der reichsten Länder der Welt, bietet somit in der Theorie gute bis sehr gute Grundvoraussetzungen für hohe Lebensstandards. Leider nur in der Theorie. Menschenrechte wie Religionsfreiheit, Gleichberechtigung, Pressefreiheit existieren in Katar nicht. Das bekommt die Religionsgemeinschaft der Bahá’í zu spüren, das bekommen Angehörige der afrikanischen Diaspora zu spüren, das bekommen Medienschaffende zu spüren.

Die Fußball-Weltmeisterschaft ist ein Instrument, das über Missstände hinwegtäuschen soll. Der katarische Emir Tamim Al Thani ist gut darin, sein Image und das seines Landes aufzupolieren. Das muss einem erstmal gelingen, wenn man parallel Kontakte zur Muslimbruderschaft pflegt, ihnen mit dem Nachrichtensender Al Jazeera eine öffentliche Plattform für ihre islamistischen Botschaften zur Verfügung stellt…

Die Olympischen Spiele in Peking Anfang des Jahres 2022 habe ich nicht geguckt. Die Fußball-Weltmeisterschaft der Männer Ende des Jahres 2022 werde ich wohl nicht anschauen. Beide Veranstaltungen sind mir zu verlogen. Fairplay und Sportsgeist? Dass ich nicht lache. So bleibt jetzt mehr Zeit, um selber Sport zu treiben. Oder zum Lesen, zum Beispiel dieser Ausgabe.

Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre!

Herzliche Grüße

Johanna Fischotter

 



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