Diese Kurdin aus Afrin musste Schlimmes durchmachen: Erst wurde sie von der türkischen Armee und Islamisten 2018 vertrieben. Jetzt muss sie ertragen, dass Erdoğans Kampfdrohnen Leib und Leben der Flüchtenden bedrohen. Foto: GfbV-Archiv
Selten reisen Journalisten in den Norden Syriens. Deshalb wird nicht oft über die bedrückende Lage der Menschen im türkisch besetzten Afrin und den noch von Kurden gehaltenen Gebieten berichtet. Die Bundesrepublik hat keine Botschaft in dem Land und daher angeblich auch keine genauen Informationen. So steht es jedenfalls in einem Schreiben des Auswärtigen Amtes an die GfbV.
Wie kann das sein, wo doch die Menschen in Nordsyrien, die Kurdinnen und Kurden, die Christen, Yeziden, Armenier, Tscherkessen, täglich so sehr unter schweren Menschenrechtsverletzungen der türkischen Armee zu leiden haben?
So von aller Welt alleingelassen, dokumentieren Minderheiten vor Ort unter Gefahr für Leib und Leben selbst, was ihnen widerfährt: ständige Bombardierungen, Drohnenangriffe, Vertreibungen, Verfolgung und Schikane. Wir helfen den Minderheiten dabei, Beweise für diese Menschenrechtsverletzungen zu sammeln. Denn es darf nicht sein, dass niemand den Opfern zuhört und die Türkei unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung schwere Verbrechen vertuschen kann.
Unser GfbV-Referent Dr. Kamal Sido fährt immer wieder in die Region und ist Zeuge der Menschenrechtsverletzungen vor Ort. Wir ermutigen die Betroffenen und sagen ihnen: Ihr seid nicht ganz allein. Wir hören euch. Wir werden diejenigen, die für euer Leid verantwortlich sind, zur Rechenschaft ziehen. Und das gegen alle Widerstände!
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Regelmäßig erreichen Kamal Sido aus seiner Heimatstadt Afrin Nachrichten über die Verbrechen der türkisch-islamistischen Besatzer. Sie zerstören die Hoffnung auf ein friedliches Miteinander der Religionen und Kulturen. Seit 2018 wird die einheimische kurdische Bevölkerung, die aus Muslimen, Yeziden, Aleviten und Christen bestand, unterdrückt, mit dem Ziel, sie zu vertreiben. Von Anfang an hat die GfbV Politikerinnen und Politiker über dieses menschenverachtende Vorgehen des Nato-Partners informiert und Alarm geschlagen. Gerade den religiösen Minderheiten von Afrin geht es besonders schlecht. Sie werden doppelt verfolgt: als Kurden und als Nichtmuslime. Das Schicksal der tapferen kurdischen Alevitin Hevi Mustafa, mit der Kamal Sido seit über einem Jahrzehnt in Kontakt steht, ist dafür ein trauriges Beispiel. Sie war Präsidentin der autonomen Selbstverwaltung in Afrin und mit der Versorgung vieler arabischer Muslime befasst, die vor Kämpfen in anderen Teilen Syriens in Afrin Zuflucht gefunden hatten. Seit der Invasion von Erdoğans Truppen 2018 ist Hevi Mustafa selbst auf der Flucht. Als Frau und Angehörige einer Minderheit ist sie den Islamisten ein Dorn im Auge.
Ein normales Leben in Afrin ist schon lange nicht mehr möglich. Die Menschen leben dort in ständiger Angst vor der Willkür der Besatzer: Es wird regelmäßig gezielt getötet, gefoltert, vergewaltigt, es kommt zu sexueller Versklavung und Plünderungen. Es gibt keine Polizei und keine Justiz, die um Hilfe und Schutz gebeten werden könnten. Etwa 300.000 Menschen haben schon die Flucht ergriffen.
Bis Januar 2018 lebten in Afrin etwa 1.200 kurdische Christen. Nahezu alle mussten fliehen. Der Anteil der gesamten kurdischen Bevölkerung ist von 96 auf etwa 20 Prozent gesunken. Yezidische und alevitische Heiligtümer sowie kurdisch-muslimische Friedhöfe wurden und werden zerstört oder geplündert. Christen aus Afrin haben im Norden Aleppos Zuflucht gefunden. In einem Zelt haben sie eine provisorische Kirche errichtet. Jetzt konnten sie eine Baracke bekommen. Aber sie werden täglich von der Türkei mit Kampfdrohnen bedroht.
Der östliche Teil Nordsyriens ist noch nicht von der türkischen Armee besetzt. Viele Menschen haben dort Zuflucht gefunden. Sicher vor Erdoğans Armee sind sie aber auch dort nicht: An den Weihnachtsfeiertagen flogen türkische Kampfflugzeuge und Drohnen 74 Angriffe auf lebensnotwendige Infrastruktur in Nord- und Ostsyrien. Sie bombardierten medizinische Einrichtungen, Kulturgüter, die Wasser- und Lebensmittelversorgung. Bereits Anfang Oktober 2023 hatte die Türkei innerhalb weniger Tage große Teile der zivilen Infrastruktur zerstört und dabei 92 Menschen getötet und 89 verletzt. Ziele waren unter anderem Wasserwerke, Ölraffinerien, Kraftwerke, aber auch Flüchtlingslager und Krankenhäuser. Die Reparaturarbeiten hatten im Dezember gerade erst begonnen. Wasser, Strom und Gas fehlen weiterhin. Aber die Menschen geben nicht auf, sie wollen in Freiheit leben.
In Hasakeh, im Nordosten Syriens, wo die von Kurden angeführten Kräfte den IS vertrieben haben, gibt es die religiöse und ethnische Vielfalt noch: Dort leben Kurden, Araber, Assyrer/Arämaer, Yeziden, Christen oder Aleviten. Kamal Sido hat dort mehrfach den Bischof der syrisch-orthodoxen Christen, Mar Maurice Yacoub Amsih, getroffen. Er sagte: „Wir alle wollen in unserer geliebten Heimat bleiben!“ Er berichtete über die regelmäßigen Angriffe der türkischen Armee und appelliert an unsere deutsche Regierung: „Bitte sorgen Sie dafür, dass die Türkei ihre Angriffe auf unser Land einstellt und sich aus den besetzten Gebieten zurückzieht.“ Wie viele Menschen in Nordsyrien kann er nicht verstehen, dass die deutsche Regierung auf Druck der Türkei keine Hilfe liefert, obwohl sie so dringend gebraucht wird.
Die Türkei hat in Deutschland mächtige Helfer. Anders ist es nicht zu erklären, dass unsere Bundesregierung – ob Ampelkoalition oder konservativ geführt – angesichts des Leids in Nordsyrien so passiv bleibt. Deshalb müssen wir den Druck auf die Politik erhöhen, damit Deutschland auch kurdische Gebiete in Nordsyrien endlich humanitär unterstützt und die Menschen nicht länger fliehen müssen.
Wir geben den Opfern der türkischen Aggression in Nordsyrien eine Stimme, denn kein Staat will ihr Leid auf die internationale Tagesordnung setzen. all unsere Aktivitäten brauchen wir Ihre Unterstützung, die Unterstützung unserer Mitglieder, Förderer und Spender. Nur dann kann es zu Ermittlungen und eines Tages zu einem Prozess wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit kommen. Wir werden die deutsche Regierung weiter auffordern, endlich humanitäre Hilfe für Nordsyrien zu leisten. Und Kamal Sido wird weiter nach Nordsyrien reisen und Ihnen berichten. Die Menschen, die dort Tag für Tag Vielfalt und Freiheit aufrechterhalten, brauchen unsere Hilfe!
Diese Kampagne wurde im März 2024 lanciert.
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