Land ist Leben: Vertriebene Guaraní kämpfen um ihre Existenz

Diese Guaraní, insgesamt 40 Familien, wurden 2003 von ihrem Land vertrieben. Bis heute kämpfen sie dafür, wieder zurückkehren zu dürfen. Foto: Percurso da Cultura via Flickr

Hunger und Gewalt prägen das Leben der insgesamt 43.000 Guarani im Bundesstaat Mato Grosso do Sul im Südosten Brasiliens. Sie wurden von ihrem Land vertrieben und campieren meist am Rand der Straßen inmitten großer Zuckerrohr-, Soja- und Maisplantagen oder Viehweiden. 95 Prozent des Waldes wurden hier gerodet. Große Flächen wurden mit afrikanischen Gräsern bepflanzt, um sie als Weiden zu nutzen. Da ist kaum noch Platz für die heimische Pflanzenvielfalt. Die Guarani haben keine Chance, auf dem verbleibenden Land genug Nahrung zu finden oder anzubauen. Frustration und Gewalt auch innerhalb der Gemeinschaften sind groß. Wenn sie versuchen, Teile ihres angestammten Landes zu besetzen und aktiv zurückzufordern, werden sie oft gewaltsam von Großgrundbesitzern vertrieben. Von 2003 bis 2010 wurden 250 Guarani getötet. Ende 2015, Anfang 2016 nahmen auch skrupellose Angriffe auf ihre Gemeinschaften zu.

Die Guaraní sind mit etwa 225.000 Menschen eines der größten indigenen Völker Südamerikas. Sie verteilen sich auf Bolivien, Argentinien, Paraguay und sieben Bundesstaaten Brasiliens. Das halbnomadische Jäger- und Sammlervolk ergänzt seine Subsistenzwirtschaft traditionell durch gemeinsamen Ackerbau. Die sehr spirituellen Guarani leben in Großfamilien auf einem angestammten Gebiet, das für sie Ursprung und zugleich Zentrum ihrer Kultur ist.

Die Referentin für indigene Völker der Gesellschaft für bedrohte Völker, Yvonne Bangert, beschreibt in diesem Beitrag die Situation und Arbeit von indigenen Menschenrechtlern in Brasilien. Tipp: Sie können sich den Beitrag auch herunterladen und später offline anhören.

Die Kaiowá-Guaraní sind mit ca. 30.000 Angehörigen die größte der drei Guaraní-Gruppen in Mato Grosso do Sul. Kaiowá bedeutet so viel wie Waldmenschen oder Herrscher der Wälder. Ursprünglich besiedelten sie etwa ein Drittel des heutigen Bundesstaates. Nun müssen sie auf etwa einem Prozent in winzigen Parzellen oder Reservaten überleben. Und selbst dies wird ihnen von Großgrundbesitzern (Fazendeiros) streitig gemacht. Den rund 12.000 Indianern im Reservat Dourados beispielsweise stehen kaum mehr als 3.000 Hektar Land zur Verfügung. Viele Kaiowá besitzen gar kein Land mehr und müssen in Zelten oder unter Plastikplanen am Rande der Highways hausen. In Mato Grosso do Sul sind mehr als 80 neue Zuckerrohrplantagen geplant, oft auf Flächen der Guarani.

In der Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation der UN (ILO) werden die Landrechte der indigenen Bevölkerung anerkannt. Brasilien hat diese Konvention ratifiziert und sich damit verpflichtet, traditionelle Territorien abzugrenzen und zu schützen. Doch die Verfahren zur Absicherung ausreichend großer Reservate verlaufen schleppend. Unter Präsidentin Dilma Rousseff wurden seit 1988 sogar am wenigsten neue Territorien abgegrenzt. Das in der Beratung befindliche Gesetz PEC 215 droht nun das Anerkennungsverfahren für indigene Schutzgebiete vollends auszuhebeln.

Armut und Verelendung

Der Landraub zerstört die soziale Struktur der Gemeinschaften. In den überfüllten Lagern ist traditionelle Subsistenzwirtschaft nicht möglich. Die Zerstörung der Wälder macht das Jagen und Fischen unmöglich. Arbeit in den Zuckerrohrplantagen wird schlecht bezahlt, die Arbeitsbedingungen sind miserabel. Im März und im November 2007 zum Beispiel befreiten Kontrolleure des Arbeitsministeriums mehr als 1.100 Kaiowá-Guaraní und Terena aus unwürdigsten Verhältnissen in Zuckerrohrfabriken. Die Kindersterblichkeit in den Reservaten ist doppelt so hoch wie im Rest Brasiliens. Seit 2005 sind mindestens 53 Guaraní-Kinder verhungert. Die soziale Verelendung provoziert eine Welle von Selbsttötungen, die in diesem Ausmaß einzigartig in Lateinamerika ist. Laut UN-Reporten haben sich seit 1981 bereits 625 Guaraní das Leben genommen, der jüngste war erst neun Jahre alt. Gerade viele junge Guarani sehen in der „Suche nach einem Land ohne Übel“, wie es in ihrer Mythologie heißt, keinen Sinn mehr.


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